Kunst

Zeichnen als Haltung – Papierkunst von Katrin Ströbel in der Galerie Stihl Waiblingen

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AUTOR/IN
Silke Arning

Zum ersten Mal hat die Stadt Waiblingen ein Stipendium für Zeichnung & Papierkunst vergeben, das Werke bereits etablierter und jüngerer Kunstschaffender herausstellen will. Die Galerie Stihl zeigt mit den überraschend vielfältigen und reflektierten Arbeiten von Katrin Ströbel eine Künstlerin, die Position bezieht und sagt: Zeichnung sei für sie nicht nur ein Medium, „sondern eine Haltung“.

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In Australien wurde die Künstlerin mit der deutschen Vergangenheit konfrontiert

Wer einmal die Ausstellung mit den Werken von Katrin Ströbel gesehen hat, wird das Thema Papier- und Zeichenkunst für sich vielleicht neu definieren müssen. So ungewöhnlich, so spektakulär sind manche Werke, andere zeigen sich eher zurückhaltend, offenbaren erst auf den zweiten Blick beeindruckenden Tiefgang.

„Inherited shame, 2012“ von Katrin Ströbel in der Galerie Stihl in Waiblingen
„Inherited shame, 2012“ von Katrin Ströbel

Zum Beispiel die Arbeit „Vererbte Scham“ („Inherited shame“), die während eines Aufenthaltes in Australien entstand, bei dem sich Katrin Ströbel unversehens mit deutscher Vergangenheit konfrontiert sah - mit den Spuren jüdischer Menschen, die sich am anderen Ende der Welt vor nationalsozialistischer Verfolgung in Sicherheit gebracht hatten.

Doch zehn Jahre später, gegen Ende des NS-Regimes in Deutschland, setzte sich auch eine Reihe hochrangiger Nazikader nach Australien ab, um Repressionen, Gefängnis oder auch der Todesstrafe zu entgehen. „Und so war ich dann in Australien mit der absurden Situation konfrontiert, dass die Überlebenden und die Täter einander am anderen Ende der Welt zum Teil sogar innerhalb der gleichen Nachbarschaften wieder gegenüberstanden,“ erzählt die Künstlerin.

Der Betrachter sieht sich im Kunstwerk auch selbst

Diese Erfahrung hat Katrin Ströbel in eine Galerie rechteckiger, komplett schwarzer Tuschezeichnungen umgesetzt. Durch die abgrundtiefe Dunkelheit schimmern sehr kleine, weiße Schriftzüge, Originalzitate aus Archivquellen wie „Execution carried out by the Einsatzgruppen“.

Und noch etwas sieht man bei genauem Hinsehen: nämlich sich selbst in den bewusst nicht entspiegelten Gläsern des Bilderrahmens.

Eine künstlerische Vermessung der Welt

Die Künstlerin Katrin Ströbel
Die Künstlerin Katrin Ströbel

Katrin Ströbel hat neben ihrem Studium an der Stuttgarter Kunstakademie auch Literaturwissenschaften studiert, ist viel gereist in Afrika, in Peru und lebt heute in Frankreich, Deutschland und Marokko. Das schärft ihren Blick für das, was Fremdsein, sich fremd fühlen bedeuten kann.

Während ihrer Reisen ist so ein Archiv mit Zeichnungen und Textfragmenten entstanden, die Katrin Ströbel auf Stoff gedruckt und zu zwei overallartigen Anzügen verarbeitet hat. Eine künstlerische Vermessung der Welt, quasi auf den Leib geschneidert.

„Making love to unknown cities, 2018“ von Katrin Ströbel in der Galerie Stihl in Waiblingen
Katrin Ströbel: „Making love to unknown cities, 2018“

Katrin Ströbel sieht sich in der Gesellschaft verortet mit all ihren Problemen, zu denen sie künstlerisch Stellung bezieht.

„Zeichnung ist für mich eigentlich nicht ein Medium, sondern eine Haltung“ 

Künstlerische Antwort auf einen Pin-Up-Kalender der Firma Stihl

Und dazu gehören auch feministische Positionen. Bei der Vorbereitung der Waiblinger Ausstellung in der Galerie Stihl entdeckte Katrin Ströbel eine Art Pin-Up-Kalender der Firma Stihl, mit leicht bekleideten Damen, die wild Kettensägen schwangen.

Ihre Antwort: eine gut zwei Meter hohe witzig ironische Wandzeichnung, auf der lässig ein Frauenkörper posiert mit Handwerkerhüftgürtel, Kettensäge und angriffslustigem Dinosaurierkopf.

„I come in peace, 2023“ von Katrin Ströbel in der Galerie Stihl in Waiblingen
Katrin Ströbel: „I come in peace, 2023“

Eine Künstlerin mit Haltung

Und dann noch ein Statement. Zwischen einigen Zeichnungen zu den Themen Körperlichkeit, Erotik, Paarbeziehungen hat Katrin Ströbel Bilder ihres Mannes, auch Künstler, und ihrer jungen Tochter an die Wand gehängt.

Diesen wichtigen Teil ihres Lebens, der auch ihre Arbeit prägt, will sie nicht einfach ausklammern. Eine Künstlerin mit Haltung eben und eine Ausstellung, die Zeichen setzt.

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