Der frühere Pfarrer bleibt im Altarraum bestattet, er wird nicht exhumiert und umgebettet. Jedoch wird die Grabplatte entfernt und das Grab somit geschlossen. Das haben der Verwaltungsrat und der Pfarrgemeinderat mehrheitlich beschlossen. Auf der Pfarrversammlung am Dienstagabend sei die Entscheidung verkündet worden, so der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Karl-Otto Hofmann.
Momentan verdeckt noch ein großer blauer Teppich die Grabplatte des früheren Gemeindepfarrers in St. Stephan in Mainz-Gonsenheim. Denn nachdem die Missbrauchsvorwürfe gegen ihn bekannt geworden waren, hatten viele in der Gemeinde ein Problem mit der Grabstätte im Altarraum. Die Gottesdienste finden deswegen momentan in der Taufkapelle statt.
Missbrauchsvorwürfe: Grab des Pfarrers soll nicht mehr zu erkennen sein
Wenn die Platte entfernt worden ist, soll das Loch im Boden geschlossen werden – wenn möglich mit den gleichen Marmorfliesen, die auch den restlichen Kirchenboden bedecken. Wichtig sei allen, dass das Grab nicht mehr zu erkennen ist. Denn die Kirchengremien waren sich einig, dass – so gut es geht – alle Zeichen, die an die sogenannte "klerikale Erhöhung" des Priesters erinnern, aus der Kirche entfernt werden sollen.
Langer Prozess in der Gemeinde in Mainz
Ein Jahr lang hatten sich die Gemeindegremien mit dem Fall beschäftigt. Es waren Gespräche mit dem Bistum und dem Betroffenenbeirat geführt worden. Das Ganze sei wie ein Puzzle gewesen, so Karl-Otto Hofmann. "Erst wenn man alle Puzzleteile zusammengetragen hat, hat man das gesamte Bild."
Kindergartenkinder mussten Hand des Pfarrers küssen
Der besagte Geistliche war von 1955 bis 1971 Gemeindepfarrer von St. Stephan. Dass er diese Position ausnutzte, ist in der Gemeinde mittlerweile hinlänglich bekannt. Karl-Otto Hofmann wurden viele Geschichten zugetragen. So ließ der Pfarrer sich von Kindergartenkindern offenbar die Hand küssen, wenn er den Kindergarten besuchte, erzählt Hofmann.
Außerdem ließ er die Kirche St. Stephan umbauen. Der Altar wurde erhöht. Über einer Tür wurde ein Wappen des Pfarrers angebracht, direkt neben dem Wappen des Bischofs. Alles völlig untypisch für eine normale Kirche, sagt Pfarrer Thorsten Geiß. Auch das Wappen soll nun entfernt werden.
Missbrauchsstudie des Bistums erschüttert Pfarrgemeinde
Vor einem Jahr, als die Missbrauchsstudie im Bistum Mainz veröffentlicht wurde, kamen auch die schwerwiegenden Vorwürfe gegen den Priester ans Licht: Ein Mann berichtet, dass er als Messdiener von dem früheren Gemeindepfarrer sexuell missbraucht wurde. Für viele Gemeindemitglieder ein Schock, auch für den Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Karl-Otto Hofmann. "Ich war erschrocken, dass ein Mensch christlichen Glaubens zu solchen Übergriffen fähig ist, und dann noch ein Pfarrer."
Ein Jahr nach Studie zu sexualisierter Gewalt 43 weitere von Missbrauch Betroffene melden sich beim Bistum Mainz
Sexueller Missbrauch wurde im Bistum Mainz jahrzehntelang vertuscht. Das war das Ergebnis der Missbrauchsstudie, die vor einem Jahr veröffentlicht wurde. Das hat sich seitdem getan.
St. Stephan in Mainz: Erinnerungskultur schaffen
Ganz besonders wichtig sei es nun auch, den Betroffenen gerecht zu werden und für sie eine Erinnerungskultur zu schaffen, sagt Hofmann. Deshalb wird eine Tafel oder Stele aufgestellt, auf der das alles dokumentiert werden soll – entweder in der Kirche oder draußen an einer Kirchenwand.
Die Grabplatte soll nun möglichst bald entfernt werden. Schon kommende Woche wollen sich Vertreter der Gemeinde von einer Fachfirma beraten lassen.