Der Ortenaukreis führt als erster Kreis in Baden-Württemberg eine "SocialCard" ein. Asylbewerberinnen und -bewerber, die kein Bankkonto haben, sollen statt Bargeld künftig eine Karte für Asylleistungen bekommen. Das teilte das Ortenauer Landratsamt mit.
"SocialCard" soll Migrationsamt entlasten
Die neue Bezahlkarte soll unter anderem die Abläufe bei der Auszahlung für Kleidung oder Lebensmittel vereinfachen und Druck vom ohnehin schon stark belasteten Migrationsamt nehmen. Sie soll schrittweise bis Ende Januar für etwa 300 bis 400 Geflüchtete ohne eigenes Bankkonto eingeführt werden. Laut einer Sprecherin des Landratsamtes sind das vor allem Menschen, die vor kurzem angekommen sind und die nicht über die nötigen Papiere verfügen, um ein Konto eröffnen zu können.
Das neue Kartensystem sei sofort einsetzbar und könne entweder physisch oder digital auf dem Smartphone geführt werden, heißt es. Geflüchtete können damit einkaufen oder im Internet bezahlen, aber auch Bargeld abheben.
Flüchtlingsilfe Rebland: Datenschutzfragen offen
Die Einführung der Karte geschehe unabhängig von der bundesweiten Diskussion, ob Asylsuchenden Geld oder Sachleistungen zukommen sollten, so das Landratsamt. Sie biete den Asylsuchenden den Vorteil, dass sie nicht mehr um Bargeld anstehen müssten. Ortenauer Flüchtlingshelferinnen und - helfer sehen die Einführung der Karte aber durchaus kritisch - zum Beispiel Heribert Schramm von der Flüchtlingshilfe Rebland.
Vor allem mit Blick auf den Datenschutz und die Zugriffsmöglichkeiten des Landratsamtes hat er noch viele Fragen - etwa die, wer Zahlungsvorgänge einsehen kann und wie Zahlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden können. Der SWR hat direkt beim Dienstleister nachgefracht, der Publk GmbH in Bersenbrück, die die Karteninfrastruktur bereitstellt.
Die Technik dahinter
Geschäftsführer Joerg Schwitalla versichert, dass Kartenumsätze nur für den Karteninhaber einsehbar sind - mit Hilfe einer App. Von Kontoumsätzen spricht er bewusst nicht, denn: Jeder "SocialCard" ist zwar eine IBAN zugeordnet, aber kein eigenes Konto.
Laut Schwitalla, sind die "SocialCards" mit einem sogenannten Treuhandsammelkonto verknüpft. Behörden können darauf Geld für alle ihre Leistungsempfänger einzahlen. Damit einzelne Summen einzelnen Personen und ihren "SocialCards" zugeordnet werden können, hat jeder und jede eine eigene IBAN. Gibt der Karteninhaber oder die Karteninhaberin etwas aus, geht das Geld sofort von seinem oder ihrem Guthaben ab.
Nicht möglich sind für "SocialCard"-Inhaber aber Überweisungen vom Treuhandsammelkonto auf ein anderes Konto. Laut dem Ortenauer Landratsamt soll dadurch vermieden werden, dass mit den Sozialleistungen beispielsweise Schlepper bezahlt werden.
Zahlungen basieren auf VISA-Strukturen
Zahlungen mit der "SocialCard" laufen über das System des Partners VISA. Im Geschäft funktioniert das wie mit gängigen Debit-Karten. Und auch bei Online-Einkäufen sind Zahlungen mit der Karte wie mit einer VISA-Card möglich, solange das Guthaben reicht.
Was nicht funktioniert, sind Zahlungen an Glücksspiel-Anbieter. Diese sind als Zahlungsempfänger ausgeschlossen. Laut Joerg Schwitalla ist das möglich, weil VISA Händlerinnen und Händler nach Branchen kategorisiert hat. Einzelne Branchen blockieren geht, bestimmte Produktgruppen ausklammern - etwa Zigaretten oder Alkohol - das funktioniert technisch aber nicht.
Karte kann an neue Vorgaben angepasst werden
Abgesehen vom Ortenaukreis setzen die "SocialCard" bisher die Städte Hannover und Leipzig ein. In Baden-Württemberg ist die Ortenau damit Vorreiterin. Doch laut der Publk GmbH gibt es deutschlandweit etliche weitere Interessenten.
Im Landratsamt schließt man nicht aus, dass der Einsatz der Karten irgendwann auch auf Menschen ausgeweitet werden könnte, die eigentlich ein eigenes Konto haben. Das hänge von den rechtlichen Vorgaben ab, so heißt es. Flüchtlingshelferinnen - und helfer fürchten genau das: dass Asylsuchenden kein Geld mehr aufs eigene Konto überwiesen werden könnte.
"Unser aller Ziel muss es sein, die geflüchteten Menschen hier zu einem selbstständigen Leben zu bringen, und ich hab das Gefühl, dass die Autonomie hier nicht respektiert wird", so Schramm.