Medizin

Corona-Pandemie - Diese Medikamente werden gegen Covid-19 getestet

Stand
INTERVIEW
Ulrike Till
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel

Das Coronavirus breitet sich weltweit aus. Forscher suchen nach Medikamenten zur Behandlung der Lungenkrankheit Covid-19. Doch der große Durchbruch steht noch aus.

Noch nie haben so viele Forscher auf der ganzen Welt gleichzeitig nach einem Heilmittel gesucht: Hunderte unterschiedlicher Ansätze werden derzeit untersucht. Dabei gibt es viele Stoßrichtungen.

Eine vielversprechende Idee ist, Medikamente zu nutzen, die für andere Erkrankungen entwickelt wurden. Der Vorteil dabei ist, dass sie die klinischen Testphasen schon durchlaufen haben. Die möglichen Nebenwirkungen wurden schon erforscht. Da kann man viel schneller an Coronapatienten testen, als bei ganz neuen Substanzen. So könnten solche Medikamente schneller für den breiten Ansatz bereit stehen. Aber dafür müssen sie natürlich wirken.

Weltweit wird fieberhaft nach Medikamenten gegen die von Coronaviren ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 gesucht. (Foto: IMAGO, imago images / Panthermedia)
Weltweit wird fieberhaft nach Medikamenten gegen die von Coronaviren ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 gesucht.

Viele Medikamenten-Tests gegen Covid-19 laufen noch

Es gibt bei einigen Ansätzen vielversprechende Beobachtungen, das sind bisher aber vor allem Einzelfälle ohne Kontrollgruppe oder Ergebnisse aus der Petrischale bzw. in Tierversuchen. Größere klinische Studien nach strengen wissenschaftlichen Standards laufen noch.

Es wird auch immer wieder kritisiert, dass bei der Erforschung des neuartigen Coronavirus wissenschaftliche Standards nicht eingehalten werden. Anderseits ist es auch ein Wettlauf mit der Zeit: Je früher man wirksame Medikamente oder einen Impfstoff gegen das neue Coronavirus entwickelt hat, desto mehr Menschenleben können eventuell gerettet werden.

Auch in Deutschland laufen die ersten Studien mit Medikamenten gegen Covid-19.imago images  Panthermedia (Foto: IMAGO, imago/Panthermedia)
Auch in Deutschland laufen die ersten Studien mit Medikamenten gegen Covid-19.

Entzündungshemmer Dexamethason könnte Sterblichkeit senken

Das Medikament Dexamethason scheint die Sterblichkeit von beatmeten COVID-19-Patienten erheblich zu senken. Das zeigten vorläufige Ergebnisse einer klinischen Studie aus Großbritannien. Die bisher nur über eine Pressemitteilung veröffentlichten Studienergebnisse legen nahe: Der Entzündungshemmer Dexamethason könnte die Sterberate bei schweren Covid-19-Verläufen senken. Bei Patienten, die künstlich beatmet wurden und das Medikament bekamen, sank die Sterberate um ein Drittel.

Damit sei Dexamethason das erste Medikament, von dem gezeigt wurde, dass es die Chance, bei Covid-19 zu überleben verbessere, erklärte Peter Horby, einer der Leiter der „Recovery“-Studie. Und es gebe noch mehr Vorteile des Wirkstoffes: Dexamethason werde seit mehr als 50 Jahrern in der Medizin eingesetzt, sei daher sofort verfügbar und dazu kostengünstig.

Die WHO wertet die Ergebnisse bereits als "lebensrettenden wissenschaftlichen Durchbruch". Allerdings ist die Studie noch nicht erschienen und daher auch nicht kritisch begutachtet worden. Führende Mediziner aus Deutschland halten die Untersuchung für überzeugend. Dennoch müsse man für die endgültige Bewertung die Veröffentlichung der Studie mit all ihren Daten abwarten.

