Hochkonzentriert steht Ella Rosenberg vor dem Spiegel und geht im Kopf die anstehende Partitur für die Hauptprobe durch: Opus 52 von Robert Schumann. "Eines seiner ersten Orchesterwerke", erklärt die 24-Jährige. Sanft bewegt sie den Taktstock zu den stummen Tönen in ihrem Kopf. Später wird sie damit die Badische Philharmonie Pforzheim zum Klingen bringen. Es soll das Abschlussstück der Studentin sein, um so dem Traum vom Dirigieren ein großes Stück näherzukommen.
Gesunde Aufregung vor der Hauptprobe in Pforzheim
Nach einem ersten abgeschlossenen Studium in Lübeck, steht Rosenberg jetzt kurz vor ihrem Bachelor an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HMDK) in Stuttgart. Auf die Probe freut sie sich. Gesunde Aufregung sei aber immer dabei.
Kaum Dirigentinnen: Leitung von Berufsorchestern in Männerhand
Die Welt der Dirigenten ist eine Männerdomäne: Wie eine Studie des Deutschen Musikinformationszentrums aus dem Jahr 2020 zeigt, sind lediglich vier von 129 öffentlich finanzierten Berufsorchestern mit Chefdirigentinnen oder Generalmusikdirektorinnen besetzt. Acht Stellen sind unbesetzt. Und daran habe sich bis zum heutigen Zeitpunkt wohl nicht viel verändert, so eine Sprecherin des Deutschen Musikrats in Bonn.
"Ich kann nur hoffen, dass es jetzt in die richtige Richtung geht", sagt Robin Davis, Generalmusikdirektor am Theater Pforzheim. Mittlerweile gebe es viele Wettbewerbe wie 'La maestra' in Paris – ein Wettbewerb nur für Dirigentinnen. "Ich glaube, alle sind sich jetzt sehr bewusst, dass wir da was ändern müssen", so Davis weiter. Man müsse versuchen, aktiv gegenzusteuern, damit es gleichberechtigter wird.
Weniger Frauen in Studium und Beruf
"Ich erlebe in meinem Umfeld oder in der Klasse nicht, dass sonderlich unterschieden wird", schildert Rosenberg ihre Erfahrungen als angehende Dirigentin. Primär gehe es um Leistung und so schätze sie es auch an Opernhäusern und Orchestern ein. Und trotzdem erlebe man, dass sich insgesamt immer noch weniger Frauen bewerben. "Weil es auch einfach im Studium und in dem Beruf immer noch weniger gibt."
Rasmus Baumann spricht bereits von einem merklichen Wandel. Er ist Professor für Dirigieren an der HMDK in Stuttgart und unterrichtet auch Ella Rosenberg. "In meiner Klasse oder jetzt auch in der Arbeit mit den Orchestern ist das überhaupt kein Thema mehr, dass da jetzt eine Frau vorne steht", erklärt er. "Glücklicherweise. Wird ja auch höchste Zeit dafür."
Traumjob Dirigentin: Hospitation und Master in Planung
Wie es nach dem abgeschlossenen Studium in Stuttgart auf der Karriereleiter weitergehen soll, weiß Ella Rosenberg schon jetzt. Noch im Januar werde sie im Konzerthaus in Berlin bei Dirigentin Joana Mallwitz hospitieren. Und: "Ich werde im Sommersemester mit dem Master beginnen", erklärt sie.