Am Dienstag hat am Landgericht Ulm der Prozess gegen eine 38-jährige Mutter begonnen. Ihr wird versuchter Totschlag vorgeworfen, weil sie ihr Neugeborenes in einem Glascontainer in Langenau (Alb-Donau-Kreis) ausgesetzt haben soll. Gleich zu Verhandlungsbeginn kündigte der Vorsitzende Richter an, dass auch eine mögliche Verurteilung wegen versuchten Mordes geprüft wird. Schließlich sei denkbar, dass die Beweisaufnahme ergebe, dass die Angeklagte aus niedrigen Beweggründen gehandelt habe.
Baby im Altglascontainer nur in Bettlaken gehüllt
Laut Anklage hat die Frau in einer Nacht im vergangenen Oktober in ihrer Langenauer Wohnung allein ein Kind entbunden. Während der Geburt stand sie in telefonischem Kontakt mit einer Hebamme in der Neu-Ulmer Klinik. Knapp anderthalb Stunden später soll sie das Neugeborene in ein Bettlaken gehüllt durch die 20 Zentimeter große Öffnung eines Altglascontainers beim Langenauer Schulzentrum gezwängt haben.
Zeuge ging zunächst am Altglascontainer vorbei
Am Mittag schilderte der Lebensretter vor Gericht seine Erlebnisse aus jener Oktobernacht. Er sei nachts um zwei Uhr zu Fuß auf dem Heimweg von einer Feier gewesen. An dem Container sei er nur vorbei gekommen, weil ihm der kürzere Weg zu dunkel war. Er hörte ein Baby, ging aber zunächst weiter, weil er die Schreie nicht aus dem Altglascontainer vermutete, sondern eher aus einer umliegenden Wohnung. Erst als er zuhause war, berichtete der Zeuge, kam ihm die Sache doch komisch vor und er lief zurück.
Das Baby sei in dem Container nackt auf dem Glas gelegen. Dem Mann gelang es, den Säugling am Arm zu greifen und ihn rauszuziehen. Er war unverletzt. Die Nabelschnur war noch dran. Bis der Rettungswagen kam, wickelte der Lebensretter das Kind in sein T-Shirt.
Angeklagte Mutter hat bereits drei Söhne
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll die 38-Jährige bewusst in Kauf genommen haben, dass das Baby die kalte Nacht nicht überleben würde. Deshalb lautet der Vorwurf "versuchte Tötung". Der kleine Junge hatte ungefähr eine Dreiviertel Stunde in dem Container gelegen, als ein Passant in Langenau Schreie hörte. Der Mann rettete das Kind. Es lebt heute in einer Pflegefamilie. Die Angeklagte war zum Tatzeitpunkt alleinerziehend mit bereits drei weiteren Söhnen.
Ulmer Landgericht schließt Öffentlichkeit aus
Für die Vernehmung der Mutter hat die Kammer des Ulmer Landgerichts die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Dies hatte die Verteidigerin beantragt. "Meine Mandantin ist bereit, vollumfänglich Angaben zu machen, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen und ihre Intimsphäre geschützt wird", hatte die Rechtsanwältin angekündigt. Schließlich solle auch zur Sprache kommen, wie es überhaupt zu der Schwangerschaft gekommen war. Laut Gericht sollen auch am Ende des Prozesses die Plädoyers und die Schlussworte nicht öffentlich gehalten werden.
Schwierige Frage nach Motiv für Kindesaussetzung
Die Frage nach dem Motiv für die Kindesaussetzung steht im Mittelpunkt des Prozesses. Die Anwältin der Mutter erklärte in einer Verhandlungspause dem SWR: "Meine Mandantin hat im nicht-öffentlichen Teil sehr umfänglich Angaben gemacht." Inhaltlich wollte sich die Verteidigerin nicht weiter äußern, um die Angeklagte zu schützen.
Angeklagte hielt Schwangerschaft geheim
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagte mit der Situation überfordert war und die Schwangerschaft geheim gehalten hatte. Es sei im Moment sehr schwer nachvollziehbar, was die Angeklagte zu dieser Tat getrieben hatte, meinte der Staatsanwalt im SWR-Interview. Ob es versuchter Totschlag oder versuchter Mord war, sei für ihn noch offen. Diesbezüglich sei die Vernehmung der Mutter am Vormittag nicht sehr aufschlussreich gewesen. Da müsse man die weiteren Aussagen abwarten.
Der Prozess geht am 9. April weiter. Am ersten Verhandlungstag fehlte krankheitsbedingt der psychiatrische Gutachter. Ein Urteil könnte Ende April fallen.