Ebola-Medikament Remdesivir als Hoffnungsträger in den USA

Als besonders vielversprechend gilt derzeit das antivirale Medikament Remdesivir. Das Mittel wurde eigentlich für den Kampf gegen Ebola entwickelt, es wurde aber nie zugelassen. Denn auch wenn der Einsatz sicher war, er zeigte keine ausreichende Wirkung. 

Bei Affen, die mit dem Coronavirus MERS infiziert waren, konnte man aber eine Wirkung nachweisen. Im Labor wirkte es auch gegen das nah-verwandte Virus SARS-1. 

Laut einer noch unveröffentlichten US-Studie kann der Wirkstoff Remdesivir die Behandlungsdauer von Covid-19-Patienten verkürzen. Die antivirale Substanz wurde unter anderem gegen Ebola entwickelt. Die vorläufigen Ergebnisse wurden Ende April im Weißen Haus vorgestellt, Präsident Trump drängte auf eine Eilzulassung.

Widersprüchliche Studien zu Remdesivir

In der amerikanischen Studie mit 1063 Teilnehmern sind Covid19-Patienten mit Remdesivir schneller gesund geworden als mit Placebo: Im Schnitt konnten sie nach 11 Tagen aus der Klinik entlassen werden, bei der Vergleichsgruppe dauerte es 15 Tage. Todesfälle gab es in beiden Gruppen: mit Remdesivir lag die Todesrate bei 8 Prozent, mit Placebo etwas höher bei 11,6 Prozent.

Das klingt nach einem positiven Trend, der kleine Unterschied ist aber statistisch nicht relevant. Eine aktuelle chinesische Studie im Fachblatt „Lancet“ sieht dagegen gar keinen Nutzen von Remdesivir in der Behandlung von Covid 19. Allerdings war diese Studie mit nur 237 Patienten sehr viel kleiner und musste wegen Teilnehmermangels abgebrochen werden. Die Herstellerfirma Gilead hat schon im Januar die Produktion von Remdesivir hochgefahren und will im Falle einer Zulassung bis Ende des Jahres eine Million Behandlungen weltweit ermöglichen.

Malariamittel Chloroquin kann wohl zu schweren Herzproblemen führen

Das Malariamittel Chloroquin sorgt immer wieder für Schlagzeilen: Donald Trump nimmt es zum Schutz vor dem neuen Coronavirus, auch Brasiliens Präsident Bolsonaro lobt das Mittel als wirksam. Die hohen Erwartungen stützen sich vor allem auf positive Ergebnisse in der Petrischale.

Eine große Studie im Fachblatt „The Lancet“ hat dagegen gezeigt: Das Malaria-Medikament hilft wohl nicht bei der Behandlung von Covid-19. Im Gegenteil: Es könne sogar schaden. Es sei gehäuft zu Todesfällen und gefährlichen Herzrhythmusstörungen gekommen.

Mittlerweile wurden allerdings ernsthafte Zweifel an der Studie bekannt: Sie basiert auf einer Datenerhebung einer in Chicago ansässigen Firma namens Surgisphere. Verschiedenen Wissenschaftlern fielen nach der Publikation Ungereimtheiten in den Datensätzen auf. „The Lancet“ hat deshalb einen offiziellen „Expression of Concern“ – auf Deutsch: Ausdruck von Besorgnis – veröffentlicht. Die Editoren weisen darauf hin, dass sie die Publikation erneut prüfen müssen und dass die Studienergebnisse unter Vorbehalt betrachtet werden sollten.

Noch kein endgültiges Aus für Chloroquin

Denkbar ist, dass ein früherer Einsatz der Malariamittel – ehe die Patienten ins Krankenhaus müssen – vielleicht etwas bringt. Das müssten weitere Studien nach strengen wissenschaftlichen Standards zeigen.

Auch Forscherinnen in Tübingen, Stuttgart und Hamburg untersuchen das Malariamittel bei Patienten mit mittelschwerer Covid-19 Erkrankung.

