Die Kammer zeigte sich am Montag in der Urteilsbegründung überzeugt, dass der 73 Jahre alte Vater und die 48 Jahre alte Stiefmutter nicht hätten vorhersehen können, dass die Krankheit ihrer Tochter tödlich enden würde, "schon gar nicht, dass sie ihn für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hätten".
Die streng religiöse Familie hatte jede ärztliche Hilfe abgelehnt und nach eigener Aussage "auf Gott vertraut". Auch die Verstorbene habe danach gelebt, sagte das Ehepaar. Vor der Urteilsverkündung wendet sich der Vater ans Gericht und sagt: "Wir haben uns nichts zu Schulden kommen lassen. Vor Gott sind wir unschuldig."
Am Ende des Prozesses bleiben viele Fragen offen
Zu Beginn der Urteilsverkündung thematisierte die Richterin die vielen Fragen, die auch am Ende des Prozesses offen bleiben müssten: "Wir mussten ein Geschehen im engsten Familienkreis aufklären: Alle die was hätten beitragen können, haben geschwiegen."
Was man aber wisse: Dass die Familie tiefreligiös ist. Statt auf Ärzte wurde ausschließlich auf Gott vertraut. Auch die Tochter habe das geglaubt und man könne nicht ausschließen, dass sie es selbst war, die keinen Arzt wollte. Aus der Vernehmung einer früheren Zeugin wisse man, dass es auch in dieser Glaubensgemeinschaft schon vorkam, dass ein Arzt gerufen wurde. "Verrecken lassen hat man niemanden", habe die Zeugin gesagt. Nach Auffassung der Richterin gibt es keinen Hinweis, dass die Tochter zu irgendwas gezwungen worden ist, oder dass die Eltern sie daran gehindert haben, sich selbst einen Arzt zu rufen.
Der 73-jährige Vater und die 48-jährige Stiefmutter aus dem Landkreis Germersheim waren zunächst wegen Tötung durch Unterlassen und Freiheitsberaubung angeklagt.
Amtsarzt alarmierte die Polizei
Die Familie lebt im südpfälzischen Vollmersweiler. Laut Anklage war die Tochter psychisch erkrankt und zog sich im Winter 2021/22 eine schwere Bronchitis zu. Doch weder der Vater noch die Stiefmutter der Frau holten einen Arzt, als der Zustand lebensbedrohlich wurde, so der Vorwurf. Die 41-Jährige starb, das hatte der Prozess ergeben, extrem geschwächt unter anderem an einer Lungenembolie. Ein Amtsarzt, der den Tod der Frau feststellte, alarmierte die Polizei. So kam der Fall ins Rollen.
Vater soll Tochter auch ans Bett gefesselt haben
Die Frau hatte laut Anklage wohl bereits 2021 eine psychische Störung entwickelt, in deren Folge sie oft laut schrie und nicht zu beruhigen war. So habe es der Vater dargestellt. Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann auch vor, seine Tochter mehrfach ans Bett gefesselt zu haben. Im Plädoyer forderte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 1.200 Euro für die Eltern wegen unterlassender Hilfeleistung, die Verteidigung Freispruch.
Verteidigung fordert Freispruch
Die Verteidigung sagte, die Familie habe versucht, der fortschreitenden Dehydrierung ihrer Tochter entgegenzuwirken. "Man hat nach ihr geschaut, hat darauf geachtet, dass sie an den Mahlzeiten teilnimmt", so Verteidiger Alexander Grassmann. Als sie das nicht mehr getan habe, hätten die Eltern ihr Essen und Trinken aufs Zimmer gebracht. Wenn die Tochter "keine Hilfe wollte, ist das zu respektieren. Wir wissen nicht, wann sie nicht mehr in der Lange war, einen freien Willen zu bilden“, sagte Grassmann.
Prozess in Landau Schwere Vorwürfe gegen Vater: "Der geht über Leichen"
Weil sie keinen Arzt gerufen haben, obwohl ihre Tochter im Sterben lag, steht ein Paar aus der Südpfalz nun vor Gericht. Der erste Verhandlungstag lief nicht gut für sie.