Gespräch mit Filmkritiker Bert Rebhandl

Zu Tod von David Lynch: „Er wollte die Abgründe im behaglichen Amerika aufdecken“

Stand
Das Interview führte
Kristine Harthauer
Interview mit
Bert Rebhandl

David Lynch, der amerikanische Filmemacher und Künstler, ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Hinter der traumhaften Welt zeigte er die dunklen Seiten der amerikanischen Gesellschaft. Für ihn schien klar: Unschuldig ist niemand von uns.

Die dunklen Seiten der amerikanischen Gesellschaft

Erst sind seine Filme wie „Eraserhead“ oder „Dune“ gefloppt, später aber wurden sie zu Kultfilmen, die bis heute das Kino prägen. David Lynch, der amerikanische Filmemacher und Künstler, ist im Alter von 78 Jahren gestorben.

Für sein rätselhaftes Filmwerk gibt es ein eigenes Wort: „lynchesk“. Hinter der traumhaften Welt zeigte er aber die dunklen Seiten der amerikanischen Gesellschaft.

Film „Blue Velvet“: Abgründe hinter der Vorstadtidylle

Ein blauer Himmel, ein weißer Gartenzaun, tiefrote Rosen – mit diesen Bildern beginnt David Lynchs Film „Blue Velvet“. Er zeigt eine Vorstadtidylle, die aber schnell gebrochen wird, als die Hauptfigur ein menschliches, verwesendes Ohr zwischen den Grashalmen findet.

Genau dieses Kippen von Atmosphäre versteht der Filmjournalist Bert Rebhandl unter „lynchesk“: „David Lynch schaut als Künstler unter die Oberfläche. Es muss etwas in ihm angelegt sein, dass ihn dazu disponiert hat, diese Dinge zu erkennen, die wir sonst oft nur in unseren Träumen mitkriegen“, so Rebhandl.

Regisseur David Lynch wird 75
Seltsame Welten, in denen sich Abgründe und Mysterien auftun, waren das Spezialgebiet von Regisseur David Lynch, der am 20. Januar 1946 im US-Bundesstaat Montana geboren wurde. Bild in Detailansicht öffnen
Regisseur David Lynch wird 75
1972 begann Lynch die Dreharbeiten für seinen ersten Film „Eraserhead“, dessen Drehbuch nur aus 21 Seiten bestand. Immer wieder wurden ihm bei der Produktion des Filmes Gelder und Mittel gestrichen, sodass er letztendlich vier Jahre am Film arbeitete, ehe es „Eraserhead“ ab 1978 als Geheimtipp in die Kinos schaffte. Bild in Detailansicht öffnen
Regisseur David Lynch wird 75
Nach seinem zweiten Film „Der Elefantenmensch“ erreichte Lynch schließlich das Angebot, Frank Herberts Roman „Dune“ zu verfilmen. Lynch sagte zu und der Film wurde ein Flop. Bild in Detailansicht öffnen
Regisseur David Lynch wird 75
Der Film, der in der Produktion rund 52 Millionen Dollar verschlang, wurde von den Kritiker*innen zerrissen und kostete Lynch seinen mühsam erarbeiteten Ruf als Ausnahmeregisseur. Bild in Detailansicht öffnen
Regisseur David Lynch wird 75
Nachdem Lynch seinen Ruf mit „Blue Velvet“ rehabilitieren konnte, entwickelte er gemeinsam mit Autor Mark Frost die Idee für „Twin Peaks“: In einer Seifenoper sollte ein Mord geschehen, auf dem die folgende Handlung aufbaut. Bild in Detailansicht öffnen
Regisseur David Lynch wird 75
Die Serie, die in über 50 Länder verkauft wurde, lockte bereits bei der ersten Ausstrahlung 35 Millionen US-Amerikaner vor die Fernsehgeräte. Ein Riesenerfolg, der bis heute Vorlage vieler bekannter Serien ist. Bild in Detailansicht öffnen

Lynch zeigt die Gewalt in der amerikanischen Gesellschaft

Dabei war Lynch als Kind friedlich und wohlbehütet aufgewachsen, das sagte er selbst in einigen Interviews. Er kannte also die idyllischen Seiten der amerikanischen Gesellschaft.

In Filmen wie „Blue Velvet“ oder „Mullholland Drive“ zeigt er jedoch die Gewalt, die in ihr schlummert. Die Filme spielten an Orten mit blonden Schulmädchen und Schwiegertöchtern, von denen Amerika glauben möchte, dass es dort am ehesten echt sei, so Rebhandl.

