Unternehmen, die von Krieg und Krise profitieren, könnten künftig stärker besteuert werden. Dieser Vorschlag stößt auf Kritik beim baden-württembergischen Wirtschaftsministerium und der FDP. Eine Sprecherin von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sagte gegenüber dem SWR, dass ihr Ressort ein stärkeres staatliches Vorgehen gegen Energiekonzerne durch eine sogenannte Übergewinnsteuer ablehne. "Das Steuerrecht unterscheidet nicht zwischen 'guten' und 'schlechten' Gewinnen", hieß es.
BW-Wirtschaftsministerium hält viele Aspekte für ungeklärt
Ein höherer Gewinn der Energie- und Mineralölkonzerne führe bereits nach geltendem Recht zu einer höheren Steuerlast. Zudem würden sich für den Fall einer solchen Steuer eine Vielzahl von Fragen stellen:
Ab Juli steigen die Preise für viele Gaskundinnen und Gaskunden in Baden-Württemberg deutlich. Als Grund für die Preiserhöhung gibt der Karlsruher Energieversorger EnBW den Ukraine-Krieg an.
Verschärfte Beschaffungskosten Folgen des Ukraine-Kriegs: EnBW erhöht Gaspreise um knapp 35 Prozent
Gaskunden der EnBW müssen künftig deutlich mehr zahlen. Der Energieversorger hat seine Gaspreise um fast 35 Prozent erhöht. Grund soll der Ukraine-Krieg sein.
Schweigen von Kretschmann und Bayaz
Finanzminister Danyal Bayaz und Regierungschef Winfried Kretschmann (beide Grüne) äußerten sich auf Anfrage zunächst nicht. Eine Sprecherin des Regierungschefs sagte: "Wenn ein Vorschlag auf dem Tisch liegt, werden wir das in der Landesregierung bewerten. Grundsätzlich sind mit Blick auf die Mineralölkonzerne auch die Kartellbehörden in der Verantwortung." Hier habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits Schritte angekündigt.
Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang hatte sich in der Vergangenheit dafür stark gemacht. Auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz hätten sich die Länder darauf verständigt, "die Bundesregierung zu bitten, regulatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Spekulation mit Öl, mit Gas, mit Strom zu unterbinden", hatte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erklärt. Zudem müssten entsprechende Preiserhöhungen der vergangenen Wochen und Monate kartellrechtlich überprüft werden.
Wegen der Steuersenkung auf Diesel und Benzin seit Anfang Juni sind Mineralölkonzerne aktuell noch verstärkter im Fokus. Besonders in Baden-Württemberg hatte sie nur wenig Effekt für Verbraucherinnen und Verbraucher.
So hat der SWR am 1.6. über den Tankrabatt und wie er ankommt berichtet:
FDP in Baden-Württemberg: Vorschlag kommt zur Unzeit
Bremen hatte angekündigt, am 10. Juni einen Antrag in den Bundesrat einzubringen mit dem Ziel, sogenannte Übergewinne von Mineralkonzernen infolge von Preissprüngen wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine teilweise mit einer zeitlich befristeten Sondersteuer zu belegen. Die Bundesregierung werde darin aufgefordert, einen Vorschlag für eine rechtliche Grundlage zu erarbeiten, um eine Sonderabgabe für das Jahr 2022 zu erheben, hatte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) gesagt.
Neben dem baden-württembergischen Wirtschaftsministerium kritisiert auch FDP-Landeschef Michael Theurer den Vorschlag:
Deutschland sei im internationalen Vergleich Höchststeuerland. Eine Steuer auf Übergewinne im Energiesektor könnte den dringend notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien gefährlich bremsen. "Die Sanktionierung wettbewerbswidrigen Verhaltens und illegitimer Gewinne bleibt wichtig, ist aber Sache des Bundeskartellamts. Die Steuerpolitik ist hierfür schlicht das falsche Instrument."
SPD in Baden-Württemberg sieht Steuerentlastung beim Sprit als gescheitert
SPD-Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch sieht dagegen einen Missbrauch von Marktmacht und fordert vom Staat, der Preistreiberei Grenzen zu setzen. "Es zeigt sich, dass der Tankrabatt nicht nur in seiner Wirkung zu scheitern droht", sagte Stoch. Denen, die von der aktuellen Lage profitierten, werde nun noch mehr Steuergeld geschenkt. Dieser Zustand sei schwer erträglich. "In anderen EU-Ländern haben Staaten bereits mit Übergewinnsteuern reagiert, und das in modernen, freien Marktwirtschaften. Diese Option kann bei uns nicht von vornherein ausgeschlossen sein." In einem Tweet schrieb er, dass es dem Land nicht gelungen sei, die Menschen durch Steuerermäßigungen beim Sprit zu entlasten. Es sei "offensichtlich gescheitert".
CDU kann sich Übergewinnsteuer vorstellen
Der CDU-Sozialflügel kann sich eine Übergewinnsteuer durchaus vorstellen. "Es kann nicht sein, dass die Konzerne ihre Gewinne mit Steuergeldern maximieren und dabei auch noch von den Unionsparteien Rückendeckung erhalten. Wenn sich die Union hier hinter rechtlichen Bedenken versteckt, bekommt sie ein Gerechtigkeitsproblem", sagte der BW-Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler. Die EU habe diese Steuer ausdrücklich ermöglicht.