Eine Lancet-Studie Ende Mai hat ergeben: Covid-19 Patienten, die das Malariamittel bekommen hatten, starben im Schnitt rund doppelt so häufig wie Corona-Kranke ohne Chloroquin-Therapie.  (Foto: IMAGO, imago/Panthermedia)
Eine Lancet-Studie Ende Mai hat ergeben: Covid-19 Patienten, die das Malariamittel bekommen hatten, starben im Schnitt rund doppelt so häufig wie Corona-Kranke ohne Chloroquin-Therapie. Allerdings waren die Datensätze wohl fehlerhaft.

Auch Mittel gegen HIV oder gegen Grippe werden getestet

Momentan werden die unterschiedlichsten Mittel ausprobiert, die eigentlich mal gegen ganz andere Krankheiten entwickelt wurden.

Eine Hoffnung sind zum Beispiel bestimmte Wirkstoffe gegen HIV: Die Aidsmedikamente Lopinavir und Ritonavir könnten vielleicht auch die Vervielfältigung von Coronaviren stoppen.

Auch das japanische Grippemittel Avigan wird gegen Covid-19 getestet. Da gab es zum Teil vielversprechende Ergebnisse in China, aber auch schwere Nebenwirkungen. All diese Mittel werden einzeln, aber oft auch in Kombination mit Substanzen getestet, die das überschießende Immunsystem bei schweren Verläufen herunterregulieren sollen: Interferone zum Beispiel, die kommen sonst unter anderem bei Rheuma zum Einsatz. Interferone  sind von Körperzellen gebildete Eiweißkörper, die bei Virusinfektionen nicht infizierte Zellen vor Viren schützen.

Viele Krankenhäuser, wie hier im Iran, sind mit der Behandlung von Covid-19 Patienten überfordert. Daher ist es so wichtig, schnell wirksame Medikamente zu finden. (Foto: IMAGO, imago images/ZUMA Wire)
Viele Krankenhäuser, wie hier im Iran, sind mit der Behandlung von Covid-19 Patienten überfordert. Daher ist es so wichtig, schnell wirksame Medikamente zu finden.

Welche Rolle spielt eine mögliche Therapie mit Blutplasma?

Die sogenannte Serumtherapie ist ein ganz spannendes Konzept. Man braucht dafür kein Medikament, sondern das Blutplasma von Patienten, die eine Covid-19-Infektion gut überstanden haben. Die Idee ist im Prinzip ganz simpel: Wer nach einer Viruserkankung wieder gesund ist, hat schützende Antikörper gegen den Erreger im Blut – das ist auch bei Covid-19 so.

Diese Antikörper lassen sich über eine Blutplasma-Spende auf Patienten übertragen, die akut schwer an Covid-19 erkrankt sind. Die müssen dann nicht erst selbst Antikörper bilden, sondern können die fremden Antikörper nutzen und damit Covid 19 bekämpfen – das ist zumindest die große Hoffnung.

Das war auch bei der Spanischen Grippe und zuletzt bei Ebola und Sars schon ein möglicher Behandlungsansatz. Jetzt wird das zum ersten Mal nicht nur im akuten Notfall, sondern in klinischen Studien mit Placebogruppen genau untersucht -- auch hier bei uns in Deutschland.

Blutverdünner im Einsatz bei Covid-19

Das neue Coronavirus attackiert nicht nur die Lunge, sondern verändert wohl auch das Blut – vor allem bei schwer Erkrankten ist die Blutgerinnung oft gestört, es kann zu lebensgefährlichen Gerinnseln kommen.

Die Deutsche Gesellschaft für Intensiv- und Notfallmedizin fordert deshalb, dass blutverdünnende Medikamente eine stärkere Rolle bei der Behandlung von Covid-19 spielen müssen. Viele wichtige Fragen für den klinischen Alltag sind dabei aber noch offen.

Medizin Tuberkulose-Impfstoff soll Immunsystem gegen Coronavirus fit machen

Vier deutsche Kliniken untersuchen jetzt, ob ein Impfstoff gegen Tuberkulose indirekt auch einen gewissen Schutz vor einer Coronainfektion und Covid-19 bietet.

Stand
INTERVIEW
Ulrike Till
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel