"Ich sah einen Mann in den Trümmern eines Hauses. Es war ein Vater, der zwei Monate nach dem Beben noch immer in den Trümmern nach seinem Kind suchte." Es ist eine erschütternde Szene, die Emra Bayindir nicht aus dem Kopf geht. Auch jetzt, ein Jahr nach dem Erdbeben in der Türkei, sind viele Trümmer noch nicht weggeräumt, sagt er.
Viele Menschen noch immer obdachlos
Emra Bayindir ist als Bauunternehmer viel beschäftigt. In diesen Tagen, ein Jahr nach dem großen Erdbeben in der Türkei, ist er mit den Gedanken aber auch oft in Gaziantep, der Stadt, in der er geboren wurde und wo seine Geschwister leben. Ihnen ist zum Glück nichts zugestoßen, aber viele Menschen sind in der Türkei auch ein Jahr nach dem Beben noch immer obdachlos.
Genau vor einem Jahr, am 6. Februar 2023, klingelte auf einmal mitten in der Nacht das Handy von Emra Bayindir. Es waren seine Geschwister, die aus Gaziantep anriefen. Er hörte Schreie, Lärm, dann sagten sie ihm, dass es bei ihnen ein Erdbeben gegeben hatte. Er war später selbst vor Ort und hat auch aktuell Kontakt ins Erdbebengebiet. "Man muss ehrlich sagen, da hat sich nichts verbessert", sagt er heute.
Hilfsaktion für Erdbebenopfer
Emra Bayindir ist in Gaziantep geboren, kam als Teenager in die Region Trier und leitet in Trier sein eigenes Bauunternehmen. Vor einem Jahr zögerte er keine Sekunde und startete sofort eine Hilfsaktion für die Erdbebenopfer. Was solche Aktionen betrifft, hatte er schon Erfahrung, denn er hatte 2022 auch schon Hilfsgüter für die Ukraine gesammelt. Sechs LKW - voll bepackt - hat Emra Bayindir zu Erdbebenopfern in die Türkei gebracht.
Viele Menschen aus der Region Trier hatten Sachspenden in die Konzer Lagerhalle von Emra Bayindir gebracht. Vor allem Kinderkleidung, haltbare Lebensmittelkonserven und Milchpulver. Emra Bayindir hatte Kontakt zu Speditionsunternehmen aus der Region Gaziantep, finanzierte selbst die Transportkosten und war Ende März 2023 selbst vor Ort, um die Spenden an Menschen zu verteilen. "Da haben sich viele Kinder gefreut", sagt er.
Fragt man ihn heute, wirkt Emra Bayindir etwas resigniert. Er wollte ganz bewusst die in der Region Trier gesammelten Hilfsgüter selbst ins türkische Erdbebengebiet um die Stadt Gaziantep bringen und die Sachen an die Menschen verteilen, die es am dringendsten brauchten. "Anfangs ging alles gut, doch am Ende bekamen wir immer größere Schwierigkeiten", sagt er heute. Die türkischen Behörden wollten nicht, dass er die Sachspenden selbst verteilte. Auch türkische Spediteure wollten von den Hilfstransporten profitieren und verlangten immer höhere Preise.
Emra Bayindir ist froh, dass er die Hilfsaktion gemacht hat, doch es frustriert ihn, dass die Situation vor Ort immer noch schlimm ist. "Vor einem Jahr lebten Menschen unter provisorischen Zeltplanen", erzählt er und zeigt Fotos, die er gemacht hat. Auch jetzt lebten viele noch immer in Containern, sagt er, doch der Strom sei abgestellt worden, weil die Menschen die Rechnung nicht zahlen konnten. Auch warmes Wasser hätten die Menschen in den Containern nicht. Emra Bayindir hat auch wenig Hoffnung, dass sich vor Ort für die Erdbebenopfer schnell etwas verbessern wird. Das macht ihn traurig, sagt er.