Wenn die Menschen aus dem kleinen Ort Leisel im Hunsrück den Hahn aufdrehen, kommt das Trinkwasser noch aus den eigenen Quellen im Ort. Und darauf sind die Leiseler sehr stolz, erzählt René Dietrich, Ortsbürgermeister des Dorfes am Rande des Nationalparks Hunsrück-Hochwald. Der Stolz sei in den vergangenen Monaten aber in Wut und Verunsicherung umgeschlagen. Denn die Leiseler fürchten, dass ihre Quellen abgeschöpft werden könnten.
Wasser im Nationalpark für Natur und Menschen vor Ort
Grund ihrer Befürchtungen sind die geplanten Probebohrungen der beiden regionalen Betriebe Hochwald Sprudel und Schwollener Sprudel. Ziel dieser Probebohrungen ist der Ausbau von Brunnen, aus denen die Sprudelbetriebe Mineralwasser gewinnen könnten. Das soll ausgerechnet im landesweit einzigartigen Nationalpark Hunsrück-Hochwald geschehen, einem Gebiet, in dem die Ressource Wasser besonders geschützt wird.
Wasser darf dort laut Nationalpark-Staatsvertrag nur zum Gemeingebrauch entnommen werden. Das bedeutet: Das Wasser ist nur für die Gemeinden vor Ort und die Natur gedacht und nicht für Sprudelfirmen, die damit Geschäfte machen.
Leisel wäre besonders betroffen
Und dennoch sind nach Angaben der Struktur- und Genehmgungsdirektion (SGD) Nord bereits sechs Versuchsbohrungen im Nationalpark zu Brunnen ausgebaut worden. Seit 2019 werden dort Millionen Liter Wasser aus dem Boden gepumpt. An sechs weiteren Stellen könnten nun ebenfalls Brunnen entstehen. Davon wäre besonders die Ortsgemeinde Leisel betroffen, wie Bürgermeister Dietrich erklärt. Aber warum dürfen Sprudelfirmen Wasser aus dem Nationalpark pumpen, wenn der Staatsvertrag das eigentlich verbietet?
Möglich sind die Probebohrungen nur, weil sie kurz vor Gründung des Nationalparks beantragt und genehmigt worden sind. Die Anträge gingen bei der zuständigen Struktur- und Genehmigungsbehörde (SGD) Nord 2013 ein, wurden 2014 genehmigt und im Jahr 2015 ist der Nationalpark dann gegründet worden.
In Leisel ärgert sich Bürgermeister Dietrich darüber, dass die Bürger nur von den Bohrungen erfahren haben, weil ein Mitglied des Gemeinderates an den geplanten Stellen Vermessungsarbeiten beobachtet hatte.
Bürgermeister zweifelt Einschätzung der SGD Nord an
Seitdem sucht Dietrich nach Informationen, will wissen, ob mögliche Brunnen die Wasserversorgung sowie die Natur wirklich nicht beeinträchtigen könnten. Die SGD Nord, zuständig für die Genehmigung von Wasserrechten, erklärt auf Anfrage: "Die Gefahr, dass durch die geplante Mineralwassergewinnung die Quellen oder die Moore beeinträchtigt werden, wird im vorliegenden Fall nicht gesehen, da das Mineralwasser aus größeren Tiefen gefördert wird."
Doch Dietrich hat seine Zweifel an dieser Aussage: "Wir sind der Meinung, dass das, was uns die SGD glauben machen will, nicht zutrifft, sondern dass die Grundwasserkörper schon irgendwie zusammenhängen."
Auch Experte befürchtet Probleme für das Trinkwasser
Dr. Julian Zemke sieht die Probebohrungen ebenfalls kritisch. Er arbeitet am Institut für integrierte Naturwissenschaften im Bereich Geographie an der Universität Koblenz-Landau und forscht im Nationalpark. Zemke beobachtet, dass auch dort die Sommer trockener werden und weniger Wasser im Boden versickert. Kurzfristig sei das für die Wasserreserven wohl noch kein Problem, in der Zukunft dagegen ziemlich sicher.
Diese Konsequenzen könnten die Leiseler dann in Zukunft auch bei ihrer Trinkwasserversorgung spüren. Gleichzeitig sei es fragwürdig, dass die Sprudelfirmen ausgerechnet in einem Nationalpark Wasser abpumpen und künftig noch mehr Wasser aus dem Park verkaufen wollen.
Sprudelbetriebe halten sich bedeckt
Und was sagen die Sprudelbetriebe zur Kritik? Hochwald Sprudel verweist darauf, dass das Unternehmen mit den Genehmigungsbehörden und Interessengemeinschaften im Austausch steht, will sich auf SWR-Anfrage aber nicht weiter äußern. Schwollener Sprudel betont, dass sich bei den geplanten Probebohrungen an Recht und Gesetz gehalten werde und dass der Genehmigungsprozess vor der Gründung des Nationalparks angestoßen worden sei. Die Sprudelbetriebe haben darüber hinaus keine Angaben dazu gemacht, wann sie mit den Bohrungen beginnen wollen.
Für den Leiseler Bürgermeister René Dietrich dürfte das nur ein schwacher Trost sein. Die Wut und die Verunsicherung im Ort, sie wird vorerst bestehen bleiben.