In Deutschland leben etwa 135.000 Blinde und 1,2 Millionen Menschen mit Sehbehinderung. Viele von Ihnen nutzen jeden Tag die Braille- oder Blindenschrift. Ihr Erfinder, Louis Braille, wurde am 4. Januar 1809 geboren. Vor fünf Jahren erklärten die Vereinten Nationen den Tag deshalb zum Internationalen Welt-Braille-Tag.
Der Aktionstag macht auf die zentrale Bedeutung der Blindenschrift und die Situation blinder und stark sehbehinderter Menschen aufmerksam - Menschen wie Gabriele Becker aus Karlsruhe. Wie findet sie sich im Alltag zurecht, und welche Probleme hat sie dabei?
80 Prozent der Umwelt werden mit den Augen wahrgenommen
Die Rheinstrandsiedlung liegt im Südwesten von Karlsruhe. Die Straßen säumen kleine Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser, meist aus den 1930er Jahren. Hier wohnt die 56-jährige Gabriele Becker. Sie hat dunkle lange Haare und blaue Augen, die allerdings nur noch ein Prozent Sehkraft haben. Der Grund ist die seltene Krankheit Retinopathia pigmentosa.
Dabei löse sich die Netzhaut auf, am Ende sei sie durchlöchert wie ein Schweizer Käse, erklärt Gabriele Becker. Der Prozess kann Jahrzehnte dauern, am Ende steht die völlige Erblindung. Für Gabriele Becker war die Diagnose mit Mitte 20 sehr hart, denn der Mensch nimmt eigentlich 80 Prozent der Umwelt mit den Augen wahr.
Verein "Blickpunkt" für Blinde und Sehbehinderte gegründet
Damals begann also ein neues Leben für Gabriele Becker, mit dem sie sich mittlerweile gut arrangiert hat. Ihre Erfahrungen, aber auch die Enttäuschungen, die sie über all die Jahre als blinde Person gesammelt hat, waren der Grund für die Gründung des Vereins Blickpunkt. Menschen mit einer Sehschädigung, deren Angehörige, sowie Menschen, die sich für das Thema interessieren, bekommen hier neue Eindrücke und Informationen, werden unterstützt und beraten.
In Gabriele Beckers Alltag spielt die Brailleschrift eine wichtige Rolle. Mit den Fingern ertastet sie die kleinen Erhebungen und ihre Anordnung und kann so Buchstaben und Worte lesen. In ihrem Haushalt ist vieles mit Brailleschrift beschriftet: Salz und Mehl beispielsweise oder Medikamente, weil die nicht über den Geruch unterscheidbar sind.
Blindenleitsysteme nicht immer gut
Außerhalb ihrer Wohnung ist es natürlich schwieriger. Da ist nicht alles beschriftet, doch es gibt auch immer wieder Verbesserungen. Vor Kurzem wurde direkt vor ihrer Haustür eine neue, für blinde Menschen gut ausgestattete Bahnhaltestelle gebaut. Die Ampeln geben akustische Signale und auf dem Boden hilft ein Blindenleitsystem: Weiße geriffelte Fliesen, die mit einem Blindenstock erfühlt werden können.
Handläufe am Karlsruher Hauptbahnhof mit Blindenschrift
Leider ist das in Karlsruhe nicht überall so. Am Hauptbahnhof gebe es zwar solche Systeme, aber die Rillen seien viel zu klein, sagt Becker. Allerdings seien die Treppen zu den Gleisen super. Die Handläufe sind mit Blindenschrift bedruckt und auch die Fahrstühle haben Brailleschrift und akustische Ansagen.
Auch die neue Haltestelle am Europaplatz habe auf den unteren Ebenen ein gutes Blindenleitsystem, auf den oberen leider nicht. Bald soll es auch akustische Ansagen geben, die die einfahrenden Bahnen ankündigen. Darauf freut sich Gabriele Becker, dann muss sie nicht mehr andere Wartende fragen.