Fußball (Symbolbild)

Polizei in Alarmbereitschaft

Stuttgart: Eritreische Veranstaltung - Gegendemo abgesagt

Stand
Autor/in
Siri Warrlich
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Ein eritreischer Verein veranstaltet am Samstag ein Fußballturnier und ein Benefiz-Festival. Die Gegendemo wurde abgesagt. Dennoch steht die Polizei vor einem Großeinsatz.

Der Eritreische Verein für Körperbehinderte Stuttgart engagiert sich nach eigenen Angaben für Menschen mit Behinderung in Eritrea - zum Beispiel, indem der Verein hierzulande Sachspenden sammelt und nach Eritrea schickt. Am kommenden Samstag veranstaltet dieser Verein in Stuttgart ein Benefiz-Hallenfußballturnier und anschließend ein Benefiz-Festival in Stuttgart-Zuffenhausen. Ursprünglich war auch eine Gegendemonstration angemeldet. Diese Anmeldung wurde jedoch am Donnerstagabend schriftlich zurückgezogen, wie ein Sprecher der Stadt Stuttgart dem SWR sagte.

Die Polizei bereitet sich am Samstag trotzdem auf einen Großeinsatz vor - denn neben der eritreischen Veranstaltung finden eine Palästina-Demo und ein VfB-Spiel statt. Man wolle besser aufgestellt sein als bei der letzten Eritrea-Veranstaltung im September, sagte ein Polizeisprecher dem SWR. Insgesamt werde die Polizei am Samstag mit mehreren Hundert Polizisten im Einsatz sein. Auch Polizeidrohnen können zum Einsatz kommen.

Ausschreitungen bei Eritrea-Veranstaltung im September

Im September hatte es am Rande einer Veranstaltung eritreischer Vereine in Stuttgart massive Ausschreitungen gegeben. Mehr als 30 Polizistinnen und Polizisten wurden verletzt, mehr als 200 Menschen waren kurzfristig festgenommen worden. "Um die Sicherheit zu erhöhen, hat die Stadt Stuttgart gegen die Störer vom 16. September 2023 Aufenthaltsverbote für den Veranstaltungsort verfügt", schreibt die Polizei an diesem Donnerstag in einer Mitteilung. Außerdem bestehen laut Polizei für Eritreer aus dem Ausland, die an den Straftaten des 16. September beteiligt waren, Einreiseverbote. Deshalb würden am Veranstaltungsort diesen Samstag umfangreiche Kontrollen im Vorfeld durchgeführt.

Hintergrund der Auseinandersetzung im September war ein inner-eritreischer Konflikt. Die Tatverdächtigen, von denen die Gewalt ausging, waren mutmaßlich Gegner der Diktatur in Eritrea. Der Verband, der die Veranstaltung organisiert hatte, gilt als regierungsnah.

Die Konfliktlinie tritt auch bei anderen Veranstaltungen in Deutschland zutage. Besser verstehen lässt sich der Konflikt, wenn man sich genauer anschaut, warum Menschen aus Eritrea in den vergangenen Jahrzehnten nach Deutschland flüchteten.

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Das sagt der Eritreische Verein für Körperbehinderte

Tewelde Tesfai ist der Schriftführer des Eritreischen Vereins für Körperbehinderte Stuttgart, der das Turnier und Festival am kommenden Samstag veranstaltet. Tesfais Verein ist ein anderer als der, der im September das Eritrea-Festival veranstaltet hatte. Er verstehe nicht, warum jemand etwas gegen die Veranstaltung haben könnte, hatte Tesfai am Donnerstag dem SWR gesagt. Die Veranstaltung seines Vereins sei für alle offen und für einen guten Zweck. "Jeder kann seinen Beitrag leisten", so Tesfai.

Der Eritreische Verein für Körperbehinderte Stuttgart bestehe seit 2001. Ziel des Vereins sei es, die Lebensbedingungen für Menschen mit körperlicher Behinderung in Eritrea zu verbessern - zum Beispiel, indem der Verein Projekte wie Internetcafés, Bäckereien oder Nähereien gründe, wo die Menschen dann selbstständig arbeiten können.

Veranstalter: "Politisch unabhängig"

"Wir sind wirklich politisch unabhängig", sagte Tesfai dem SWR. Es gebe keine Verbindungen des Vereins zur eritreischen Regierung, die als eine der brutalsten Diktaturen auf dem afrikanischen Kontinent gilt. Tesfai selbst lebt nach eigenen Angaben seit Ende der 1980er-Jahre im Großraum Stuttgart.

Anders sieht das Aster Ghidey. Die Stuttgarter Aktivistin hatte gegen die Veranstaltung des Vereins eine Gegendemo angemeldet, dann aber zurückgezogen. Egal wie viel Geld nach Eritrea geschickt werde, das Geld lande immer in der Hand der diktatorischen Regierung, so Ghidey. "Und das wissen die Veranstalter", kritisiert sie die Veranstaltung am Samstag gegenüber dem SWR. Gerade jüngere Eritreer in Deutschland könnten Ghidey zufolge deshalb oft nicht nachvollziehen, warum Veranstaltungen wie die am kommenden Samstag hier erlaubt seien.

Verein rechnet bis zu 200 Teilnehmern

Bei dem Benefiz-Fußballturnier am Samstag in der Stuttgarter Innenstadt treten laut Tewelde Tesfai vom Verein für Körperbehinderte 16 Mannschaften aus verschiedenen deutschen Städten gegeneinander an, darunter auch einige Mannschaften, die keinerlei Bezug zu Eritrea hätten. Beim anschließenden Benefiz-Konzert seien Künstler unterschiedlicher Nationalitäten vertreten. In die Turn- und Versammlungshalle Zuffenhausen, wo das Benefiz-Festival stattfinden soll, passen laut Stadt 250 bis 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Tesfai selbst rechnet mit 150 bis 200 Teilnehmern.

Stadt: Anfrage liegt schon länger vor

Laut eines Sprechers der Stadt Stuttgart liegt die Anfrage des Vereins für die Veranstaltung am Samstag schon länger vor. Nach den Ausschreitungen im September hatte es auf politischer Ebene eine Debatte zu Veranstaltungen eritreischer Vereine und Gegendemonstrationen zu solchen Veranstaltungen gegeben.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte wenige Tage nach den Ausschreitungen gesagt: "Wenn weitere solche Veranstaltungen stattfinden, werden wir das zu verhindern wissen, dass es wieder zu solchen gewalttätigen Ausschreitungen kommt."

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich bei einer Pressekonferenz zu den Ausschreitungen rund um eine Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart geäußert.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte nach den Krawallen im September versichert: Solche Szenen werde es nicht wieder geben.

Verfassungsschutz: Keine eritreischen Vereine in Beobachtung

Nachdem die Anfrage des Eritreischen Vereins für Körperbehinderte eingegangen war, hat die Stadt beim Verfassungsschutz eine Abfrage gemacht, sagte ein Sprecher der Stadt Stuttgart dem SWR. Gegen den Verein liege aber nichts Kritisches vor. Das Landesamt für Verfassungsschutz teile auch dem SWR auf Anfrage mit: "Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg bearbeitet aktuell keine eritreische Gruppierung als extremistische Bestrebung; dies gilt auch für Einzelpersonen aus Eritrea in Baden-Württemberg."

Somit sei der Vertrag zwischen der Stadt als Träger der Veranstaltungshalle und dem Verein zustande gekommen, so der Stadtsprecher.

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