Tipps von Sportwissenschaftler Wolfgang Schöllhorn

Wie Bewegung unseren Körper und unser Immunsystem beeinflusst

Stand
Interview mit
Prof. Wolfgang Schöllhorn
Moderator/in
Steffi Stronczyk
Steffi Stronczyk
Onlinefassung
SWR1 RP

Warum der natürliche Drang zu Bewegung so essentiell für unsere Gesundheit ist, warum wir ihn im Laufe unseres Lebens verlieren – und vor allem, wie wir ihn zurückgewinnen können, weiß Bewegungs- und Trainingsexperte Professor Wolfgang Schöllhorn von der Uni Mainz.

Vom Kinderzimmer bis ins hohe Alter – es ist nie zu spät, den Spaß an der Bewegung neu zu entdecken.

Bewegung aktiviert das Gehirn

SWR1: Warum ist Bewegung so wichtig für uns? 

Wolfgang Schöllhorn: Da gibt es inzwischen viele Ansätze. Der Hauptansatz war bisher, dass man darüber Kalorien verbrennt. Was ein bisschen dadurch ins Hinken geriet, dass man feststellte, dass man dadurch nicht sehr viel abnimmt. Es ging einfach um Gelenkentlastung und um den Stoffwechsel anzuregen. Inzwischen geht man mehr in die Richtung, dass Bewegung das Gehirn aktiviert und darüber auch das Immunsystem. Was mit Bewegung noch einhergeht, ist, dass dort Substanzen produziert werden, die insgesamt das Immunsystem unterstützen, den ganzen Stoffwechsel anregen und sogar Stoffe produzieren, die der längeren Verjüngung dienen.

Bewegungsdrang von Kindern

SWR1: Kinder haben noch diesen natürlichen Bewegungsdrang. Wann und warum verlieren wir den eigentlich?

Schöllhorn: Häufig wird er dadurch abtrainiert und abgewöhnt, dass der Bewegungsraum eingeschränkt und auch zu viele Aufgaben abgenommen werden. Eines der größten Probleme wird inzwischen darin gesehen, dass Kinder ständig überall hingefahren werden. Da fehlen, ich würde sagen, schon mindestens eine halbe Stunde pro Tag an Bewegung.

Und, dass die Umgebung nicht mehr den entsprechenden Anreiz bietet – Spielplätze und freie Flächen nehmen ab. Das sind alles Bereiche, die früher einladend waren und die inzwischen untergehen. Was hinzukommt ist, dass Kinder später häufig über digitale Medien stillgestellt werden. Oft wird dann das Smartphone oder Tablet in die Hand gedrückt, damit die Kinder ruhig sind. Daumenbewegung ist eine schlechte Alternative im Vergleich zur Ganzkörperbewegung.

SWR1: Kann man diesen Bewegungsdrang eigentlich noch mal wieder erlernen oder zurückkriegen?

Schöllhorn: Als Wissenschaftler bin ich da etwas vorsichtig. Ich stelle es mir gerade schwierig vor, so eine Studie durchzuführen. Ich glaube prinzipiell: Ja, es geht. Man sieht es auch bei Älteren, wenn sie angefangen haben Spaß daran zu finden, dass das Bewegen in der Natur, mit frischer Luft und auch in der Kälte, insgesamt dem Lebensspaß dient. Und wenn es bei Älteren geht, würde ich sagen, müsste es eigentlich auch bei Jüngeren gehen.

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Körperliche Gesundheit: Bewegungstipps für den Alltag

SWR1: Sie als Bewegungsexperte. Wie haben sie ihren Schweinehund im Griff?

Schöllhorn: Bei mir gab es eigentlich keinen Schweinehund, weil ich von Kindheit an sehr viel Sport getrieben habe. Eigentlich war es bei mir eher andersherum, dass man mich eher ruhigstellen musste, weil ich eher mehr aktiv war und deswegen auch viele verschiedene Sportarten gemacht habe.

Deswegen habe ich auch mein Hobby zum Beruf gemacht. Selbst heute bin ich mindestens vier- bis fünfmal die Woche unterwegs. Jetzt bin ich nicht mehr so hochleistungssportmäßig unterwegs wie früher, allerdings habe ich jeden Morgen eine halbe Stunde Fußweg zur Uni und abends mindestens eine halbe Stunde Fußweg zurück. Die Zeit nutze ich dann auch, um während des Gehens Literatur zu lesen oder mal was anzuhören, wobei ich eher das Lesen bevorzuge.

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SWR1: Was wären ganz einfache Bewegungstipps, die wir alle ohne großen Aufwand machen könnten?

Schöllhorn: Das muss eigentlich jeder für sich selbst herausfinden. Jetzt mache ich es einfach extrem. Wenn ich gehe, dann gilt es für mich, ständig irgendwelche Tempowechsel zu haben. Jetzt nicht nur normales Gehen, sondern auch am Bordstein hoch- und runterzugehen, mal rückwärtszugehen oder in Schlangenlinien. Oder während des Gehens einfach nur meinen Arm zur Seite zu halten oder an der Bushaltestelle auf einem Bein zu stehen, was neben der Bewegung auch Koordination fordert und unter anderem auch die Muskulatur im Rumpfbereich enorm stärkt. Das dient dann auch bei etwas Älteren der Stützprophylaxe. Da gibt es genügend Möglichkeiten.

Man muss einfach nur anfangen. […] Der Körper passt sich in jede Richtung an, also auch ans Nichtstun.

Das Interview führte SWR1 Moderatorin Steffi Stronczyk.

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