Rund 90.000 Flugbewegungen gibt es pro Jahr am Stuttgarter Flughafen - Lärmbelastung für Anwohner. (Archivbild) (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Christoph Schmidt)

Neuer Lärmaktionsplan

Flughafen Stuttgart: Frust über Fluglärm hält an - Viele Beschwerden

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Rudat
Kerstin Rudat (Foto: SWR, Foto: Tim Benscheid)

Wie laut es um einen Flughafen ist und was dagegen getan werden kann, wird regelmäßig neu festgelegt - aktuell für Stuttgart. Die Maßnahmen gehen vielen Kommunen nicht weit genug.

Fluglärm bewegt die Anwohnerinnen und Anwohner im Kreis Esslingen nach wie vor sehr: Mehr als 500 Beschwerden sind zum neuen Lärmaktionsplan beim zuständigen Regierungspräsidium (RP) Stuttgart eingegangen. Ein Grund für diese sehr hohe Zahl sei vermutlich der Ärger über die neue Flugroute, teilte das RP auf SWR-Anfrage mit. Es überarbeitet gerade den Lärmaktionsplan für den Flughafen Stuttgart. Darin geht es beispielsweise darum, welche Maßnahmen ergriffen werden, um Anwohnerinnen und Anwohnern des Flughafens südöstlich von Stuttgart, die besonders von Fluglärm betroffen sind, das Leben zu erleichtern.

Regierungspräsidium: Mehr als 550 Stellungnahmen

Den neuen Plan konnten sich Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Wochen anschauen - und bis Dienstag Beschwerde einlegen. Rund 550 Stellungnahmen seien von Privatpersonen eingegangen, sechs von Kommunen sowie eine von der Bürgerinitiative gegen Fluglärm. Damit liege die Anzahl "deutlich höher, als dies bei der Überprüfung des Lärmaktionsplans im Jahr 2019 der Fall gewesen ist. Damals sind lediglich 13 Stellungnahmen eingegangen", sagte eine Sprecherin des Regierungspräsidiums.

Neuer Aktionsplan: Bekanntmachung wahrscheinlich im Juni

Das Regierungspräsidium Stuttgart prüft nun die Stellungnahmen. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Behörde rechnet mit der Bekanntmachung im Juni und wird sich auch erst dann inhaltlich äußern. Sie betont, dass sie sich bei der Neufassung des Lärmaktionsplans auf Messungen und Zahlen von 2022 beziehe - also Daten aus der Zeit vor dem Probebetrieb des neuen Startverfahrens - , und dass die Zuständigkeit für dieses beim Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung liege.

Audio herunterladen (3,9 MB | MP3)

Dem Oberbürgermeister von Nürtingen im Kreis Esslingen, Johannes Fridrich (parteilos), reicht es nicht, dass der Lärmaktionsplan auf früheren Daten basiert. Die neuen Gegebenheiten müssten zumindest perspektivisch berücksichtigt werden, denn sie seien von der übrigen Maßnahmenplanung nicht zu trennen, findet Fridrich. Die Kategorie "Start- und Landeverfahren" stehe ja auch schon in den Plänen von 2014 und 2019.

Ihm und seinem Amtskollegen Sebastian Kurz (Freie Wähler) aus Aichtal (Kreis Esslingen) fehlen Informationen, welche Projekte im Rahmen der Lärmminderung konkret schon umgesetzt sind und wie die unterschiedliche Betroffenheit der Kommunen im Kreis berücksichtigt wird. Sie kritisieren, dass die Lärmsituation für neue und noch zu planende Wohngebiete nicht abgebildet wird.

Stuttgart

Mehr Starts und Landungen Flughafen Stuttgart: 8,4 Millionen Fluggäste in 2023

Der Flughafen Stuttgart verzeichnete im Jahr 2023 insgesamt 8,4 Millionen Fluggäste, wie vorläufige Zahlen der Flughafen-GmbH ergeben. Das seien über 20 Prozent Passagiere mehr als im Jahr 2022.

SWR4 am Nachmittag SWR4

Nürtingens OB: Es fehlen Infos zu Start- und Landeverfahren

Doch besonders ärgert Fridrich etwas anderes: Denn es sollte eine Arbeitsgruppe gegründet werden, in der die Deutsche Flugsicherung, der Stuttgarter Flughafen, Pilotinnen und Piloten sowie die Fluglärmkommission vertreten sind. Geplant war, dass sie lärmoptimierte An- und Abflugverfahren prüft. "Wenn Sie den Entwurf lesen, dann finden Sie nichts zu dieser Arbeitsgruppe und keine neue Maßnahmen. Die Gründung der Arbeitsgruppe war aber zentral für weitere Maßnahmen, um den Lärm zu mindern", sagt Fridrich. "Mehr noch: Auch diese Arbeitsgruppe sollte konkrete Maßnahmen entwickeln. Das erwarten auch unsere Bürgerinnen und Bürger. Die neue Flugroute kann da doch nicht einfach ausgeblendet werden!"

