Der Nebel hängt tief im Moseltal. Dichte Schwaden liegen über dem Fluss. Besonders morgens ist die Luft feucht in den Weinbergen von Merl. Es ist ein idyllischer Anblick, doch der Winzer Julian Scheid muss jetzt Acht geben auf seine Reben . Denn wenn es nass wird, fühlen sich Pilze wie der Mehltau besonders wohl.
Um seine Ernte gegen den Schädling zu schützen, spritzt Scheid seine Pflanzen ein. Mit etwas Kupfer und Schwefel versucht er, die Pilze von seinen Steillagen fernzuhalten. "Der Schutz legt sich auf die Pflanzen wie Sonnencreme", erklärt Scheid. Chemischer Pflanzenschutz kommt ihm hingegen ebenso wenig auf den Weinberg wie mineralischer Dünger oder Herbizide. Denn seit 2015 arbeitet der junge Winzer nach Biorichtlinien: "Ich muss ein bisschen genauer schauen, was in der Natur abgeht. Und auch auf die Tier- und Pflanzenwelt Rücksicht nehmen."
Als Futter für die Insekten lässt Scheid Blühstreifen zwischen den Rebstöcken stehen. "Ein Weinberg sollte nicht aussehen wie ein Sportrasen auf dem Fußballplatz, den muss man nicht ständig und überall mähen", findet der 28-Jährige, dem die Artenvielfalt und die Umwelt am Herzen liegen. Und trotzdem fürchtet auch der Biowinzer die Pflanzenschutzverordnung, die sogenannte Sustainable Use Regulation, die die Europäische Kommission derzeit auf den Weg bringt.

EU-Kommission will Pflanzenschutzmittel im Moseltal verbieten
Konkret will die Kommission, dass Bauern und Winzer ab 2030 nur noch halb so viel Pflanzenschutzmittel über ihren Feldern und Weinbergen versprühen wie derzeit. In besonderen Landschaftsschutzgebieten - zum Beispiel dem Moseltal - soll der Einsatz von Pestiziden ganz verboten werden. Denn vor allem chemische Spritzmittel töten Insekten, sie verunreinigen das Grundwasser und den Boden.

"Wenn wir es nicht schaffen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren", schreibt eine Pressesprecherin der Kommission auf SWR-Anfrage: "wird das schwerwiegende und möglicherweise unumkehrbare Auswirkungen auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln in der EU haben." Und auch das Artensterben würde wohl voranschreiten.
Biowinzer spritzen die Reben vor allem in nassen Jahren
Julian Scheid hat für das Anliegen Verständnis: "Ich finde schon, dass was passieren muss und auch jeder etwas dazu beitragen kann. Wir können auch noch mehr für die Artenvielfalt tun." Ganz ohne Pflanzenschutz sei Weinbau in der Region aber so gut wie unmöglich, sagt der Biowinzer.
Das hat auch mit dem Wetter zu tun. Denn in kaum einem anderen Weinanbaugebiet auf der Welt regne es so häufig wie im Moseltal. Besonders in nassen Jahren wie 2016 oder 2021 sei der Winzer mit dem biologischen Pflanzenschutz an seine Grenzen gekommen. Das vergangene Jahr hingegen sei so trocken gewesen, dass er deutlich weniger Spritzmittel verwenden musste, sagt der Winzer: "Durch den Klimawandel wird das Wetter immer extremer, extrem nass oder extrem trocken, und damit müssen wir umgehen. Niemand will Pflanzenschutz einsetzen, aber es bleibt uns nichts anderes übrig."

Bauernverband sieht Existenzen gefährdet
Ganz auf Pestizide zu verzichten, das hält daher auch der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau für unrealistisch. Die Agrarlobby läuft daher schon länger Sturm gegen die Reformpläne aus Brüssel. "Es wäre das Aus für die betroffenen Winzer, die überwiegend Flächen in Schutzgebieten an der Mosel, am Rhein, an der Ahr oder der Nahe haben", sagt Pressesprecher Herbert Netter.
Außerdem habe sich gerade auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes in den letzten 30 Jahren sehr viel getan. Die Wirkstoffe seien effizienter geworden und würden seltener versprüht. Zudem gingen vor allem junge Landwirte heute sensibler mit dem Thema um, setzten sich zum Teil aktiv für den Schutz von Bienen und anderen Insekten ein.
Manche Winzer versprühen weiterhin viele Pestizide
Julian Scheid ist ein Winzer dieser neuen Generation. Doch es gibt auch schwarze Schafe in der Branche, denen Ertrag wichtiger ist als die Umwelt. Wer dieser Tage durchs Moseltal fährt, sieht Hubschrauber, Drohnen und große Traktoren, die Weinberge großflächig besprühen. Ein beißender, chemischer Gestank liegt dann in der Luft.

Für den Biowinzer aus Merl ist das nicht der richtige Weg. Der 28-Jährige findet aber auch, dass Landwirte mehr Förderung brauchen, um ökologischer arbeiten zu können. Sonst könnten sie irgendwann nicht mehr mit der Konkurrenz aus dem Ausland mithalten, wo die Umweltrichtlinien teilweise niedriger seien. Auch der Bauern- und Winzerverband fürchtet, dass bald mehr Wein importiert werden wird - und zwar aus Ländern, die die Auflagen nicht erfüllen.
Bauernverband hofft "auf Vernunft anderer EU-Staaten"
Scheid hat aber auch gute Argumente für den Umstieg auf ökologischen Weinbau. "Der Schritt hin zum Biowein war für uns auch ein Schritt in Richtung Qualität und Authentizität", sagt der Jungwinzer: "Denn jetzt schmeckt der Riesling eben so wie er eben nur hier in Merl schmecken kann." Die "perfekten Trauben" anzubauen und daraus den Wein zu kreieren - das ist für ihn der schönste Beruf der Welt.
Scheid hofft, dass ihm die Pflanzenschutzverordnung diesen Beruf nicht kaputtmacht. Der Vorschlag der Kommission wird nun aber erstmal im Europäischen Parlament und im Rat der Mitgliedsstaaten diskutiert. 19 Länder haben bereits ihr Veto gegen den Entwurf eingelegt. "Wir hoffen jetzt auf die Vernunft anderer EU-Staaten, die hoffentlich mehr landwirtschaftliche Fachkompetenz besitzen als unsere Bundesregierung", sagt Herbert Netter vom Bauernverband.