Alfred Wirtz, Ortsbürgermeister von Ralingen fordert mehr Kreativität bei der kommunalen Haushaltsplanung. (Foto: SWR)

Nach Rücktritt in Freisbach

Ortsbürgermeister aus Region Trier: Wenn das Geld fehlt, hilft nur noch Kreativität

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Lena Bathge
Lena Bathge ist multimediale Reporterin im SWR Studio Trier (Foto: Lena Bathge )

Die Kasse ist leer, dennoch müssen Ortsbürgermeister in ihr Dorf investieren. Sie sagen: Es braucht mehr Geld vom Land, aber auch mehr Kreativität in der eigenen Haushaltsplanung.

Es ist das Worst Case Szenario: In Freisbach im Kreis Germersheim sind der Ortsbürgermeister und der gesamte Gemeinderat geschlossen zurückgetreten. Der Grund für diesen drastischen Schritt ist der noch nicht genehmigte kommunale Haushalt. Konkret heißt das, die Kassen der Gemeinde sind leer, neue Projekte können nicht angestoßen werden, Bürgermeister und Gemeinderat fühlen sich von Kommunalaufsicht und Landesregierung im Stich gelassen.

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Doch damit ist Freisbach nicht allein. Viele Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz befinden sich in einer ähnlichen Lage. Einen ausgeglichenen Haushalt können nur noch die wenigsten aufstellen und wenn, dann nur mit massiven Einsparungen bei oft dringend notwendigen Investitionen. So geht es auch der Ortsgemeinde Ralingen. Für Ortsbürgermeister Alfred Wirtz, Bündnis 90/die Grünen, ist ein Rücktritt aus Protest aber dennoch keine Lösung.

Alfred Wirtz, Ortsbürgermeister von Ralingen, wünscht sich mehr Kreativität bei der Haushaltsplanung der Kommunen. Da ein Neubau der Kita im Ort zu teuer war, wurde eine Außenstelle geschaffen, deren Sanierung wesentlich weniger kostete. So konnte die Ortsgemeinde gesetzliche Vorgaben umsetzen und dennoch Kosten einsparen. (Foto: SWR)
Alfred Wirtz, Ortsbürgermeister von Ralingen, wünscht sich mehr Kreativität bei der Haushaltsplanung der Kommunen. Da ein Neubau der Kita im Ort zu teuer war, wurde eine Außenstelle geschaffen, deren Sanierung wesentlich weniger kostete.

Die finanzielle Situation sei auch in Ralingen mehr als angespannt, von den Grund- und Gewerbesteuereinnahmen blieben der Ortsgemeinde nach den Abgaben an Verbandsgemeinde und Kreisverwaltung noch zwischen 15 und 20 Prozent. Gleichzeitig kommen immer mehr Pflichtaufgaben hinzu, welche die Kommunen umsetzen und finanzieren müssen, weil es ein Bundes- oder Landesgesetz so bestimmt.

"Das lässt einem keine Luft zum Atmen. Gestaltungsspielraum haben die Ortsgemeinden aufgrund der finanziellen Lage eigentlich keinen mehr."

Sei es die Integration von Flüchtlingen oder der Ausbau von Kindertagesstätten, die Kommunen bleiben oft auf den Kosten sitzen. "Das lässt einem keine Luft zum Atmen. Gestaltungsspielraum haben die Ortsgemeinden aufgrund der finanziellen Lage eigentlich keinen mehr", meint Wirtz. Umso wichtiger sei es aus seiner Sicht, mit den Geldern zu arbeiten, die man sicher hat, statt auf Besserung zu hoffen. Dabei müsse man aber auch nach kreativen Lösungen suchen.

