Wie entsteht Lyrik? Wie sind Dichterinnen und Dichtern ihre berühmten Zeilen eingefallen? Welche ihrer Ideen führte zum Schreiben?
Wie entsteht Lyrik? Wie sind Dichterinnen und Dichtern ihre berühmten Zeilen eingefallen? Welche ihrer Ideen führte zum Schreiben?
Der Lyriker und ehemalige Verleger Michael Krüger war ein Jahr lang Poeta Laureatus der Literaturtagung „Literaricum“ in Lech in Österreich und hat in dieser Eigenschaft jeden Monat ein Gedicht geschrieben. Es fiel ihm nicht immer leicht, denn ihn belasteten unter anderem die Unruhen und Kriege der Gegenwart. Er hält es für notwendig, auch solche Ereignisse in seinen Texten abzubilden. Im monatlichen Literaturgespräch auf SWR2 spricht Michael Krüger darüber mit SWR-Literaturredakteur Alexander Wasner.
Am 22. Januar ist die Lyrikerin Elke Erb in Berlin im Alter von 85 Jahren gestorben. Sie gilt als eine der prägendsten Autorinnen in der Lyrik der Gegenwart. Mit ihrer sprachlichen Experimentierfreude, ihrem Erfindungsreichtum und ihrem Witz eckte sie in der DDR, wo sie aufwuchs und lebte, immer wieder an. Doch gerade die Auseinandersetzung und der Widerstand gegen das Regime schlug sich auch in ihrer Lyrik nieder.
Kann Lyrik helfen, ein einschneidendes Ereignis zu verarbeiten? Für die Schweizer Lyrikerin Vera Schindler-Wunderlich funktioniert das. Sie hat ein Gedicht über die Hilflosigkeit ihrer gelähmten Freundin geschrieben, die unter Multipler Sklerose leidet.
Die Lyrikerin will mit ihrem Text kein Mitleid heischen, sondern diese für sie außergewöhnliche Erfahrung zum Ausdruck bringen - was ihr auch durch die Wahl eines ungewöhnlichen Schriftbildes gelingt.
Mit ihrer klugen und poetischen Wortkunst hat sich die 46-jährige Dichterin Safiye Can aus Offenbach einen prominenten Platz in der deutschen Lyriklandschaft erschrieben. Ihre Gedichtbände erscheinen in hohen Auflagen, als Botschafterin für das Lesen und mit Schreibwerkstätten begeistert sie auch Kinder und Jugendliche für die Magie der Worte. Poesie und Politik gehen für die engagierte Dichterin ganz selbstverständlich zusammen. So entwirft sie nicht nur ungewöhnliche Liebesgedichte, sondern bezieht in ihren Texten auch Stellung gegen Rassismus und Frauenfeindlichkeit.
Johann Wolfgang von Goethe hat einige der bedeutendsten Werke deutscher Lyrik geschrieben - aber nicht nur, zumindest auf den ersten Blick. Goethes Gedicht über die Heiligen drei Könige klingt wie ein alberner, holpriger, schlecht gereimter Kindervers. Dafür gibt es jedoch einen Grund: Goethe schrieb das Gedicht für seinen Freund Carl Friedrich Zelter. Die Form folgt mit voller Absicht einem einfachen, derben Stammtischton. Zelter gründete 1809 die erste Liedertafel. Goethe hat mit diesem Liedchen wahrlich kein lyrisches Meisterwerk abgeliefert, und er wusste es. Doch er hat aus echter Zuneigung heraus ein Gedicht in genau dem Ton geschrieben, den sein Herzensfreund Zelter am meisten schätzte.
Knapp 250 Jahre ist es her, dass sich in Schottland Ende Dezember ein schreckliches Eisenbahnunglück ereignete. Am 28. Dezember 1879 stürzte die Firth-of-Tay-Brücke bei Dundee ein, während gerade ein Zug darüberfuhr. Der Zug stürzte in den Fluss und 75 Menschen kamen dabei ums Leben. Die Brücke war von 1871 bis 1878 unter enormem Aufwand erbaut und erst eineinhalb Jahre vor dem Unglück eingeweiht worden. Ursache war ein schwerer Sturm, der die Brücke beschädigte. Viele Menschen jedoch sahen in dem Unglück eine Strafe. Theodor Fontane hörte auf seiner Schottlandreise davon und griff dieses Motiv in seiner Ballade „Die Brück‘ am Tay“ auf, die er wenige Tage nach dem Unglück schrieb und Anfang Januar bereits in einer Zeitschrift veröffentlichte. Der deutsche Schauspieler Charles Wirth rezitierte Fontanes Ballade 1980 im ehemaligen Südwestfunk – einer der Schätze in unserem Archiv.
In diesem Jahr wäre Vicco von Bülow alias Loriot 100 Jahre alt geworden und der Humorist ist umfassend gewürdigt worden. Einen Tag vor Heiligabend möchten wir nochmals an ihn erinnern mit seinem wunderbar bösen Gedicht „Advent". Loriot hat es in einem von ihm gezeichneten Trickfilm 1969 im Fernsehen veröffentlicht und später vielfach selbst als reines Gedicht vorgetragen. Es berichtet in sanftem Ton, wie eine Förstersfrau am Nikolausabend ihren Mann im Forsthaus erschießt. Dieser schwarze Humor sorgte in den 70er Jahren für viel Aufregung im Rundfunkrat und soll sogar zu einer Anfrage im Bundestag geführt haben. Mittlerweile hat sich die Empörung gelegt und Loriots Adventszeilen gelten als Klassiker unter den Weihnachtsgedichten. Der unvergessene große Komiker ist in einer Aufnahme aus dem Jahr 1974 zu hören.
