Projekt forscht zu Therapiemethoden

Über Pornosucht und die Folgen

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Hanns Lohmann
Hanns Lohmann (Foto: SWR)
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Seitdem Pornografie im Internet frei zugänglich ist, steigt die Nutzerzahl stetig. Konsumiert man die Videos täglich, spricht man von einer "Pornosucht". In Rheinland-Pfalz sind schätzungsweise über 50.000 Menschen betroffen.

Bei der sogenannten Pornografie-Nutzungsstörung handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die Folgen für Partnerschaft, Sexualität, Familie und berufliches Umfeld haben kann.

Um Betroffene zukünftig besser behandeln zu können, arbeitet die Justus-Liebig-Universität Gießen an dem Projekt "PornLoS" (Pornografie-Nutzungsstörung effektiv behandeln – Leben ohne Suchtdruck). Was das Projekt beinhaltet, erklärt uns Dr. Rudolf Stark. Er ist Professor für Psychotherapie und leitet das Projekt.

 

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SWR1: Was heißt eigentlich genau Pornosucht? Kann man das an einer gewissen quantitativen Nutzung von Pornos festmachen?

Rudolf Stark: Tatsächlich kann man das nicht an der quantitativen Nutzung festmachen. Es gibt Menschen, die Pornos nutzen und trotzdem nicht süchtig sind, und andere, die sie wenig nutzen und süchtig werden. Das zentrale ist der sogenannte Kontrollverlust.

Das heißt, dass man Gründe hat, warum man eigentlich den Konsum deutlich einschränken müsste. Man hat zum Beispiel Probleme in der Partnerschaft oder auch Probleme im Beruf, versucht daraufhin seinen Konsum zu reduzieren und merkt immer wieder, dass man das nicht hinbekommt.

SWR1: Es wurden im Radio – bei uns auch – Werbespots zu dem Thema ausgestrahlt. Gleichzeitig wird natürlich ein sensibles Thema wie Pornosucht eher ein bisschen unter der Decke gehalten, um es mal in diesem Bild zu formulieren. Wie sehen Sie da den aktuellen Stand der Wahrnehmung?

Stark: Ja, deswegen sind wir sehr froh, dass wir hier Aufklärungsarbeit leisten können. Tatsächlich gibt es immerhin etwa drei Prozent Betroffene, die wirklich die Kontrolle über ihren Pornografiekonsum verloren haben. Und hier einen Beitrag leisten zu können, freut uns sehr.

Es gibt etwa drei Prozent Betroffene, die wirklich die Kontrolle über ihren Pornografiekonsum verloren haben.

SWR1: Was haben Sie genau mit diesem Projekt "PornLoS" vor?

Stark: Bisher weiß man noch relativ wenig, was genau eigentlich bei der Therapie dieser Pornografie-Nutzungsstörung hilft. Wir haben hier die Möglichkeit, verschiedene Therapiemöglichkeiten gegeneinander zu testen und wir sind davon überzeugt, dass wir einen substanziellen Beitrag zur besseren Versorgung dieser Betroffenen leisten können. (...) Wir vergleichen drei Therapieverfahren, zusätzlich auch noch eine digitale App. Und da hoffen wir, dass eben diese Therapie noch viel erfolgreicher ist als das, was bisher eingesetzt wird.

SWR1: Sind eigentlich Pornosüchtige ausschließlich Männer?

Stark: Wir sehen bei uns im Beratungszentrum in Gießen hauptsächlich Männer. International ist es aber eher so, dass etwa ein Drittel der Betroffenen auch Frauen sind. Nur in Deutschland sehen wir sie deutlich seltener.

SWR1: Welche Folgen entstehen durch einen zu hohen Konsum an Pornos? Bei Alkohol kann man sich das vorstellen, das geht an die Gesundheit. Bei anderen Suchtmitteln auch. Was passiert bei einem missbräuchlichen Pornokonsum?

Stark: Das kann auf sehr verschiedenen Ebenen Folgen haben. Zum einen natürlich in der Partnerschaft. Viele Partnerinnen fühlen sich zum Teil durch den Pornografiekonsum bedroht oder auch betrogen. Zum anderen ist es auch so, dass immer mehr Menschen auch während der Arbeitszeit Pornografie, zum Beispiel auf der Toilette, konsumieren. Das kann zu Leistungseinbrüchen im Beruf führen. Davon abgesehen gibt es auch noch gesundheitliche Probleme, zum Beispiel können Erektionsstörungen oder eben auch Orgasmusstörungen als Folgen einer sehr intensiven Pornografie-Nutzung auftreten.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.

Weitere Informationen über das Projekt "PornLoS" gibt es auf pornlos.de. Dort finden Sie auch einen Selbsttest, Beratungsmöglichkeiten sowie die Möglichkeit, sich für die Studie anzumelden.

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