Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)

Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum

Konstanz im Nationalsozialismus: Alltägliche Zeugnisse der Vergangenheit

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AUTOR/IN
Barbara Paul

In Konstanz ist eine neue Ausstellung im Rosgartenmuseum zu sehen. Es geht um die NS-Zeit in der größten Stadt am Bodensee. Gezeigt werden viele neue, bislang unbekannte Zeitdokumente.

Die neue Dauerausstellung trägt den Titel "Konstanz im Nationalsozialismus, 1933-1945". Die NS-Zeit liege vor allem für jüngere Menschen in fernster Vergangenheit, so Museumsdirektor Tobias Engelsing. Doch wer die Geschichte kenne, könne die eigene Zeit besser verstehen. SWR-Reporterin Barbara Paul hat sich die Ausstellung angeschaut:

Neue Dachboden- und Kellerfunde

"Viele Menschen meinen, es sei jetzt genug, man wisse schon alles über die NS-Zeit. Das stimmt aber nicht", sagt Engelsing. "Man weiß zum Beispiel ganz wenig über die eigenen Familien. Was hat denn der Opa wirklich im Krieg gemacht? Darauf gibt es in vielen Familien keine Antwort."

Die neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum versucht, genau solche noch unbekannten Konstanzer Familiengeschichten zu zeigen.

"Anschaulich, lebendig und so, dass die Menschen vielleicht ein bisschen ins Nachdenken kommen."

Nach einem Aufruf in den Medien habe das Museum faszinierende neue Relikte bekommen, die aufgearbeitet wurden und nun ausgestellt werden.

Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Die erste Station der neuen Dauerausstellung. Hier wird erklärt, wie in Deutschland aus einer funktionierenden Demokratie eine Diktatur wurde, zum Beispiel durch das Verbot der freien Gerichte und das Ausschalten der Gesetzgebung. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Der "Hitler-Gruß": Ab 1933 im Alltag verpflichtend. Schilder wie dieses ermahnten die Bevölkerung, systemkonform zu grüßen. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Im April 1945 eilig heruntergeschlagen, später in einem Konstanzer Haushalt sorgfältig wieder zusammengesetzt: Hitler Büste aus einer Konstanzer Behörde. Kellerfund von 2022. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Zellentür aus dem Konstanzer Gestapo-Gefängnis in der Mainaustraße: Ein beklemmendes Relikt des Unterdrückungsapparates. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Die Ausgehuniform eines Stabsfeldwebels der Wehrmacht mit Schießschnur und Ordensschnalle. Der Träger, ein überzeugter Wehrmachtssoldat und späterer Berufssoldat der Bundeswehr, bewahrte die Uniform jahrzehntelang auf. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Erste Ausgabe der im Herbst 1945 neu gegründeten Tageszeitung "Südkurier". In den ersten zwei Jahren ihres Erscheinens fanden in der Zeitung engagierte Debatten über den angemessenen Umgang mit Tätern und "Mitläufern" des Nationalsozialismus statt. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Kinder einer jüdischen Konstanzer Familie, einige von ihnen in der patriotischen Matrosenkleidung, die um 1900 Mode war. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Stück einer Thora-Rolle mit Spuren des Brandanschlages auf die Konstanzer Synagoge vom 9. November 1938. Der damalige Museumsdirektor Dr. Bruno Leiner nahm das Relikt aus den Trümmern an sich und versteckte es auf einem Dachboden, wo es erst 2009 wiedergefunden wurde. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Mitglieder der Konstanzer "Hitler-Jugend", aufgenommen auf einem Sommerlager der HJ, um 1935. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Dauerausstellung im Rosgartenmuseum Konstanz. "Konstanz im Nationalsozialismus" (Foto: SWR, Fiehler)
Links: Klingelschild eines Altstadthauses. Mit der Emigration und nach der Deportation der Juden im Oktober 1940 wurden ihre Namen eilig von den Klingelschildern entfernt. Rechts: Schmuckstück der Aussteuer für die Tochter Elisabeth aus dem Konstanzer Haushalt der 1939 nach Palästina emigrierten Familie Dr. Erich und Liesel Bloch. Bild in Detailansicht öffnen

Zivilcourage in der Nazi-Zeit: "Die mutigen Konstanzer"

Auf einem Rundweg durchlaufen die Besucherinnen und Besucher die Ausstellung in mehreren Stationen. Thematisiert werden auch mutige Oppositionelle und Helferinnen. Sie seien Vorbilder an Zivilcourage und Menschlichkeit, heißt es vom Museum. Unter anderem wird die Geschichte des Kunstmalers Otto Marquard erzählt, der ganz am Anfang des Dritten Reichs verfolgte Gewerkschafter und Sozialdemokraten mit einem Ruderboot von Allensbach in die Schweiz gerudert hat.

Film zeigt, was heute von der NS-Zeit noch in Konstanz zu sehen ist

Eigens für die neue Dauerausstellung wurde ein rund 45-minütiger Dokumentarfilm gedreht. Er zeigt, was heute in Konstanz von der NS-Diktatur noch zu sehen ist. Es geht zum Beispiel um die ehemalige Gestapo-Zentrale in der Mainaustraße, wo heute das Deutsche Rote Kreuz untergebracht ist.

"Ich hoffe sehr, dass das Publikum im Anschluss an den Film an Orten in der Stadt anders vorbeigeht. Dass die Menschen dann auch an die Geschichte der Orte denken."

Der Film soll laut der Regisseurin darauf aufmerksam machen, dass historische Ereignisse zwar weit zurückliegen, aber immer noch in die Gegenwart heutiger Menschen hineinwirken können. Gezeigt wird der Film im Museumskino.

Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg auch mit Blick auf Ukraine-Krieg wichtig

Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sei eine neu-alte Form des Imperialismus wieder zu einem bestimmenden Faktor geworden. Man sei von der Aktualität der Ereignisse überrascht worden, so Engelsing.

"Wenn man ein altes Volksempfänger-Radiogerät sieht, dann denkt man natürlich auch an die russische Staatspropaganda, und wie schnell es geht, dass ein Staat die freien Stimmen, also Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen abwürgt, und die Menschen eben nicht mehr erfahren, was wirklich passiert."

Der Ukraine-Krieg und seine wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verwerfungen seien im Alltag und in der künftigen Sicherheitspolitik der europäischen Demokratien wieder präsent.

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Barbara Paul