Das gehört ja auch zu so einer Planung dazu, dass Dinge diskutiert werden. Neue Maßnahmen wurden gar nicht untersucht.

Zudem fände er es gut, wenn Erfahrungen anderer Flughäfen wie etwa Hannover oder Frankfurt mit einfließen würden. Deren Lärmaktionspläne seien besser und genauer. Auch eine Frage der Betroffenheit schwinge woanders eher mit. "Bei uns wird immer argumentiert, es gehe ja um den Lärmpegel über den Tag verteilt. Aber die Leute stört doch, dass die Flieger morgens zwischen 6 und 7 Uhr in tausend Meter Höhe über ihren Schlafplatz donnern", so Nürtingens Oberbürgermeister.

Stuttgart

Übungsflug wegen Technikproblem abgebrochen Eurofighter aus Bayern musste auf Stuttgarter Flughafen landen

"Elektronische Probleme" haben am Mittwoch einen Jet der Luftwaffe zur Landung in Stuttgart gezwungen. Auswirkungen auf den Flughafen-Betrieb blieben aus.

SWR4 am Nachmittag SWR4

Auch die Zukunft der neuen Flugroute wird wieder Thema

Nicht nur emotional und thematisch, auch zeitlich fällt nun alles zusammen. Denn ebenfalls im Juni soll vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim die Klage der Gemeinden Nürtingen, Wolfschlugen, Denkendorf, Neuhausen und Aichtal (alle im Kreis Esslingen) zur neuen Flugroute behandelt werden. Deren Testphase erfolgte von Ende Februar 2023 bis Ende Februar dieses Jahres.

Wie erfolgreich diese war, darüber wird auch demnächst die Fluglärmkommission beraten, wenn sie im Mai wieder zusammentritt. Hier ist Fridrich gespannt, ob sich die Mehrheiten ändern und vielleicht nicht mehr alle Bürgermeister der Anrainer-Kommunen weiterhin für die neue Flugroute sind. "Die Verhältnisse waren damals ja äußerst knapp. Weil die beiden Gemeinden Altbach und Deizisau vom Landesverkehrsministerium mitten im Verfahren vor zwei Jahren als neue Mitglieder in die Fluglärmkommission berufen wurden, gibt es doch überhaupt nur die neue Flugroute."

Die Zahl der Mitglieder der Fluglärmkommission ist gesetzlich beschränkt. Nürtingen, Wolfschlugen, Plochingen, Aichtal und Waldenbuch wurden nicht berufen und haben lediglich ein Gastrecht bei Themen, die diese Gemeinden auch betreffen. Auch diese Tatsache war mit ein Grund für die gemeinsame Klage der Gemeinden.

Stuttgart

Halbzeit im Testbetrieb Flughafen Stuttgart: Neue Flugroute sorgt weiterhin für Ärger

Seit Ende Februar wird am Flughafen Stuttgart testweise die neue Flugroute geflogen. Zum Missfallen der Anwohner: Die Lärmbelastung sei zu hoch, klagen diese zur Halbzeit-Bilanz.

SWR4 BW am Donnerstag SWR4 Baden-Württemberg

Fluglärm rund um den Airport Stuttgart: Wie laut ist es denn eigentlich?

Wie laut ist der Fluglärm denn nun aber wirklich? Und was bewirkt dauerhafter Lärm in einem bestimmten Dezibel-Bereich? Das haben wir im vergangenen Jahr in einem Wochenrückblick zu erörtern versucht (drittes der Themen):

Stuttgart

S-Bahn-Ausraster geht viral, Streit um neue Flugroute Wochenrückblick Stuttgart: Darüber spricht die Region

Warum der Ausraster eines Stuttgarter Lokführers viral ging und wie sich Phishing erkennen lässt - das und noch mehr erfahrt ihr im Wochenrückblick für die Region Stuttgart.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR Fernsehen BW

Mehr zum Fluglärm in der Region

Stuttgart

Vermessungsflug von Landesbehörde Flugzeug schreckt nachts Anwohner im Kreis Esslingen auf

In den letzten beiden Nächten sind Bürger im Kreis Esslingen von einem lauten Flugzeug geweckt worden. Das Flugzeug hatte mit einem unsichtbaren Laser das Gelände vermessen.

SWR4 am Donnerstag SWR4

Stuttgart

Halbzeit im Testbetrieb Flughafen Stuttgart: Neue Flugroute sorgt weiterhin für Ärger

Seit Ende Februar wird am Flughafen Stuttgart testweise die neue Flugroute geflogen. Zum Missfallen der Anwohner: Die Lärmbelastung sei zu hoch, klagen diese zur Halbzeit-Bilanz.

SWR4 BW am Donnerstag SWR4 Baden-Württemberg

Stuttgart

Fluggesellschaften wollen Änderung Fluglärmkommission: Probebetrieb für neue Abflugroute am Flughafen Stuttgart

Die Fluglärmkommission am Flughafen Stuttgart hat am Montag getagt. Das Ergebnis: Es soll einen Probebetrieb für eine neue Flugroute geben. Damit sind nicht alle zufrieden.