Gespräch

Marina Weisband: „Ich muss mich aufs Kämpfen einstellen“

Stand
INTERVIEW
Markus Brock

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Vor drei Jahren hat Marina Weisband im Bundestag zum Holocaust-Gedenktag gesprochen. Darüber, wie schwer es sei, einfach als Mensch wahrgenommen zu werden, nicht nur als „lebendiges Mahnmal“.

In diesem Jahr steht dieser Tag in einem neuen, bedrohlichen Kontext. Im November 2023 haben sich nach Erkenntnissen des Recherchezentrums Correctiv, hochrangige Politiker der AfD, Unternehmer und Rechtsextreme im Potsdam getroffen, um die Vertreibung von Millionen Menschen (mit Migrationshintergrund) aus Deutschland zu besprechen.

„Wir leben in präfaschistischen Zeiten“

Im Gespräch mit SWR2 zeigt sich Marina Weisband nicht wirklich überrascht von den aktuellen Entwicklungen. Die Psychologin und Beteiligungspädagogin weist auf die Kriegssituation in ihrem Herkunftsland Ukraine und Israel – dem bisherigen Zufluchtsort für viele jüdische Menschen – hin: „Es ist nirgends besser, der Faschismus erstarkt auf der ganzen Welt. Das heißt für mich, ich muss mich aufs Kämpfen einstellen. Wir leben in präfaschistischen Zeiten.“

Gleichzeitig, so führt Marina Weisband ihre Überlegungen aus, sei sie nicht bereit, „beim ersten Anzeichen eines politischen Umschwungs das Land zu verlassen“.

Weisband: Rituale zum Holocaust-Gedenktag müssen ergänzt werden

Der Internationale Holocaust-Gedenktag, der auch für die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau steht, sei ein wichtiger Tag für sie, sagt die Mutter einer siebenjährigen Tochter. Gleichzeitig sei dieser Tag von sehr vielen Ritualen begleitet, die letztendlich dazu dienten, „zu entschuldigen“.

Erinnern an die Shoa Holocaust-Gedenktag 2024: „Wir leben in präfaschistischen Zeiten“

7000 Menschen konnte die Rote Armee lebend aus Auschwitz befreien. Über 1,1 Millionen ließen die Nazis allein in Auschwitz vergasen, zu Tode folterten und verhungern.

„Es sind Rituale, die Menschen brauchen, um mit ihrem eigenen schlechten Gewissen klarzukommen.“ Zum Beispiel mit Fragen wie: Was haben meine Eltern oder meine Großeltern damals gemacht? Man lege dann Blumenkränze ab und versichere sich, dass man ja heute nicht mehr so sei, fasst Marina Weisband zusammen. Allerdings müssten diese Rituale jetzt ergänzt werden, um „tatsächliche Handlungen, damit es sich nicht wiederholt“.

Die großen Demonstrationen im Januar gegen Rechts, gegen die AfD, hätten ihr Hoffnung gemacht: „Hey, vielleicht wiederholen wir die Geschichte nicht. Vielleicht haben wir wirklich gelernt“.

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