Waren auf einem Kassenband (Foto: SWR, Sabine Kühn)

Soziales Projekt "Plauderkasse" in Basel

Plaudern gegen Einsamkeit

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AUTOR/IN
Laura Könsler

Einsamkeit ist ein gesellschaftliches Problem, das nicht nur ältere Menschen betrifft. Das Projekt "Plauderkasse" in Basel soll die Einsamkeit vertreiben.

Mitte Oktober ist in Basel das Projekt "Plauderkasse" gestartet. Ziel ist es, dass Menschen miteinander ins Gespräch kommen und sich austauschen. Das soll der Einsamkeit in der Gesellschaft entgegenwirken. Eine der "Plauderkassen" wurde in einer Filiale des Lebensmittelhändlers Migros eröffnet.

Waren auflegen, schnell einpacken, bezahlen - an manchen Supermarktkassen kann man echt in Stress kommen - besonders dann, wenn der Hintermann stöhnt, mit den Augen rollt oder die Schlange lang ist. Anders ist das an der sogenannten "Plauderkasse" in einer der Basler Migrosfilialen.

Kassierer Saut Sirait verwickelt eine Kundin ins Gespräch und fragt, wie es ihr geht, wie sie sich fühlt, seit sie pensioniert ist. Sie sagt, ihr sei langweilig und irgendwie fühle man sich abgeschoben.
Der Lebensmittelhändler Migros beteiligt sich - neben einer Basler Apotheke - gerne an dem Projekt, wie der stellvertretender Pressesprecher Moritz Weisskopf erzählt: "Wir wollen etwas gegen die Einsamkeit unternehmen, Einsamkeit ist ein Thema, das sehr viele Leute betrifft."

"Die Plauderkasse ist ein sehr niederschwelliges Angebot, um im Alltag ins Gespräch zu kommen."

Einsamkeit macht auch körperliche Symptome

Das Projekt wurde vom Verein "Gsünder Basel" initiiert. Gesundheitsförderung steht hier im Vordergrund, wie Projektleiter Alexander Milligan betont: "Viele Studien zeigen, dass Einsamkeit ein großes Problem ist. Ein gesundheitliches Problem, dass nicht nur auf die psychische sondern auch auf die körperliche Gesundheit Auswirkungen hat. Wir wollten da etwas dagegen tun."

Jeder Dritte in der Schweiz war schon mal einsam

Nicht nur ältere würden die Plauderkasse nutzen, auch jüngere Menschen blieben gerne stehen, so Milligan. Jeder dritte Mensch in der Schweiz, habe schon einmal Einsamkeit verspürt, führt er aus. Unterstützt wird der Verein von Ehrenamtlichen. Silvia Ruf ist eine von ihnen. Sie packt den Kunden den Einkauf ein und kommt so - ganz nebenbei - mit den Menschen ins Gespräch.

"Ich kenne niemanden, der zugibt, dass er einsam ist. Aber im Gespräch merkt man, ob sie ein Umfeld haben oder nicht. Und je nachdem gebe ich auch Tipps. Aber ich forciere nichts."

Zwei Frauen sprechen miteinander  (Foto: SWR, Sabine Kühn)
Doris Senft (li.) und Edith Aebi kommen beim Einkaufen miteinander ins Gespräch. Die "Plauderkasse" ist extra dafür da und soll gegen Einsamkeit helfen.

Tipps für einsame Menschen

Sie gibt Hinweise, wie beispielsweise auf den Schachclub um die Ecke, den Mittagstisch im nahegelegenen Treffpunkt oder sie erzählt von der Nummer gegen Kummer von der Organisation "Die dargebotene Hand" in der Schweiz, mit der Nummer 143.

Reaktionen auf Plauderkasse fallen unterschiedlich aus

Und wie finden die Kunden an der Supermarktkasse das? Die Reaktionen fallen sehr unterschiedlich aus. Eine Kundin gibt zu, dass sie sehr ungeduldig ist und führt energisch aus: "Ich finde es idiotisch, tut mir leid. Es gibt genug andere Möglichkeiten zum Plaudern!" Ein Mann räumt ein: "Ich bin jetzt das dritte Mal hier und ich finde es gut, vor allem wegen der alten Leute." Und ein weiterer Kunde schmunzelt und sagt: "S` isch gemütlich hier."

Projekt gegen Einsamkeit zunächst für halbes Jahr geplant

Ein halbes Jahr soll das Projekt "Plauderkasse" dauern, dann wird es ausgewertet und vielleicht weitergeführt. In Deutschland könnte die Idee, die ursprünglich aus den Niederlanden stammt, vielleicht auch Schule machen, sagt der Pressesprecher des Verbands der deutschen Lebensmittelhändler, Christian Böttcher.

"Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein Lebensmittelkaufmann, der Teil des sozialen Umfeldes im Ort ist, vielleicht einen Begegnungsort im Supermarkt schaffen möchte."

Voraussetzung sei aber, dass die "Plauderkasse" zum Gesamtkonzept passe. Für Discounter sei das sicher nichts.

Ein ähnliches Projekt gibt es in Frankreich. Dort kümmern sich beispielsweise Postboten um Senioren. Der ARD Weltspiegel hatte in seiner Sendung vom 9. Februar 2020 darüber berichtet.

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