Kult-Serie „Twin Peaks“: Niemand ist unschuldig

Ein solcher Ort ist auch „Twin Peaks“. Die Fernsehserie zog 1990 amerikanische Fernsehzuschauer*innen in ihren Bann. Die Frage „Wer tötete Laura Palmer“ beschäftige die Nation. Rebhandl nennt die Serie ein „absolutes Ereignis der Film– und Fernsehgeschichte“.

Szene aus "Twin Peaks": Der Mann von einem anderen Ort (Michael J. Anderson) und FBI-Agent Dale Cooper (Kyle Maclachlan) im "Red Room".
Mit der Serie „Twin Peaks“ schufen David Lynch und Mark Frost eine Serie, die Elemente von Horror, Mystery, Krimi und Seifenoper kunstvoll miteinander verwob. Im Mittelpunkt steht FBI-Agent Dale Cooper (Kyle Maclachlan, rechts), der in die Kleinstadt Twin Peaks kommt, um den Mord der jungen Laura Palmer aufzuklären.

In Form einer Seifenoper würden darin Dinge aufgedeckt, die einerseits schräg sind, „wo aber auch viele Spuren der Gewaltgeschichte Amerikas langsam auftauchen“, sagt Bert Rebhandl. Unschuldig sei niemand von uns, das habe Lynch mit seinem Werk gezeigt.

Lynchs Filme würden mit unseren eigenen Träumen und mit unserem Unterbewusstsein kommunizieren. Dadurch ermöglichten sie es uns, „Dinge zu begreifen, die wir sonst nicht begreifen würden, wenn wir uns nicht den unheimlichen Erfahrungen aussetzen“, ist sich der Film–Experte sicher.

Regisseur von „Twin Peaks“ und „Blue Velvet“ „Er war der Filmemacher des amerikanischen Albtraums“ – Zum Tod von David Lynch

„Er hat sich nicht auf dem ausgeruht, was er konnte“, sagt der Filmkritiker Rüdiger Suchsland über David Lynch, der wenige Tage vor seinem 79. Geburtstag verstarb.

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Score Snacks - Die Musik deiner Lieblingsfilme Dune - Die Wüste singt

Der Regisseur Denis Villneuve hat mit Dune bereits jetzt ein wahres Epos geschaffen. Bei einer derart hochkarätigen Besetzung mit unter anderem Timothée Chalamet, Oscar Isaac, Josh Brolin, Stellan Skarsgård, Zendaya, Jason Momoa und Javier Bardem braucht es natürlich auch den entsprechenden Musikkomponisten. Und das war hier wieder mal niemand geringeres als Hans Zimmer!

Das Buch "Dune" aus der gleichnamigen Science-Fiction-Saga des amerikanischen Autors Frank Herbert wurde bereits 1984 von David Lynch verfilmt. Leider floppte der Film bei den Kritiken und finanziell - trotz einer Soundtrack-Besetzung aus Brian Eno und Songs der Band Toto!

Beim Team Denis Villneuve und Hans Zimmer sieht es dieses Mal anders aus: Im Kino ein Erfolg, von den Kritiken gelobt und ein zweiter Teil bereits in Produktion. Was machte den Unterschied?

Paul Atreides kommt auf den Wüstenplaneten Arakis, "Dune" genannt. Villneuve hat atemberaubende Landschaften auf die Leinwand gebracht: karg, endlos, lebensfeindlich! Paul muss mit seiner Familie, ein Herrschergeschlecht, eine Verwaltung auf Dune installieren. Dabei können ihm seine mentalen Kräfte, mit denen er andere Menschen kontrollieren und die Zukunft vorhersehen kann, helfen. In Pauls Kopf entfaltet sich noch einmal eine ganz andere Welt als die, die wir Kinozuschauer oberflächlich sehen.

Und genau das liefert uns die Musik! Wie schafft es Hans Zimmer, und nur durch die Töne Pauls Gefühle so eindrücklich darzustellen? Teils verzweifelt, oft verwirrt ...
In dieser Folge Score Snack: Die Wüste singt

Autoren: Malte Hemmerich und Jakob Baumer
Redaktion: Henriette Schreurs und Chris Eckardt

Film: Dune (2021)
Soundtrack: Dune (Original Motion Picture Soundtrack) (2021)
Zusätzlich: Wolfgang Amadeus Mozart - Die Zauberflöte

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