Die Mannheimerin "Katharina" leidete jahrelang an einer "Pronografie-Sucht".

Psychologe: Pornografie "attraktiv für das Gehirn"

Ex-Pornografie-Süchtige aus Mannheim: "Ich brauchte den nächsten Kick"

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Sarah Hennings
Sarah Hennings, SWR-Regionalstudio Mannheim

Im Internet ist Pornografie praktisch immer abrufbar. Wer aber die Kontrolle über den Konsum verliert, kann schnell süchtig werden. So wie eine Frau aus Mannheim.

Die Sucht nach Pornografie gilt offiziell als anerkannte psychische Erkrankung. Der Fachbegriff dafür ist Pornografie-Nutzungsstörung. Eine der Betroffenen ist Katharina (30), die in Mannheim lebt. Auf ihren Wunsch haben wir ihren Namen in diesem Artikel geändert. Zehn Jahre lang habe Pornografie ihr Leben bestimmt. Im Schnitt sechs bis acht Stunden pro Tag habe sie pornografische Lektüre konsumiert, erzählt sie, meist Bücher und Comics.

Katharina liest Porno-Lektüre - auch auf der Arbeit

Einmal war Katharina daran schuld, dass im Büro ein Alarm auslöste, weil es spät wurde. Der Alarm war abends scharf gestellt, sie befand sich aber noch im Gebäude. Aber nicht, weil sie dort Überstunden abgeleistet hat, sondern wegen ihrer Porno-Lektüre. Ihre Sucht hinderte sie am Aufhören.

Der Büro-Alarm war für Katharina ein Wendepunkt, um bei der Arbeit offen über ihre Sucht zu sprechen.

Vater schaute Pornos

Angefangen hatte alles in Katharinas Kindheit. Schon früh bemerkte sie, dass ihr Vater Pornos schaute. Das bekam sie mit und ihre Gedanken kreisten immer öfter um Pornografie, ohne dass sie wirklich verstand, um was es da eigentlich ging. "Ich habe das oft auch als Trost empfunden", sagt sie dem SWR. Als sie 14 Jahre alt war, bekam sie über ihren Freundeskreis immer mehr Kontakt zu pornografischen Inhalten. Mit den Jahren "wurde das immer mehr". 16 Stunden Konsum pro Tag - das sei ihr schlimmster Tag in ihren zehn Sucht-Jahren gewesen.

Pornografie-Sucht beeinflusste ihr Sex-Leben

Die vielen Sex-Szenen, die sie aufgrund ihrer Sucht im Kopf hatte, konnte Katharina beim realen Sex nicht vergessen: "Wenn ich viel Pornografie konsumiert hatte, hatte ich viel mehr Schwierigkeiten, Sex zu haben", erzählt Katharina.

Ich brauchte den nächsten Kick.

Mit ihren früheren Partnern sprach Katharina offen über ihre Sucht. Trotzdem habe sie darunter gelitten: "Für mich war das fremdgehen". Für ihren Freund waren Pornos dagegen völlig normal. Nicht so für Katharina, die stattdessen mit ihrer Sucht kämpfte.

Pornografie-Sucht: Männer und Frauen sind betroffen

Pornografie-Sucht sei inzwischen zu einem gesellschaftlich relevanten Thema geworden, erklärt Rudolf Stark auf SWR-Anfrage. Er ist Psychologe und Leiter der Forschungsgruppe "Pornografiekonsum und Hypersexualität" an der Universität Gießen (Hessen).

Stark geht davon aus, dass etwa drei Prozent der Männer in Deutschland an einer Pornografienutzungsstörung leiden. Eine Dimension, die vergleichbar sei mit einer Alkoholsucht oder bestimmten Angststörungen. Deutlich unter einem Prozent der deutschen Frauen seien süchtig nach Pornografie. Vor allem Menschen bis 40 seien von einer Pornografienutzungsstörung betroffen.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt: Konsumieren Menschen häufiger und über eine längere Zeit Pornos, "möchte das Gehirn immer mehr von dieser offenbar attraktiven Materie bekommen". Laut Stark der mögliche Einstieg in die Sucht.

Katharina findet Wege aus der Sucht

Erwischt wurde Katharina beim Pornografie-Konsum nie. Sie hat das Thema aber offen in ihrem Umfeld angesprochen. Familie und Freunde hätten sie unterstützt. Ihr Chef mahnte sie zwar ab, bot ihr aber gleichzeitig Hilfe an.

Neben Therapien und Gruppengesprächen fand Katharina weitere Wege, ihre Sucht zu besiegen. Auf ihrem Handy gibt es zum Beispiel eine Art Kindersicherung. Damit werden entsprechende Apps und Internetseiten blockiert. Seit etwa einem Jahr ist Katharina inzwischen ihre Sucht los.

Psychologe: Kaum Therapeuten, die Pornografie-Sucht behandeln

Ist der Kontrollverlust sehr stark, würden Patientinnen und Patienten mit einer Psychotherapie behandelt, erzählt Psychologe Stark. Weil die Pornografienutzungsstörung lange tabuisiert wurde, gebe es jedoch nur wenige Therapeuten, die diese Form der Suchterkrankung behandeln können. Die Versorgungslage sei "sehr schlecht", so Stark weiter.

Mit seinem Forschungsprojekt "PornLoS" soll sich das ändern. Stark und sein Team arbeiten an einer neuen Form der Psychotherapie. Dahinter steckt eine sechsmonatige Therapie, bei der Betroffene lernen sollen, wie sie mit dem Konsumdruck umgehen können. In einem zweiten Schritt wird geklärt, was die Sucht mit der jeweiligen Biografie zu tun hat und welche Rolle die Nutzung von Pornografie dabei hat.

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