An Schulen in Baden-Württemberg fehlen Lehrkräfte. Direkteinsteiger sollen die Lücken schließen.

Unterrichten auf Umwegen

Lehrermangel in BW: So schlägt sich ein Direkteinsteiger an einer Grundschule

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Hannah Vogel
Hannah Vogel ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".

An Schulen in Baden-Württemberg fehlen Lehrkräfte. Direkteinsteiger wie Donat Brender sollen die Lücken schließen. Er ist einer der ersten, der an einer Grundschule unterrichtet.

Eigentlich hat Donat Brender BWL studiert, jetzt ist er Lehrer an einer Grundschule in Horb am Neckar (Kreis Freudenstadt). "Für mich ist das nicht irgendein Beruf", erklärt Brender dem SWR. "Ich kann hier wirklich was bewirken." Der 39-Jährige ist einer der ersten Direkteinsteiger an einer Grundschule in Baden-Württemberg.

Erst seit diesem Schuljahr dürfen Direkteinsteigerinnen und Direkteinsteiger an Grundschulen sowie an Hauptschulen, Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen unterrichten. Damit reagiert das Kultusministerium nach eigenen Angaben auf den Lehrkräftemangel im Land. Wegen diesem ist an vielen Schulen laut einer am Montag vorgestellten Umfrage kein Regelbetrieb möglich.

Erster Schultag an der Grundschule: "Ich war nicht nervös"

Mit dem Direkteinstieg hat Brender eine Perspektive erhalten. Er stammt aus einer Lehrerfamilie. "Vater, Mutter, Tante, Onkel, die waren alle Lehrer", sagt er. Als er nach seinem BWL-Studium feststellte, dass er eigentlich etwas anderes machen wollte, lag der Beruf also nahe. Er arbeitete immer wieder als Vertretungslehrer, auch an seiner jetzigen Grundschule in Horb am Neckar. "Nach sieben Jahren war dann aber Schluss, weil ich mich hätte einklagen können", sagt Brender. Er fühlte sich damals vor den Kopf gestoßen. Schließlich seien alle auf der Suche nach Lehrkräften gewesen.

Jetzt ist Brender also zurück und unterrichtet seit dem ersten Schultag - so wie alle Direkteinsteigerinnen und Direkteinsteiger. "Ich war aber gar nicht nervös", sagt der 39-Jährige. Schließlich sei es nicht das erste Mal gewesen. Brender unterrichtet Mathematik und Sachunterricht, beides lässt sich aus seinem BWL-Studium ableiten.

Auch in den Kitas in BW versucht die Landesregierung den Personalmangel mit einer verkürzten Ausbildung zu bekämpfen. Doch das Programm wirkt wie ein Tropfen auf den heißen Stein:

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Zweijährige pädagogische Ausbildung in BW

Neben seinen sechs Unterrichtsstunden pro Woche durchläuft Brender eine zweijährige pädagogische Schulung an einem Seminar für Ausbildung und Fortbildung. "Wir bekommen dort von den Lehrbeauftragen sehr viele Tipps, die wir dann gleich in der Schule anwenden können", erzählt Brender. Zusätzlich tauscht er sich einmal in der Woche mit einer erfahrenen Kollegin aus.

Die Arbeit als Lehrer sei sehr abwechslungsreich, so Brender. "Jede Klasse ist anders, jeder Schüler ist anders und damit hat man ständig neue Herausforderungen." Am meisten Spaß hat er, wenn er merkt, dass seine Schülerinnen und Schüler etwas verstanden haben. "Manchmal kommen sie dann nach dem Unterricht zu mir und sagen: 'Herr Brender, ich hab’s hinbekommen.' Das ist einfach was Schönes."

Trotz seines Direkteinstiegs fühlt er sich nicht schlechter vorbereitet als Referendarinnen und Referendare. "Ich bringe durch mein BWL-Studium ganz andere Blickwinkel mit", erklärt Brender. Außerdem habe er im Gegensatz zu denjenigen, die gerade frisch aus dem Referendariat kommen, schon jede Menge Berufserfahrung.

Grundschule in Horb hat sogar zwei Direkteinsteiger

Rektorin an der Grundschule in Horb am Neckar ist Sylvana Storz. Sie hat neben Brender noch einen zweiten Direkteinsteiger eingestellt. "Beide hatten bereits Vorerfahrungen, sind lernbereit und sehr motiviert", sagt Storz. Das sei für sie entscheidend. Trotzdem werde sie die Direkteinsteiger zum Beispiel nicht in der vierten Klasse einsetzen, wenn es auf die Grundschulempfehlungen zugehe. "Es sind schließlich Lehrkräfte in der Ausbildung."

Bei der Auswahl der Direkteinsteigerinnen und Direkteinsteiger kann Storz direkt mitentscheiden. Denn die Schule schreibt entsprechende offene Stellen selbst aus. Für die Direktorin sind nicht nur formale Voraussetzungen, sondern auch das Vorstellungsgespräch wichtig. "Als Lehrkraft muss man mehr als 20 Kinder unterrichten, ihnen was beibringen und ihre Bedürfnisse erkennen. Da braucht es eine gewisse Empathie, eine gewisse Persönlichkeit", erklärt Storz. "Eine introvertierte Person tut sich da zum Beispiel schwer."

Brender sieht den Direkteinstieg als große Chance. "Ich freue mich einfach", sagt er. "Viele von uns Direkteinsteigern haben vorher schon als Krankheitsvertretungen gearbeitet. Jetzt haben wir endlich die Möglichkeit, dauerhaft an einer Schule zu unterrichten und damit eine Perspektive."

Auch in der Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg" am 21.9.2023 ging es um die Situation an den Grundschulen in Baden-Württemberg:

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