Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag

Untersuchungsausschuss des Landtags

Schon früher Zweifel am freigestellten Inspekteur der BW-Polizei? Ex-Chefs im Kreuzverhör

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Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik
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Jakob Fandrey
SWR-Redakteur Jakob Fandrey

Seit einer Woche läuft der Prozess gegen einen freigestellten Inspekteur der Polizei. Der Vorwurf: sexuelle Nötigung und Machtmissbrauch. Nun sagen im U-Ausschuss Führungskräfte aus.

Im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Polizei-Affäre hat sich der ehemalige Inspekteur Detlef Werner massiv von seinem Nachfolger Andreas R. distanziert. "Im Grunde ist es so, dass ich mich für diesen Sachverhalt schäme", sagte der 63-jährige Pensionär am Freitag im Landtag in Stuttgart.

Für die Polizei seien die Vorwürfe wegen sexueller Nötigung gegen den Inspekteur eine "Katastrophe". Zwar müsse die Justiz entscheiden, was strafrechtlich relevant sei. Aber: "Es stehen Vorwürfe im Raum, die auch wohl belegt sind." Werner sagte, er sei sehr überrascht gewesen, als er Ende 2021 von den Vorwürfen gegen Andreas R. aus den Medien erfahren habe.

Ex-Chef spricht von "Fremdschämen"

Der inzwischen freigestellte Inspekteur Andreas R. soll eine Polizeibeamtin nach einem Personalgespräch sexuell genötigt haben. Seit vergangenem Freitag muss sich der 49-Jährige vor dem Landgericht Stuttgart verantworten.

Es stehe außer Frage, dass ein Inspekteur ein solches Verhalten nicht an den Tag legen dürfe: "Das ist ein Unding", so Werner, der noch hinzufügte: "Das Wort Fremdschämen trifft es vielleicht. Man ist fassungslos." 

Früher keine Anzeichen für Fehlverhalten entdeckt

Vorgänger Werner erklärte, er habe früher keine Anzeichen für Charaktermängel bei Andreas R. festgestellt: "So etwas ist mir nicht zu Ohren gekommen." Er selbst hätte den damaligen Vizepräsidenten des Landeskriminalamtes (LKA) jedoch nicht zum Inspekteur gemacht, weil es bessere Kandidaten gegeben hätte. "Ich hätte die Treppe von oben gekehrt", so Werner.

Zudem sei Andreas R. mit 47 Jahren noch sehr jung gewesen. "Wenn ich einen Inspekteur in das Amt bringe, der noch 15 Dienstjahre in der Polizei hat, dann halte ich das nicht für gut." Der Job sei sehr anstrengend und es sei besser, nach einigen Jahren auch mal einen Wechsel auf diesem Posten vorzunehmen.

Werner distanziert sich von Landespolizeipräsidentin

Der Ex-Inspekteur ist nach eigener Aussage in die Entscheidung über seinen Nachfolger nicht eingebunden gewesen. "Es wurde kein Gespräch mit mir geführt, wer es werden soll." Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz habe ihm mitgeteilt, dass die Entscheidung auf Andreas R. gefallen ist. "Es war aus meiner Sicht geplant: Er wird es." Hinz habe ihn dann gebeten, eine Beurteilung über Andreas R. zu schreiben.

Werner rechtfertigte sich dafür, dass er dem LKA-Vize die Bestnote gegeben hat - ohne dies vorher mit dem Vorgesetzten von Andreas R., dem damaligen LKA-Chef Ralf Michelfelder, abzusprechen. Werner betonte: "Er ist immer in den höchsten Tönen für seine Arbeit gelobt worden." Der frühere Inspekteur hatte damit den Karrieresprung von Andreas R. erst möglich gemacht. Dieser war vorher nur 15 Monate lang Vize im LKA gewesen.

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Bestnote: Kritik aus den Fraktionen

Die Obleute im U-Ausschuss äußerten teilweise scharfe Kritik an der Vergabe der Bestnote an Andreas R. Ex-Inspekteur Werner habe nicht schlüssig erklären können, wie es dazu kam, kritisierte FDP-Obfrau Julia Goll. Sie sprach unter anderem von "gezielten Erinnerungslücken". Auch SPD-Obmann Sascha Binder kritisierte das Besetzungsverfahren. Er habe den Eindruck gewonnen: "Der Minister entscheidet und dann macht man ein proforma-Verfahren." AfD-Obmann Hans-Jürgen Goßner sprach von einem "bestellten Ergebnis".

