Mehr Zeit für die Familie

Umfrage: Großes Interesse an Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt

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Susanne Veil
Bild von SWR-Redakteurin Susanne Veil
Oliver Linsenmaier
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Die derzeit stark diskutierte Vier-Tage-Woche kommt bei Angestellten gut an. Laut einer aktuellen Umfrage wünschen sich 80 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen das Modell.

Eine Mehrheit der Erwerbstätigen in Deutschland wünscht sich einer aktuellen Studie zufolge die Vier-Tage-Woche. Voraussetzung ist allerdings, dass Lohn und Gehalt dadurch nicht sinken. Das ergab eine am Montag veröffentliche repräsentative Umfrage der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. An einer Reduzierung der Arbeitszeit bei sinkendem Entgelt ist das Interesse der Beschäftigten dagegen eher gering.

17 Prozent grundsätzlich gegen Vier-Tage-Woche

Für die repräsentative Umfrage waren mehr als 2.500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte befragt worden. Knapp 73 Prozent der Befragten gaben dabei an, eine Arbeitszeitverkürzung nur bei gleichem Lohn zu wollen. Acht Prozent der Erwerbstätigen würden ihre Arbeitszeit auch reduzieren, wenn dadurch das Entgelt geringer ausfiele. 17 Prozent der Befragten lehnten eine Vier-Tage-Woche ab. Zwei Prozent gaben an, bereits nur noch vier Tage zu arbeiten.

Argument für eine Vier-Tage-Woche: Familienzeit

Die Befragten, die sich eine Vier-Tage-Woche wünschten, nannten als Gründe fast ausnahmslos mehr Zeit für sich selbst und für ihre Familie haben zu wollen. Drei von vier gaben auch an, die eigene Arbeitsbelastung reduzieren zu wollen.

Mehr Zeit für Hobbys, Sport und Ehrenamt möchten 87 Prozent der Befragten. Eine Vier-Tage-Woche könnte also auch dabei helfen, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken, erklärten die Forschenden.

ver.di in BW erkennt Trend bei den Beschäftigten

Auf Anfrage des SWR bestätigt auch die Gewerkschaft ver.di in Baden-Württemberg den zunehmenden Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten. Dieser komme zunehmend vor allem bei jüngeren Kollegen und Kolleginnen und Menschen mit familiärer Verantwortung auf.

Dies sei nicht zwingend nur mit einer Vier-Tage-Woche erreichbar. Viele der Beschäftigten in Baden-Württemberg wollen fünf Tage die Woche und dafür täglich kürzer arbeiten. Dies passe auch besser zu den dramatischen Problemen in der Kita-Betreuung sowie zu den vielen Berufen, die auf tägliche Präsenz angewiesen sind, so der ver.di-Sprecher. Als Beispiele führte er Berufsgruppen in der Pflege, Kinderbetreuung und Müllabfuhr an.

"Wir vertreten auch sehr viele Beschäftigte vor allem in der Pflege, die kürzere Arbeitszeiten wollen und brauchen, weil die Belastung in Vollzeit im Beruf zu hoch ist. Da geht es also weniger um eine bessere Work-Life-Balance, sondern um dringend notwendige Entlastung."

Die gewünschte Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich müsse hart erkämpft werden, denn "Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich muss man und frau sich leisten können", so der ver.di-Pressesprecher. Deshalb lehnten diese Variante auch über 90 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab.

Sorge um Arbeitsverdichtung und Karrierechancen

Befragte, die eine Vier-Tage-Woche grundsätzlich ablehnten, nannten als Grund den Spaß an der Arbeit. Oft spielte laut Umfrage aber auch das Gefühl eine Rolle, dass sich an den Arbeitsabläufen nichts ändern würde oder die Arbeit in kürzerer Zeit nicht zu schaffen wäre. Immerhin die Hälfte begründete die Ablehnung damit, sich einen solchen Schritt finanziell nicht leisten zu können. Ein Drittel befürchtete, bei einem Beharren auf der Vier-Tage-Woche beruflich nicht voranzukommen.

Fazit der Forschenden

Nach Ansicht der Studienautoren Yvonne Lott und Eike Windscheid vom WSI-Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ist der Wunsch nach reduzierter Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich durchaus realistisch. Die bisherige Forschung weise darauf hin, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vier-Tage-Woche produktiver arbeiten, erklärten sie. Der Lohnausgleich könne also kompensiert werden. Auch gebe es weitere gesellschaftliche Vorteile, weil Beschäftigte dann gesünder seien und Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren könnten.

Wirtschaftsexperte sieht Vier-Tage-Woche kritisch

Im Interview mit dem SWR widersprach der Wirtschaftsexperte Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft im Februar dieser Auffassung. Gerade angesichts der demografischen Situation in der die Baby-Boomer-Generation in Rente gehe, prognostiziert er den gegensätzlichen Trend:

"Der Einzelne müsste mehr arbeiten, um das Niveau der Produktion aufrechtzuerhalten, was wir gegenwärtig haben."

Jeder könne sein Arbeitspensum mit dem Arbeitgeber selbst verhandeln, dies sei keine gesellschaftliche Entscheidung. Wer weniger arbeiten wolle, könne dies tun: "Dann haben wir halt weniger produziert, können auch weniger konsumieren, weniger umverteilen und haben insgesamt ein niedrigeres Wohlstandsniveau."

Pilotversuch zur Vier-Tage-Woche erfolgreich

Während die einen vor einer kürzeren Arbeitszeit warnen, zeigen immer mehr Versuche und Studien dem widersprechende Ergebnisse. Nach einem halbjährigen Pilotversuch in Großbritannien wollen 56 Prozent der beteiligten Unternehmen dort an dem Modell festhalten, da sich keine Produktivitätseinbußen gezeigt hätten. Dieses Modell sah vor: Vier Tage arbeiten, fünf Tage Lohn kassieren.

Immer mehr Firmen auch in BW experimentieren

Auch in Baden-Württemberg experimentieren immer mehr Unternehmen mit der Vier-Tage-Woche. Einige von ihnen machen angesichts des Fachkräftemangels gute Erfahrungen: sie berichten von größerer Produktivität und mehr Bewerbungen.

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