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Clarice Lispector: Wofür ich mein Leben gebe. Kolumnen 1946-1977

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Ein bewegtes Leben im 20. Jahrhundert: Clarice Lispector wurde 1920 in der Ukraine geboren. Kurze Zeit darauf emigrierten ihre Eltern, zunächst nach Deutschland, dann nach Brasilien. Lispector studierte Jura, arbeitete als Lehrerein und begann 1943 mit ihrem ersten Roman „Nahe dem wilden Herzen“, im Übrigen ein Zitat von James Joyce, der nach seinem Erscheinen große Aufmerksamkeit erregte. Mit ihrem Mann, einem Diplomaten, absolvierte Lispector diverse Lebensstationen in Europa und in den USA, bevor sie 1959 nach Brasilien zurückkehrte. Als ihre literarischen Referenzgrößen gelten Kafka und Virginia Woolf.

Der türkische Nobelpreisträger Orhan Pamuk bezeichnet Lispector als „eine der geheimnisvollsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts.“ 1975, zwei Jahre vor ihrem Tod, nahm Lispector am „Ersten Weltkongress der Hexerei“ in Kolumbien Teil. Ihre Biografie ist umgeben von Mythen, an deren Entstehung die Autorin zum Teil selbst mitgewirkt hat. Der Penguin Verlag hat sich seit einigen Jahren daran gemacht, den Kosmos der Schriftstellerin aufs Neue zu erkunden. Lispector hat nicht nur expressive, überraschende Erzählungen und Romane verfasst, sondern war in den Jahren 1969 bis 1973 auch Kolumnistin für das „Journal do Brasil“ tätig. In diesen Zeitungstexten offenbart Lispector verblüffend persönliche Einblicke, die sich mit ihrer unverwechselbaren Perspektive auf die Welt insgesamt verbinden.

Es kann also um alles gehen: um die Rolle der Kunst in der industrialisierten Gesellschaft, um Begegnungen mit Menschen im Alltag, um auf der Straße zufällig mitgehörte Gespräche. Und manchmal verdichten sich Gedanken zu Sentenzen, die auch im Kurztextzeitalter der sozialen Medien entstanden sein könnten: „Ich gebe dir Brot, du willst lieber Gold. Ich gebe dir Gold, doch rechtmäßig hungert es dich nach Brot.“ Die Bandbreite von Lispectors Schaffen, so schreibt es Übersetzer Luis Ruby, der die Auswahl besorg hat, erstrecke sich von plaudernder Leichtigkeit über poetische Stimmungsbilder bis hin zu meditativen Selbsterforschungen.

Buchkritik Clarice Lispector - Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau

Sie gilt als größte Erzählerin Brasiliens: Clarice Lispector hat faszinierende weiblichen Hauptfiguren geschaffen; sie schreibt über komplexe Gefühle, die Zumutungen des modernen Lebens und die Schrecknisse des 20. Jahrhunderts. Jetzt lassen sich ihre packenden, wahrhaftigen Erzählungen wieder entdecken.
Rezension von Ulrich Rüdenauer.

Aus dem Portugiesischen von Luis Ruby
Penguin Verlag
ISBN 978-3-328-60094-7
416 Seiten
24 Euro

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