Rebhuhn steht auf einem Feld (Foto: IMAGO, IMAGO / imagebroker)

Biodiversität sinkt

Weniger Vögel durch intensive Landwirtschaft

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Marcel Fehr
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Stefanie Peyk

Es gibt immer weniger Vögel in Europa. Hauptursache ist laut einer aktuellen Studie die intensive Landwirtschaft und ihr Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln.

Die Zahlen sind alarmierend: In einem Zeitraum von fast vier Jahrzehnten, von 1980 bis 2016, ist die Zahl der Brutvögel in Europa um rund ein Viertel zurückgegangen. Die Vögel der Agrarlandschaft hat es noch deutlich härter getroffen. Ihre Zahl hat sich im selben Zeitraum mehr als halbiert.

Dramatischer Rückgang bei Feldvögeln

Betroffen sind laut Christian Hof, Biodiversitätsforscher an der TU München, unter anderem die Feldlerche, Kiebitze und das Rebhuhn.

„Wenn ich früher als Kind durch die Felder spaziert bin, hörte man über jedem Acker zwei Feldlerchen singen. Heute findet man vielleicht noch auf jedem zweiten Acker eine.“

Der Naturschutzbund NABU nennt bei seinen Portraits der heimischen Vögel im Internet jeweils auch die Bestandstrends für Deutschland – und bei zahlreichen Feldvögeln zeigt der langfristige Trend dramatisch nach unten, nicht nur bei Kiebitz, Rebhuhn und Feldlerche, sondern etwa auch bei Bluthänfling, Wendehals und Braunkehlchen und sogar bei Star und Feldsperling.

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Studie gewichtet Stressfaktoren für Vögel

Die Studie sucht nach Erklärungen für den Vogelschwund, indem sie überprüft, ob es statistische Zusammenhänge gibt, etwa zur Intensivierung der Landwirtschaft, zur Verstädterung, zur Entwicklung der Bewaldung und zum Klimawandel.

Kernergebnis: Die intensive Landwirtschaft ist der Haupt-Treiber für den Rückgang vieler Vogelpopulationen, insbesondere der Einsatz von Dünger und Pestiziden. Wo etwa viel Chemie gespritzt wird, fehlt es an Samen von Wildkräutern und an Insekten. Die Folge: Die Vögel finden weniger Futter.

Lebensräume schwinden

Dazu kommt: Die Agrarlandschaft sieht heute völlig anders aus als noch in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Äcker, Felder und Wiesen sind oft erheblich größer als damals. Es fehlen Hecken, Gehölze, Gewässer und kleinere Waldstücke als Lebensräume für Vögel. 

Auch die zunehmende Verstädterung hat laut Studie einen negativen Einfluss auf die Vogelbestände in Europa, etwa, wenn in Vorstädten immer neue Baugebiete entstehen. Manche Vogelarten wie die Amsel haben sich aber auch angepasst und suchen sich Nistplätze und Futter in Siedlungen.

Ein Kiebitz stakst über einen Acker (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Stefan Puchner)
Ein Kiebitz stakst über einen Acker.

Auch die Waldvögel leiden

Die Zahl der im Wald lebenden Vögel in Europa hat im Laufe von zwanzig Jahren abgenommen, obwohl die Waldflächen offiziell gewachsen sind. Aber es kommt darauf an, wie sich der Wald zusammensetzt. Eine Fichten-Monokultur sei etwas anderes als ein gewachsener Wald mit alten Bäumen, vielen Stockwerken, Baumlücken und viel Totholz, erklärt der Naturschutzforscher vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Guy Pe’er.

"Wir verlieren die Primärwälder in Europa. In Skandinavien wird gesagt, es gebe mehr Wälder. Nein, sie haben nur mehr Plantagen."

Gewinner und Verlierer des Klimawandels

Die Studie hat auch untersucht, wie sich der Klimawandel auf die Vogelwelt auswirkt. Durch die steigenden Temperaturen kommt es zu Verschiebungen. Der Biologe Christian Hof nennt folgendes Beispiel:

Der Gelbspötter, ein eher unscheinbarer Vogel, der ursprünglich bei uns beheimatet ist, verzieht sich langsam nach Norden, da er eher an kältere Bedingungen angepasst ist. Die immer wärmeren Temperaturen bei uns scheinen aber einem nahen Verwandten zu gefallen, dem Orpheusspötter, der vermutlich aus dem Süden und Westen eingewandert ist. Die erste Art ist durch den Klimawandel benachteiligt, die zweite scheint zu profitieren. 

Europäische Agrarpolitik in der Pflicht

Was tun, damit es den Vögeln wieder etwas besser geht? Da sind sich Guy Pe’er und Christian Hof einig: Man müsse vor allem bei der Landwirtschaft ansetzen. Wenn Landwirte die Umwelt schützen, müssten sie dafür honoriert werden. Das sei Aufgabe der europäischen Agrarpolitik, so Pe’er.

Lerchenfenster auf einem Acker in Korntal-Münchingen (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Marijan Murat)
Lerchenfenster auf einem Acker in Korntal-Münchingen.

Pe’er sieht auch Chancen, wenn Landwirte sich für den Naturschutz zusammenschließen, damit auf den gemeinsamen Flächen zum Beispiel ein Korridor aus Hecken oder Bäumen entstehen kann, der verschiedene Biotope miteinander verbindet. Der Feldlerche helfen Lerchenfenster – also Stellen auf Feldern, wo gezielt auf rund 20 Quadratmetern nicht gesät wird. Dort können Lerchen brüten und Futter finden. Auch Rebhuhn und Feldhase profitieren. Christian Hof schlägt außerdem vor, weniger Fleisch zu konsumieren. Dann würde man weniger Flächen für Futtermittel brauchen.

Vogelschutz hilft Vögeln UND Menschen

Von besseren Chancen für die Vögel profitieren auch die Menschen. Die Vogeldiversität steht nämlich im Zusammenhang mit unserer psychischen Gesundheit und unserem Wohlbefinden. Zugespitzt formuliert: Vögel beobachten und sie singen hören macht glücklich.

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