Nach dem Tod von Faith Ringgold

Schwarze Kunst im Kommen: Fünf afroamerikanische Künstler, die dem Rassismus auf den Zahn fühlen

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Lydia Huckebrink
Lydia Huckebrink, Autorin SWR Kultur (Foto: SWR, Foto: Lydia Huckebrink)

Die kürzlich verstorbene Künstlerin Faith Ringgold hat ihr Leben lang gegen die Ausgrenzung afroamerikansicher Kunst gekämpft. Noch heute sind die Werke Schwarzer Künstlerinnen und Künstler in Museen und Galerien unterrepräsentiert. Wir stellen Ihnen fünf afroamerikanische Künstler vor, die Schwarze Kunst in den USA maßgeblich prägen.

Afroamerikanische Kunst (Foto: picture-alliance / Reportdienste, ASSOCIATED PRESS | Jacquelyn Martin)
Szenen wie in Picassos „Guernica“: Faith Ringgold konfrontiert uns in „Die“ (1967) mit Episoden von Gewalt und Rassismus.

Faith Ringgold (1930-2024)

Sie war nicht nur Künstlerin, sondern auch Geschichtenerzählerin: Faith Ringgold, die am 12. April 2024 im Alter von 93 Jahren verstorben ist, hat Schwarze Lebensgeschichten in ihrer Steppdecken-Kunst buchstäblich in Stoff genäht.

Nahtlos gehen bei Ringgold Kunst und politischer Aktivismus ineinander über. In Gemälden wie „Die“ (1967) zeigt sie, was sie in die Unruhen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung erlebte: Blut, Chaos, ein groteskes Gemetzel.

Afroamerikansiche Kunst (Foto: dpa Bildfunk, dpa | Christina Horsten)
Politische Botschaften auf farbenfrohen Steppdecken: Die „Story Quilts“ sind Ringgolds Markenzeichen.

Ringgold fühlte sich nicht nur als Schwarze von Museen und der Öffentlichkeit diskriminiert, sondern auch als Frau. 1970 gründet sie ein Kollektiv für Schwarze Künstlerinnen. Wochenlang führte sie einen Protestzug gegen die großen US-Museen an, damit diese Kunst von Afroamerikanern und Frauen nicht länger ignorierten.

Obwohl Ringgold schon lange zu den wichtigsten afroamerikanischen Künstlerinnen der Gegenwart gehört, erhält sie ihre erste Retrospektive erst 2022 im New Museum New York – zwei Jahre vor ihrem Tod.

Jean-Michel Basquiat (1960-1988)

Jean Michel Basquiat ist der erste afroamerikanische Künstler, dem in der weißen Kunstwelt der Durchbruch gelang. Er war der Shootingstar der US-Kunstwelt par excellence.

Basquiat führte ein Leben auf der Überholspur: Der plötzliche Erfolg überrollt den Künstler, 1988 stirbt er mit nur 27 Jahren an einer Überdosis Heroin.

1980 noch mittelloser Graffittikünstler in den Straßen von New York, hypte die Kunstwelt Jean-Michel Basquiat in nur einem Jahr vom Insidertipp zum Megastar. Andy Warhol protegierte ihn, die internationale Kunstwelt riss sich um seine Werke.

Afroamerikansiche Kunst (Foto: picture-alliance / Reportdienste, AP Photo | Kirsty Wigglesworth)
Basquiat malt schwarze Körper, Masken, Szenen, die an Befreiungskämpfe erinnern – erstmals fand die weiße Kunstszene sowas interessant.

Die Bilder von Basquiat sprechen die Rohheit der Straße, kritisieren Rassismus, Gewalt und Konsum. Seine Bildsprache ist wild, wütend, mal expressionistisch und mal ganz bildlich.

Mit seinen damals 21 Jahren ist er bis heute der jüngste Künstler, der je auf einer Documenta vertreten war. Seine Bilder, fast alle in Privatbesitz, kosten heute über 100 Millionen Dollar.

David Hammons (*1943)

Auch David Hammons verhalf die Kunstausstellung Documenta 1992 zum internationalen Durchbruch. Der Ruhm kam spät für den Konzeptkünster, denn David Hammons war da bereits knapp 50.

Afroamerikanische Kunst (Foto: IMAGO, Everett Collection)
Seit 50 Jahren subversiver Konzeptkünstler und gleichzeitig feste Größe der zeitgenössischen Kunstwelt: David Hammons.

Zeitlebens bleibt Hammons ein Außenseiter des Kunstbetriebs. Anstatt Vernissagen zu besuchen, ist der heute 80-Jährige lieber unbequemer Kritiker. Er druckt, zeichnet und performt, macht Videos, Skulpturen und Gemälde und festigt immer wieder seinen Ruf als einer der relevantesten amerikanischen Künstler der Gegenwart.

David Hammons sieht sich als Künstler der Straße. Knochenreste, Haare, Drahtspuhlen, Schneebälle – wertlose Alltagsgegenstände verwandelt er in Allegorien für seine politische Kritik.

Afroamerikanische Kunst: David Hammons "Injustice Case" (Foto: picture-alliance / Reportdienste, AP Images | Frank Augstein)
„Ich empfinde es als meine moralische Pflicht als schwarzer Künstler, künstlerisch zu dokumentieren was ich sozial empfinde”, sagte David Hammons 1969.

Wie für viele afroamerikanische Künstler seiner Generation ist die amerikanische Bürgerrechtsbewegung der 1960er- und 1970er-Jahre auch für Hammons ein einschneidendes Erlebnis. Sein Werk „Injustice Case“ von 1971, Teil seiner „Body Print“-Serie, bezieht sich auf die Misshandlung von Black-Panther-Aktivist Bobby Seale.

Seale war wegen Verbindungen zu Anti-Vietnamkriegs-Protesten wegen Verschwörung angeklagt. Nachdem es zu einer verbalen Auseinandersetzung mit dem Richter kam, ordnete dieser an, dass Seale dem Prozess gefesselt und geknebelt folgen musste. Politische Missstände künstlerisch zu dokumentieren empfinde er als seine Pflicht als afroamerikansicher Künstler, sagt David Hammons.

Kara Walker (*1969)

Keine Außenseiterin, sondern fest etabliert ist Kara Walker. Mit ihren Scherenschnitten sorgte sie 1994 erstmals für Aufsehen. Sklaverei, Gewalt, Rassismus und Unterdrückung sind die Themen, die die kalifornische Künstlerin in raumgroßen Szenen verhandelt.

Afroamerikanische Kunst (Foto: IMAGO, USA TODAY Network)
In schwarzen Schablonen erzählt Kara Walker die Geschichte von Sklaverei und Rassendiskriminerung in den USA.

Darstellungen, die auf den ersten Blick märchenhaft wirken, aber bei genauer Betrachtung mitunter verstören und provozieren. Die Künstlerin dekonstruiert die Mythen der amerikanischen Geschichtsschreibung und befasst sich mit der eigenen Identität.

Kerry James Marshall (*1955)

Auch Kerry James Marshall misst der Farbe Schwarz in seiner Kunst eine große Bedeutung zu. Marshall bedient sich in seinen Gemälden einer besonderen Farbpalette, setzt Schwarz fast ausschließlich als Hautfarbe ein. Die Schönheit des Schwarzen Körpers ist das zentrale Motiv seiner Kunst.

Afroamerikanische Kunst (Foto: IMAGO, UPI Photo)
„Past Times“ (1997): In großflächigen Panoptiken erzählt Marshall Geschichten aus dem Leben der afroamerikansichen Bevölkerung.

Kerry James Marshall ist der große Star der zeitgenössischen afroamerikanischen Kunst – und mit Abstand der teuerste: „Past Times“ (1997) wechselte 2018 für 21 Millionen US-Dollar bei Sotheby's den Besitzer – Rekord für einen lebenden afroamerikanischen Künstler.

Der Käufer ist übrigens niemand geringeres als der US-Rapper und Unternehmer Sean Combs alias. P. Diddy. Marshall freut's. Schließlich seien Schwarze Menschen in der westlichen Welt die längste Zeit selbst wie bewegliches Eigentum behandelt worden: „Dies ist wahrscheinlich das erste Mal in der Kunstwelt, dass ein Schwarzer an einem Kapitalwettbewerb teilnahm und gewann.“

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