Wagners Tetralogie in Zürich

Bayreuth kann da kaum mithalten: Gelungene „Götterdämmerung“ beschließt Züricher „Ring“

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AUTOR/IN
Bernd Künzig
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Dominic Konrad

Mit Richard Wagners Opernvierteiler „Der Ring des Nibelungen“ verabschiedet sich Andreas Homoki als Intendant des Opernhauses in Zürich. Der neue Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda dirigiert. Mit Spannung wurden die Debüts von Camilla Nylund als Brünnhilde und Klaus Florian Vogt als Siegfried erwartet. Die „Götterdämmerung“ schmiedet den Züricher „Ring“ nun zu Ende.

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Das Göttergelichter hat das Gebäude verlassen

Noch einmal kreist die labyrinthische Zimmerflucht Walhalls auf der Drehbühne des Opernhaus Zürich in Richard Wagners „Götterdämmerung“, dem letzten Teil des „Ring des Nibelungen“. Die besten Zeiten hat Wotans Villa hinter sich. Der Ausstatter Christian Schmidt hat kräftig Patina aufgetragen und der Putz beginnt zu bröckeln.

Das schuldbeladene Göttergelichter hat sich in den unendlichen Räumen verloren und jetzt sind die Zimmer frei für die Tragödie der Menschen. Siegfried wird in die Intrige von Hagen und dessen Halbgeschwistern Gunther und Gutrune gezogen, betrügt und hintergeht seine Brünnhilde.

Götterdämmerung von Richard Wagner in der Oper Zürich (Foto: Pressestelle, Monika Ritterhaus)
Die Götter haben das Gebäude verlassen: Nur die Nornen (Freya Apffelstaedt, Lena Sutor-Wernich, Giselle Allen) wachen noch als Schicksalsgöttinnen über das Geschick der Menschen.

Die wird zur rächenden Frau und setzt am Ende eine wahre Feuersbrunst in Gang, die sie selbst und alle übrigen menschlichen Bewohner verschlingen wird. Nur die ewig junggebliebenen Elementarwesen der Rheintöchter holen sich den aus dem von ihnen einst bewachten Gold geschmiedeten Ring zurück. Den nach dem Ring greifenden Finsterling Hagen schubsen sie kurzerhand aus dem Fenster.

Im letzten Bild dreht sich noch einmal die nun leere Zimmerflucht. Sie wartet auf die nächste Generation von Bewohnern, die es hoffentlich besser machen als ihre Vormieter.

Götterdämmerung von Richard Wagner in der Oper Zürich (Foto: Pressestelle, Monika Ritterhaus)
Intim inszeniertes Bildtheater: Gutrune (Lauren Fagan) trauert um ihren ermordeten Mann Siegfried. Sie kauert zu Füßen des Heldenmörders Hagen (David Leigh).

Großdimensionierter Klang trifft dramatisches Kammerspiel

Regisseur Andreas Homoki inszeniert das Weltuntergangsdrama konsequent im Stil eines bürgerlichen Kammerspiels. Im Orchestergraben mag sich großdimensionierter Klang entfalten, auf der Bühne herrschen die intimen Konstellationen. Daraus ergibt sich eine psychologisch ausgefeilte Familienaufstellung.

Zu Fall gebracht wird sie durch Brünnhilde als verkaufte Braut, nur damit Finsterling Hagen als Sohn des Nibelungen Alberich an den fluchbeladenen Ring des Vaters herankommt. Bei aller Intimität geht hier auch ein großes Bildertheater über die Bühne. Mehrfach geht der Vorhang herunter.

Mit einem an filmische Schnitt-Technik gemahnenden Ablauf versteht die Inszenierung das Finale von Wagners vierteiligem Zyklus als Bildpanorama des 19. Jahrhunderts.

 

Götterdämmerung von Richard Wagner in der Oper Zürich (Foto: Pressestelle, Monika Ritterhaus)
Klaus Florian Vogt feiert ein gekonntes Rollendebüt in der „Götterdämmerung“. Ebenfalls stimmlich in Höchstform: Daniel Schmutzhard als König Gunther und David Leigh als intriganter Hagen.

Klaus Florian Vogt triumphierend, Camilla Nylund überwältigend

Klaus Florian Vogt ist ein fabelhafter Siegfried mit bemerkenswert müheloser Strahlkraft in der Höhe und verkörpert wunderbar die Wandlung des naiven Naturburschen zum durch Manipulation Scheiternden.

Der Schwächling Gunther findet in der noblen Tönung durch Daniel Schmutzhard einen stimmlichen Kontrapunkt. Lauren Fagan singt und spielt eine aufrichtige Gutrune. Eine Entdeckung ist die hinreißend schöne Stimme von Sarah Ferede als Waltraute.

Götterdämmerung von Richard Wagner in der Oper Zürich (Foto: Pressestelle, Monika Ritterhaus)
Schlicht und ergreifend überwälteigend, findet Kritiker Bernd Künzig: Camilla Nylund in ihrem Debüt als Brünnhilde.

Der großgewachsene David Leigh als Hagen ist schon körperlich, aber auch vokal mit satt dunklem Bass ein erhabenes Zeichen der bedingungslosen Vernichtung.

Im Zentrum steht aber Camilla Nylund in der Partie der Brünnhilde als mächtig-erhabene Verkörperung des Tragischen. Schlicht und ergreifend überwältigend.

Götterdämmerung von Richard Wagner in der Oper Zürich (Foto: Pressestelle, Monika Ritterhaus)
Brünnhilds Freitod besiegelt das Ende des Götterzeitalters. Nicht nur dank exzellenter Solist*innen übertrumpft der Züricher Ring die aktuelle Bayreuther Produktion.

In vokaler Hinsicht ist er ein Ereignis ersten Ranges

Trotz einiger Wackler und Koordinationsprobleme strukturiert Gianandrea Noseda am Pult der Philharmonia Zürich das dichte Leitmotiv-Geflecht der Partitur hellsichtig transparent. In Zürich ist damit ein „Ring“ zu Ende gegangen, der szenisch derzeit als einer der Poetischsten gelten kann.

In vokaler Hinsicht ist er ein Ereignis ersten Ranges. Der Besuch der Aufführung des Gesamtzyklus im Mai 2024 ist ohne Wenn und Aber zu empfehlen. Bayreuth kann da derzeit kaum mithalten.

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