Neubau zu teuer, stattdessen Kita an zwei Standorten

So hätte etwa der örtliche Kindergarten neu gebaut werden müssen, um die Vorgaben des neuen Kita-Gesetzes zu erfüllen. Das hätte sich die Gemeinde jedoch nicht leisten können. Stattdessen gibt es nun zwei Standorte. Die alte Kita besteht weiterhin, doch hinzu kommt ein weiteres Gebäude im benachbarten Ortsteil, dessen Sanierung und Umbau wesentlich günstiger war als ein Neubau. So konnte die Ortsgemeinde gesetzliche Vorgaben umsetzen und dennoch Kosten einsparen.

"Wir haben uns einfach gefragt, ob es wirklich notwendig ist, dass der Kindergarten als Ganzes nur an einem Standort existiert oder ob wir nicht auch mit zwei Standorten arbeiten können", erzählt Wirtz. Jetzt befindet sich ein Teil der Kita in Ralingen und ein Teil der Kita in einem frisch sanierten Gebäude im Ortsteil Olk. So konnte die Ortsgemeinde die Kosten für die Anpassung der Kita an die neuen Gesetze herunterschrauben.

Dieses Gebäude in Olk wurde zur Kita-Außenstelle umgebaut. Die Sanierung des Gebäudes war günstiger als ein Neubau, der aufgrund es neuen Kita-Gesetzes notwendig gewesen wäre. Einen Neubau hätte sich die Gemeinde nicht leisten können. Durch die Aufteilung auf zwei Standorte konnten die Kosten für die Anpassung an das neue Gesetz massiv heruntergeschraubt werden (Foto: SWR)
Dieses Gebäude in Olk wurde zur Kita-Außenstelle umgebaut. Die Sanierung des Gebäudes war günstiger als ein Neubau, der aufgrund des neuen Kita-Gesetzes notwendig gewesen wäre.

Alternativlösung bringt Vorteile

Der Standort in Olk befindet sich zudem in der Nähe eines Waldstücks, sodass hier nun auch naturpädagogische Ansätze in der Arbeit mit den Kindern verfolgt werden können. "Deshalb haben wir als einzige Gemeinde in der Umgebung auch aktuell genügend Bewerbungen von Erziehern", berichtet Wirtz.

Damit in der Gemeinde etwas passiert, werden in Ralingen wie in vielen anderen Orten auch, Ehrenamtliche tätig. So wurde in Eigenleistung unter anderem ein öffentlicher Bücherschrank in einer Telefonzelle eingerichtet und auch ein gemeinschaftliches Gemüsebeet, erzählt Wirtz: "Wir haben viel auch über Bürgerinitiativen geschafft."

Ortsbürgermeister in Mandern: "Wir dürfen das Ehrenamt nicht überlasten."

Mehr Kreativität bei der Umsetzung von Maßnahmen im Dorf hält Tim Kohley, parteilos, zwar grundsätzlich für einen validen Vorschlag, der Ortsbürgermeister von Mandern in der Verbandsgemeinde Saarburg-Kell mahnt jedoch auch an: "Viele Initiativen im Dorf, die wir nicht über den Haushalt finanzieren können, werden von Ehrenamtlichen umgesetzt. Aber wenn wir uns zu stark darauf stützen und den Eindruck vermitteln, das Ehrenamt ist nur noch ein Mittel zum Zweck des Haushaltsausgleichs, dann werden die Leute das irgendwann nicht mehr machen wollen."

Tim Kohley würde sich wünschen, dass mehr Steuereinnahmen direkt in den Ortsgemeinden bleiben und nicht zu einem großen Teil in die Kassen der Verbandsgemeinden und Kreisverwaltungen gespült werden. Der Ortsbürgermeister von Mandern musste bereits dringend notwendige Investitionen in seiner Gemeinde aus dem Haushaltsplan streichen, weil dafür kein Geld da ist.  (Foto: Tim Kohley)
Tim Kohley würde sich wünschen, dass mehr Steuereinnahmen direkt in den Ortsgemeinden bleiben und nicht zu einem großen Teil in die Kassen der Verbandsgemeinden und Kreisverwaltungen gespült werden.

