Es war kurz vor Weihnachten, als eine Pressemitteilung aus dem Pforzheimer Rathaus für Turbulenzen in der Stadt sorgte. Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) hatte darin über eine mögliche Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge informiert. Bis zu 1.000 Menschen könnten im ehemaligen Versandhaus Bader unterkommen, so Boch, während die Stadt selbst im Gegenzug in ihren eigenen Unterkünften deutlich weniger Flüchtlinge aufnehmen müsste. Das würde zu einer Entlastung für die Stadt führen.
Erstaufnahme Geflüchteter: Oberbürgermeister sieht nur Vorteile
Tausende von Paketen mit Kleidern und anderen Waren wurden täglich aus dem sechsstöckige Logistikgebäude des inzwischen umgezogenen Versandhauses Bader verschickt, bis das Unternehmen vor einigen Jahren aus Platzgründen umzog. Äußerlich ist die Immobilie noch gut in Schuss, weshalb das Land derzeit die Möglichkeit prüft, dort eine Erstaufnahmestelle einzurichten.
Rathauschef Peter Boch zeigt sich darüber hocherfreut. Denn dann würden die hier lebenden Flüchtlinge auf die bisherige Aufnahmequote angerechnet, so sein Kalkül. Wenn statt 50 bis 60 Flüchtlingen jeden Monat künftig nur noch 10 oder 20 kämen, wäre das eine enorme Entlastung für die Stadt, die mit ihren Kapazitäten längst überfordert sei.
2.400 Flüchtlinge, so Boch, habe Pforzheim im vergangenen Jahr aufgenommen. Zweieinhalb mal so viele wie während der Flüchtlingskrise 2015. Diese Menschen auf einem leergefegten Wohnungsmarkt unterzubringen, sie mit Arbeit, Kita- und Schulplätzen zu versorgen habe Pforzheim an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht.
Gegner wollen lieber Gewerbegebiet weiterentwickeln
Doch während Rathauschef Boch überwiegend Vorteile sieht, melden sich immer mehr Skeptiker zu Wort. Der Chef der FDP-Faktion im Gemeinderat etwa, Hans-Ulrich Rülke (FDP), ist entschiedener Gegner einer solchen Einrichtung. Diese würde die ohnehin schon großen sozialen Probleme in der Stadt noch verstärken, ist er überzeugt. Das sehe man beispielsweise an den zahlreichen Polizeieinsätzen in der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen (Ostalbkreis).
Die Stadt solle das noch immer im Besitz der Familie Bader befindliche Gebäude lieber selbst erwerben, sagt Rülke, und das Gewerbegebiet weiterentwickeln. Etwa mit einem Factory Outlet Center, wie es die Familie Bader schon einmal geplant hatte.
Noch hat das Land nichts entschieden. Doch zumindest in einem Punkt sind sich die Gegner mit dem Oberbürgermeister einig: eine Grundsatzentscheidung soll im Gemeinderat fallen. Zumal das Land zugesichert hat, derlei Einrichtungen nicht gegen den Willen der jeweiligen Kommune zu beschließen.