Bezahlkarte für Asylbewerber im Saale-Orla-Kreis

Landrat: "Wir denken, das wird ein Erfolgsmodell"

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Michael Lueg
SWR1-Moderator Michael Lueg (Foto: SWR, SWR1 -)
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In der Debatte um die künftige Asylpolitik der Bundesrepublik fällt immer wieder der Begriff der Bezahlkarte für Asylbewerber. Diskutiert wird auch über mögliche Arbeitseinsätze von Geflüchteten. Die gesetzlichen Regularien für beides gibt es, umgesetzt wird jedoch eher zögerlich.

Im Saale-Orla-Kreis in Thüringen gibt es seit Anfang März eine Bezahlkarte, und Asylbewerber müssen pro Tag vier Stunden Arbeiten. SWR1 Moderator Michael Lueg hat sich mit dem Landrat des Saale-Orla-Kreises, Christian Herrgott (CDU) über die ersten Erfahrungen unterhalten.

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SWR1: Sie haben eine Bezahlkarte im Saale-Orla-Kreis eingeführt. Flüchtlinge können damit nur in ihrem und im Nachbarlandkreis bezahlen und maximal 50 Euro Bargeld abheben. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Christian Herrgott: Wir haben die Bezahlkarte zum 1. März eingeführt und machen zunächst sehr positive Erfahrungen damit. Diejenigen, die die Bezahlkarte bisher eingesetzt haben, haben bisher noch von keinen Probleme berichtet. […] Wir denken, das wird ein Erfolgsmodell.

Wir sehen diese Arbeitspflicht als eine Möglichkeit, zügig eine Tagesstruktur aufzubauen und diejenigen mit einfachen Tätigkeiten in eine Arbeitsstruktur hinein zu bringen und zu motivieren.

SWR1: Sie haben eine Arbeitspflicht für Flüchtlinge eingeführt und damit Schlagzeilen gemacht. Es geht darum, dass Asylbewerber im Saale-Orla-Kreis vier Stunden pro Tag einfache Tätigkeiten verrichten müssen, für 80 Cent pro Stunde. Den rechtlichen Rahmen dafür gibt es schon lange, aber nur wenige Kommunen setzen das um. Was erhoffen Sie sich von dieser Pflicht?

Herrgott: Wir erhoffen uns von dieser Pflicht zunächst einen wichtigen Integrationsbaustein. In den ersten drei Monaten dürfen Flüchtlinge grundsätzlich nicht arbeiten, sodass wir diese Arbeitspflicht als eine Möglichkeit sehen, zügig eine Tagesstruktur aufzubauen und diejenigen, obwohl sie noch keine Sprachkenntnisse haben, mit einfachen Tätigkeiten in eine Arbeitsstruktur hinein zu bringen und zu motivieren, eine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt anzunehmen, sobald sie das dürfen.

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SWR1: Um welche Arbeiten geht es dabei konkret?

Herrgott: Zunächst geht es um Arbeiten in den Gemeinschaftsunterkünften Arbeiten. Das heißt: Reinigungstätigkeiten, Tätigkeiten im Außenbereich, Grünschnitt oder Winterdienst. Wir dehnen dies jetzt aus auf Tätigkeiten bei gemeinnützigen Trägern, bei Vereinen und bei anderen Kommunen. Da geht es um einfache Tätigkeiten, die ohne besondere Fachkenntnisse und ohne komplizierte Maschinen auch von denjenigen, die zu uns gekommen sind, relativ einfach ausgeführt werden können.

Die Erfahrungen der Asylbewerber sind sehr positiv. Sie sehen das auch nicht als eine zu geringe Bezahlung.

SWR1: Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert diese Arbeitspflicht und sagt, das sei ausbeuterisch menschenverachtend. Was sagen Sie dazu?

Herrgott: Ich sage dazu, dass mir diese Kritik jetzt nicht spurlos vorbeigeht. Aber man sollte nicht nur die Überschriften lesen. Wir setzen hier die Regularien des Asylbewerberleistungsgesetzes um. Die 80 Cent sind kein Stundenlohn, sondern eine Aufwandsentschädigung, die zusätzlich zum Asylbewerber-Leistungsentgelt gezahlt wird.

Damit kommen auf die etwa 460 Euro Monat bei vollzeitiger Tätigkeit 64 Euro obendrauf. Die Erfahrungen der Asylbewerber sind sehr positiv. Sie sehen das auch nicht als eine zu geringe Bezahlung, sondern als Aufwandsentschädigung, mit der sie sich zusätzlich etwas leisten können.

Unser Ziel ist ganz klar eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt.

SWR1: Von der SPD kommt Widerspruch zur Arbeitspflicht. Eine solche fördere nicht die Integration auf dem regulären Arbeitsmarkt. Wäre es nicht sinnvoller, mehr Sprachkurse anzubieten und dafür zu sorgen, dass berufliche Abschlüsse schneller anerkannt werden, um Voraussetzungen für den normalen Arbeitsmarkt zu schaffen?

Herrgott: Wir wünschen uns alle, dass berufliche Abschlüsse schneller anerkannt werden und dass die Dinge, die leider nicht im Bereich meines Landkreises liegen, zügiger vorangehen – genauso wie schnellere Asylverfahren. Wir möchten, dass diejenigen, die bei uns sind, zügig in eine Tagesstruktur kommen und auch die Möglichkeiten haben, hier bereits, in die Arbeitswelt in Deutschland hineinzuschauen. Und unser Ziel ist ganz klar eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt.

SWR1: Im September wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Sind die beiden Punkte Arbeitspflicht und die Bezahlkarte ein wichtiges Thema für Sie, um bei den Wählern zu punkten?

Herrgott: Für uns ist wichtig, dass wir die rechtlichen Regularien ausschöpfen und gerade beim Thema Migration die Dinge umsetzen, die wir uns vorgenommen haben. Die Dinge, die wir in unserem Landkreis umsetzen und die einige Landräte in Thüringen gerade mit der Bezahlkarte schon im letzten Dezember umgesetzt haben, zeigen, dass dort, wo die CDU regiert, Recht und Gesetz umgesetzt wird und es auch bei diesen Themen vorangeht.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.

Mehr Informationen über Arbeitseinsätze von Geflüchteten beim Saale-Orla-Kreis.

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