Das sei auch deshalb ein Problem, weil die von der Kommunalaufsicht vorgeschlagenen Ansätze, um wieder mehr Geld in die leeren Kassen zu spülen, zu Lasten der Vereine im Ort gehen könnten.

Ein Beispiel: In Mandern gebe es einen genossenschaftlich organisierten Dorfladen und eine Veranstaltungshalle, die auch von Vereinen genutzt werde. Für die Gebäude in denen sich Dorfladen und Halle befinden, soll die Ortsgemeinde laut Kommunalaufsicht aber die Mieten erhöhen.

"Die Erhöhungen wären so signifikant, dass sich das kaum noch ein Verein leisten könnte. Wir reden hier von 500 bis 1.000 Euro für einen einzigen Tag", meint Kohley. "Das Ehrenamt tut so viel für unsere Ortsgemeinde, wir sollten den Menschen dann auch etwas zurückgeben."

Notwendige Investitionen von vornherein aus Haushaltsplan gestrichen

Auch in Mandern ist der Haushalt nicht ausgeglichen. Dabei habe Mandern durch die Ansiedlung der Firma Thyssenkrupp Bilstein sogar gute Steuereinnahmen. Aber Mandern geht es genauso wie Ralingen: 80 Prozent der Steuern muss die Gemeinde an die VG und den Kreis abgeben. Der Ortsbürgermeister von Mandern musste schon dringend notwendige Investitionen in seiner Gemeinde aus dem Haushaltsplan streichen, weil dafür kein Geld da ist.

"Das ist rein menschlich gesehen die falsche Entscheidung, aber finanziell würde uns sonst der Haushalt um die Ohren fliegen."

Da Mandern durch die hohen Steuereinnahmen, von denen aber kaum etwas im Ort bleibt, trotzdem als reiche Gemeinde gelte, bekomme sie auch kein Geld über die Umlage zwischen finanzstarken und finanzschwachen Gemeinden, so Kohley. Zwar sei man in der Lage seine Pflichtaufgaben zu finanzieren, doch wenn es um freiwillige Investitionen im Dorf gehe, dann beginne das Tauziehen um jeden Cent.

"Wir haben in unserer Planung des letzten Haushalts bereits alles eingespart, was geht, und dabei auf wichtige und notwendige Schritte verzichtet. Das ist rein menschlich gesehen die falsche Entscheidung, aber finanziell würde uns sonst der Haushalt um die Ohren fliegen", erklärt Kohley.

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Für ihn liegt der Ursprung des Problems jedoch nicht auf Ebene der Verbandsgemeinden oder des Kreises. Die Verwaltungen seien an die Gesetze gebunden. Diese würden jedoch auf Landes- und Bundesebene gemacht. "Wenn Bund oder Land eine Regelung wie das neue Kita-Gesetz umsetzen wollen, dann sollte an aller erster Stelle die Frage stehen, mit welchem Geld die Kommunen das finanzieren sollen", meint Kohley.

Weniger Abgaben: Mehr Steuereinnahmen sollten direkt im Ort bleiben

Er plädiert daher für niedrigere Abgaben an Verbandsgemeinde und Kreisverwaltung, sodass ein wesentlich größerer Anteil der Grund- und Gewerbesteuereinnahmen gar nicht erst aus den Kassen der Ortsgemeinde herausfließen, sondern direkt im Ort bleiben kann. Denn auf Gelder von der Landesregierung sei kein Verlass.

Das neue Finanzierungsmodell für Kommunen des Landes Rheinland-Pfalz, das 2022 verabschiedet wurde, sehe zwar mehr Geld für die Kommunen vor, vor Ort sei davon aber noch nichts zu spüren. Immerhin darin sind sich die Ortsbürgermeister von Ralingen und Mandern einig: "Wenn man uns mehr Aufgaben überträgt, muss man uns auch mehr Geld für die Umsetzung zur Verfügung stellen."

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