Die amerikanische Lyrikerin Mary Oliver ist eine der prominentesten und populärsten Naturdichterinnen unserer Zeit, zumindest in den USA. Doch auch bei uns wird Mary Oliver gerade wiederentdeckt, unter anderem, weil der deutsche Lyriker und Übersetzer Jürgen Brôcan ein Best-of ihres Schaffens übersetzt und in einem neuen Lyrikband zusammengestellt hat. Der Titel ist eine Zeile aus einem Gedicht von Mary Oliver: „Sag mir, was hast du vor mit deinem wilden, kostbaren Leben“.
Die Natur als Trost
Viele Gedichte thematisieren die Natur. Oft schreibt Mary Oliver aus der Ich-Perspektive und spricht ein Du, die Leserinnen und Leser, direkt an. Doch die Gedichte sind nur zum Teil autobiographisch, erklärt Jürgen Brôcan. "Einmal wissen wir, dass sie eine sehr unglückliche Jugend hatte und oft die Schule geschwänzt hat, und stattdessen in die Natur geflohen ist, um dort Trost zu finden. Und zum anderen wissen wir, dass sie jahrzehntelang an der amerikanischen Ostküste in Provincetown gelebt hat, und wir können uns sehr gut vorstellen, dass die vielen Spaziergänge am Meer, die sie beschreibt, durchaus auch in der Realität so oder ähnlich stattgefunden haben.“
Leichter Ton lässt sich nicht leicht übersetzen
Mary Olivers lakonischer Ton steht in spannendem Gegensatz zur gedanklichen Schwere der Gedichte. Er erzeugt in den Texten einen feinen Humor, der den Übersetzer vor Herausforderungen stellt. Jürgen Brôcan schreibt selbst Gedichte und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet. Seine Erfahrung als Lyriker hilft ihm, Mary Olivers Texte mit der nötigen Behutsamkeit und Kreativität zu übersetzen.
„Lauter Lieblingsgedichte“ – das ist das Motto des Lyrikkalenders, den der Verleger und Lyrikliebhaber Hubert Klöpfer aus Tübingen jedes Jahr herausgibt. Das Besondere daran ist: Hubert Klöpfer schreibt alle Gedichte dafür mit der Hand ab und präsentiert jeweils zwei Gedichte pro Monat. Der Lyrikkalender hat keine Bilder, und dennoch ist es ein Genuss, die kunstvolle Handschrift in schön gesetztem Format zu betrachten – und natürlich die Texte zu lesen. Darunter sind klassische, bekannte Gedichte, aber auch bisher unveröffentlichte Lyrik.
Die Vorweihnachtszeit ist eine schöne Gelegenheit, sich mit Gedichten auf Weihnachten einzustimmen. Anfang Dezember müssen es ja nicht gleich Texte sein, die nach Heiligabend klingen. Joachim Ringelnatz hat eine Menge Gedichte geschrieben, die uns den ganzen Dezember bis Silvester begleiten können, die uns zum Nachdenken, aber auch zum Schmunzeln bringen. Manche drehen sich um Weihnachten, einige aber auch einfach um den Winter. Und ein paar sind sogar gut für die Gesundheit. Der Schauspieler und Comedian Matthias Matschke liest 43 Gedichte auf der CD „Weihnachten mit Ringelnatz“, die gerade im Audio Verlag erschienen ist, darunter auch „Ruf zum Sport“ und „Eis-Hockey“.
Am 25. November 1844 kam Carl Benz im heutigen Karlsruher Stattteil Mühlburg zur Welt. Der deutsche Ingenieur entwickelte das erste praxistaugliche Automobil, das er 1886 zum Patent anmeldete. Bis das Auto allerdings zum notwendigen Alltagsbegleiter wurde, wie wir es heute kennen, dauerte es. 1930 gab es nur etwa 500.000 registrierte Kraftfahrzeuge in Deutschland. Und dennoch war mit dem Auto eine neue Zeit angebrochen. Der Lyriker Erich Kästner schreibt Anfang der 30er Jahre mehrere Gedichte, in denen Autos als Metapher vorkommen. Eines heißt „Die Zeit fährt Auto“.
Yolanda Castaño, 1977 in Santiago de Compostela geboren, ist eine der bedeutendsten Autorinnen Spaniens und zählt zu den wichtigsten Vertreterinnen der zeitgenössischen Poesie auf galicisch. Gemeint ist das Galicien im Nordwesten Spaniens. Für ihren Lyrikband „Materia“ hat Castaño 2023 den spanischen Nationalpreis für Poesie gewonnen. Sie schreibt in der Regionalsprache galicisch und übersetzt ihre Texte selbst ins Kastilische – die Sprache, die wir als „spanisch“ bezeichnen.