Ende dieses Jahres geht mit dem Atomkraftwerk Neckarwestheim II (Landkreis Heilbronn) einer der letzten Meiler in Deutschland vom Netz. Das ist seit 2011 beschlossene Sache. Wenn es nach diversen Politikerinnen und Politikern aus der CDU und neuerdings auch aus der Ampel-Koalition geht, soll sich der Abschalttermin aber verschieben. Unter anderem hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) angeregt, über eine Laufzeitverlängerung zu diskutieren.
Längere Laufzeit der Atomkraftwerke nur mit großen Risiken möglich
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zeigt dafür im Interview mit dem SWR-Hauptstadtstudio allerdings wenig Verständnis: "Ich verstehe es auch nicht so ganz. Das gebe ich offen zu. Weil wir ja tatsächlich eine intensive Überprüfung vorgenommen haben, das Gespräch mit den Betreibern gesucht haben." Die Betreiber sagten selbst, dass ein Weiterbetreiben nur unter großen technischen und sicherheitspolitischen Risiken möglich wäre, so Lemke. Und in der Tat: Die Betreiber selbst haben schon vor längerer Zeit abgewunken.
Lemke hält ihrem Kabinettskollegen Lindner zugute, dass er "ideologiefrei argumentieren und ideologiefrei handeln" wolle. Für sie heiße das aber, "dass in Deutschland beschlossen wurde, aus der Atomkraft auszusteigen - mit guten Gründen in einem parteiübergreifenden Konsens." Auch das Argument, dass in der aktuellen Energiekrise - ausgelöst durch den Ukraine-Krieg - eine Laufzeitverlängerung richtig wäre, lässt sie im SWR-Interview nicht gelten. "Wir haben wenige hunderte Kilometer von uns entfernt einen Krieg, in dem auf Atomkraftanlagen geschossen wurde, die in diesen Krieg mit hineingezogen worden sind. Es ist klar, dass Atomkraftwerke niemals für den Zustand eines Krieges, für solche Angriffe ausgelegt gewesen sind." Zudem liefen viele Atomkraftwerke mit Brennelementen aus Russland.
Das gesamte Interview der Woche mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) - geführt von SWR-Korrespondent Christopher Jähnert - gibt es hier zum Nachhören:
Windkraft und Artenschutz: "Das ist ein Dilemma"
Auch ein anderes Thema, das unter anderem in Baden-Württemberg für Diskussionen sorgt, beschäftigt die Bundesumweltministerin: Der Ausbau der Windkraft. Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat Lemke dazu in dieser Woche ein Gesetzespaket vorgelegt, das noch beschlossen werden muss.
Baden-Württemberg müsste demnach bis spätestens 2032 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraft zur Verfügung stellen - und dafür in einigen Fällen beim Landschafts- und Artenschutz Abstriche machen. Lemke spricht im SWR-Interview von einem Dilemma: "Wir müssen, um das Klima zu schützen, Windkraft ausbauen. Wir werden auch Photovoltaik vorrangig auf bebauten Flächen ausbauen. Aber wir müssen all das tun, um die Klimakrise zu bekämpfen." Auf der anderen Seite müsse man aber auch schauen, dass man das Artensterben in den Griff bekomme.
Künftig mehr verfügbare Fläche für Windenergie
"Diese beiden großen ökologischen Krisen sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wir müssen sie gleichzeitig lösen, weil sie inzwischen beide so drängend geworden sind, dass nicht das eine warten kann, bis das andere irgendwie aufgeräumt worden ist", so Lemke.
Deshalb habe man nun einen Weg beschritten, der in erster Linie auf die Flächenverfügbarkeit ziele. So soll die verfügbare Fläche für Windenergie an Land künftig deutlich mehr werden.