Die Obfrau der CDU sieht das anders. Es sei nicht erkennbar, warum der Zeuge unbedingt eine Bestnote hätte vergeben müssen. "Er stand kurz vor der Pensionierung. Wovor hätte er Angst haben sollen?", sagte Christiane Staab. Für den Grünen-Obmann im Ausschuss war vor allem das unterschiedliche Bild vom Inspekteur der Polizei schwer erklärlich. "Ich bringe sein Saubermann-Image, das wir heute wieder gehört haben, nicht mit den Vorwürfen zusammen", sagte Oliver Hildenbrand.

Ex-Inspekteur irritiert über "Coaching"

Werner zeigte sich bei der Befragung auch irritiert darüber, dass Andreas R. als Inspekteur eine Anwärterin für den höheren Dienst als Mentor unter seine Fittiche genommen hat. Die Anwärterin brachte mit ihrer Anzeige den Fall ins Rollen. Zum Coaching sagte Werner: "Als Inspekteur habe ich sowas nicht gemacht und würde ich auch nicht tun." Werner fügte hinzu: "Ich halte das für sehr negativ, wenn man sich jemanden rauspickt."

Nach Aussage von Andreas R. soll Landespolizeipräsidentin Hinz ihn gebeten haben, die junge Frau zu coachen. Werner erklärte auch, in seiner Zeit habe es keine regelmäßigen, ausschweifenden Sektrunden im Innenministerium gegeben.

Nach Werner soll noch der frühere Polizeipräsident Gerhard Klotter (67) als Zeuge vernommen werden. Werner und Klotter, zwei langjährige Polizisten, waren beide 2013 unter dem damaligen Innenminister Reinhold Gall (SPD) in ihre Ämter gekommen.   

Strobl hielt R. für "ideale" Besetzung

Im Untersuchungsausschuss gab es schon mehrere Befragungen und mehrere Aspekte, die beleuchtet wurden. Zum einen ist das die sexuelle Belästigung in Landesbehörden, zum anderen Beförderungspraktiken bei der Polizei und drittens die Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Andreas R. war der direkte Nachfolger von Werner, der Ende Oktober 2020 nach 41 Dienstjahren in den Ruhestand ging. Zur Amtsübergabe teilte Strobl damals mit, er freue sich, mit dem LKA-Vize Andreas R. "einen idealen Nachfolger" gefunden zu haben. Der CDU-Politiker schwärmte weiter, Andreas R. habe "genau das richtige Format" für dieses Amt. "Egal in welcher Funktion oder Dienststelle er bislang tätig war, überall leistete er exzellente Arbeit und genießt sowohl innerhalb als auch außerhalb der Polizei einen hervorragenden Ruf." Andreas R. war damals der jüngste Inspekteur in der Geschichte des Landes.

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Landespolizeipräsidentin Hinz ist schon zweimal im U-Ausschuss befragt worden, zuletzt Ende März. Sie muss auch am Dienstag im Prozess gegen Andreas R. als Zeugin vor dem Landgericht Stuttgart erscheinen. Die Opposition im Landtag hält der Polizeipräsidentin vor, sie sei zu lax mit Andreas R. umgegangen. So hätte sie bei Aufkommen der Vorwürfe sofort auch sein privates Handy beschlagnahmen lassen müssen. Hinz erklärte dagegen, es habe dafür keine rechtliche Grundlage gegeben.

Sexuelle Nötigung nach Personalgespräch?

Im jüngst gestarteten Prozess geht es ebenfalls darum, was am 12. November 2021 und in der Nacht passierte. Eine 34-jährige Hauptkommissarin wirft Andreas R. vor, sie nach dem Personalgespräch nachts vor einer Stuttgarter Kneipe sexuell genötigt zu haben. Sie habe sich nicht getraut sich zu widersetzen, weil sie berufliche Nachteile fürchtete.

Die Verteidigung stellte die Frau als Lügnerin dar, die schon öfter zum eigenen Vorteil Kontakt zu höhergestellten Männer gesucht habe. Die Nebenkläger warfen den Verteidigern hingegen die Verunglimpfung und Diffamierung der 34-jährigen Anzeigenerstatterin vor. 

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