„Pandoras Vermächtnis“ ist eine Reise durch das Familienuniversum von GW Pabst, dem Gigant des frühen deutschen Kinos, erzählt durch die Augen jener Frau, die ein Leben lang künstlerisch und privat an seiner Seite stand: Trude Pabst. Ein Film über Träume und Traumata und darüber, warum wir sind, wer wir sind.
Meisterregisseur der Neuen Sachlichkeit
„Die Büchse der Pandora“ – so heißt einer der berühmtesten unter den vielen berühmten Filmen von Georg Wilhelm Pabst.
Neben Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau war Pabst der dritte unter den großen Giganten des deutschen Stummfilms der Weimarer Republik, und mit Filmen wie „Die freudlose Gasse“, „Geheimnisse einer Seele“, „Tagebuch einer Verlorenen“ und eben „Die Büchse der Pandora“ wurde er zum Meisterregisseur der Neuen Sachlichkeit schlechthin.
ein Realist, der sich aber für das interessierte was unter der Oberfläche des auf der Leinwand Zeigbaren lag und versuchte, dem Unterbewussten, den Gefühlen, Trieben und verbotenem Verlangen eine Sichtbarkeit auf der Leinwand zu geben.
Erzwungene Arbeit für das NS-Kino
Politisch links stehend, wurde er 1933 ins französische Exil gezwungen, durch unglückliche Zufälle wurde er dann ab 1939 gezwungen, wieder in Deutschland zu arbeiten und drehte drei Filme für das NS-Kino.
In den fünfziger Jahren drehte er noch mal ein Dutzend Filme, darunter mit „Der letzte Akt“ und „Es geschah am 20. Juli“ zwei Werke, die sich für die damalige Zeit sehr kritisch mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen.
Bürgerliche Ehe und unterdrückte Triebe als zentrale Motive
„Die Büchse der Pandora“ könnte auch der Titel von Angela Christliebs Film über Pabst sein. Die österreichische Regisseurin stößt mitten hinein ins Herz der Familienpolitik der Pabst Familie – und dieser Ansatz hat wiederum eine Menge mit dem Filmregisseur zu tun.

Denn Pabst thematisiert in fast allen seinen Filmen die bürgerliche Ehe, Affären und Fremdgehen genauso wie unterdrückte Triebe, wie die Gewalt des Vaters über seine Kinder und die Emanzipation und Selbstverwirklichung der Ehefrauen in diesen Familienkonstellationen.
Ein konservativer Patriarch
Zur Schlüsselfigur von Christliebs Film wird hier jenseits der noch lebenden Enkel, die auch auftauchen, aber eher vom Thema wegführen, die Ehefrau des Regisseurs Trude Pabst.
Sie hatte als Schauspielerin begonnen und ihren Mann kennen und lieben gelernt, doch der – als Künstler linksliberal und tolerant – entpuppte sich im eigenen Haus als mitunter konservativer Patriarch.
Die Ehefrau als engste Mitarbeiterin
Viele tausend Tagebuch-Seiten und Briefe hat Trude Pabst hinterlassen – sie sind eine unschätzbare Quelle für Leben und Filmogragraphie des Regisseurs. Die Ehefrau war auch dessen engste Mitarbeiterin und er hat sie auch immer ermutigt, selbstständig als Drehbuchautorin zu arbeiten.
Trotzdem war dieses Arbeitsverhältnis keineswegs immer frei von Streit und wechselseitigen Enttäuschungen.
Christlieb belegt aber, dass die Menschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielerlei Hinsicht – sexuell wie emotional – freiheitlicher und offener gesonnen waren, als es viele Menschen heute sind und für die Vergangenheit glauben machen möchten.

Die Bedeutung von Trude Pabst wird ins rechte Licht gerückt
So ist dies ein Film, der unschätzbare Quellen zutage fördert, der erstmals Trude Pabsts Biographie angemessene Aufmerksamkeit schenkt. Christlieb rückt die Bedeutung dieser immer auch in künstlerischen und privaten Krisen loyalen Ehefrau ins rechte Licht.
Dabei schießt sie aber nicht über das Ziel hinaus und vermeidet den Fehler mancher neuerer Künstlerbiografien, die Bedeutung der Gattin aus feministischen Motiven über Gebühr aufzublasen oder das Genie des Künstlers zu relativieren.
Das Porträt einer Ehe
In „Pandoras Vermächtnis“ bleibt immer klar, dass man sich für Trude Pabst vor allem deswegen interessiert, weil sie die Frau eines wichtigen Künstlers war, aber nicht das Genie hinter einem Mann das nicht gesehen wurde.
Es gibt in diesem Film auch keine Enthüllungen über einen Ehegatten der sich ungebührlich oder gar missbräuchlich betragen hätte.
Stattdessen ist dieser Film das Porträt einer Ehe die über 40 Jahre bis zu Papsts Tod 1966 und auch über diesen hinaus gehalten hat.
Der Trailer zu „Pandoras Vermächtnis“, Kinostart am 3.4.:
Porträt des Filmregisseurs GW Pabst Daniel Kehlmanns Roman „Lichtspiel“
Mit „Lichtspiel“ legt Daniel Kehlmann nicht nur ein Portrait des legendären Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst vor, sondern auch eine Parabel über die künstlerische Arbeit innerhalb eines totalitären Regimes. Einige starke, nämlich wild-groteske Szenen im Zentrum des nationalsozialistischen Machtapparates überzeugen, doch die biografische Fiktion enttäuscht insgesamt. Viele Pointen sind vorhersehbar, die größtenteils biedere Prosa entwickelt sich zur Nummernrevue. Selbst Pabst war unter widrigen Bedingungen experimentierfreudiger als der Schriftsteller Kehlmann.
Rezension von Carsten Otte.
Rowohlt Verlag, 480 Seiten, 26 Euro
ISBN 978-3-498-00387-6