Erwünschte Berührungen haben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit. (Foto: IMAGO, imago)

Medizin

Wie Berührungen die psychische und körperliche Gesundheit verbessern

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Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Körperliche Berührungen von Menschen und Tieren können Schmerzen, Depressionsgefühle und Angstgefühle lindern. Das zeigt eine neue Studie.

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Eine Metaanalyse, die jetzt im Fachmagazin nature veröffentlicht wurde, zeigt, dass körperliche Berührungen unsere psychische und physische Gesundheit verbessern können. Ein Grund, sich mal wieder öfter zu umarmen. Berührungen wirken sich nämlich positiv auf eine Vielzahl von körperlichen und geistigen Befindlichkeiten aus – und helfen gesunden wie kranken Menschen.

Erwünschte Berührungen verbessern die Gesundheit

Erwünschte Berührungen verbessern unsere Gesundheit - sagt Studienautor Julian Packheiser vom Institut für Kognitive Neurowissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Doch er schränkt ein:

Das muss nicht für das Individuum gelten. Also wir machen natürlich Statistik für Gruppen. Und in diesen Gruppen gibt es dann auch Individuen, die vielleicht nicht besonders von Berührungen profitieren. Aber im Mittel kann man tatsächlich sagen, dass Berührungen die Gesundheit verbessern.

Dieses Ergebnis ist nicht wirklich überraschend, aber die Details sind spannend. So hat das Team genauer untersucht, welche Faktoren eigentlich die Effektivität der Berührung beeinflussen. Dazu haben sie verschiedene physiologische Parameter erhoben: Blutdruck, Herzrate und die Menge des Stresshormons Cortisol. Letzteres ist ein Indikator dafür, wie hoch das Stresslevel ist und wie gut die Schlafqualität.

Besonders Berührungen am Kopf scheinen einen positiven Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit zu haben. Frau mit Mädchen (Foto: IMAGO, imago)
Besonders Berührungen am Kopf scheinen einen positiven Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit zu haben.

Berührungen reduzieren Schmerz und mindern Depressionen

Tatsächlich gab es messbare physiologische Effekte durch Berührungen. Je häufiger die Berührungen stattgefunden haben, desto besser ging es den Menschen. Durch die Berührungen verminderten sich Gefühle wie Schmerz oder Depressionen. Und auch der Blutdruck wurde gesenkt. Berührungen scheinen also, so Julian Packheiser, wichtig zu sein, um die Gesundheit nachhaltig zu verbessern.

Ein weiteres Ergebnis der Metastudie, hat selbst das Forschungsteam überrascht: Die Dauer der Berührung ist nicht entscheidend für den gesundheitlichen Vorteil. Ob man "sich jetzt 60 Minuten massieren lässt oder ob man sich jetzt mal 10 Sekunden umarmen lässt" ist nach der Einschätzung von Julian Packheiser nicht entscheidend:

"Das schien, relativ ähnliche Effekte tatsächlich zu induzieren, was für uns überraschend war. Aber das ist ja vielleicht auch aus einer ökonomischen Perspektive gar nicht so schlecht für die Gesundheit."

Auch kurze Berührungen können heilsam sein

Selbst eine kurze Umarmung hat bereits eine gesundheitsfördernde Wirkung. Und wo sollte man sich am besten berühren? Auch das hat das Forschungsteam aus den vielen Studien herausgelesen:

Da haben wir rausgefunden, dass tatsächlich Berührungen am Kopf am effektivsten waren, um unsere Gesundheit zu verbessern.

Besonders interessiert war das Forschungsteam um Julian Packheiser an Berührungen, die ohne das Zutun von Menschen ausgelöst werden können. Das sei schließlich gerade für Menschen, die nicht häufig berührt würden, von großer Relevanz.

Erwünschte Berührungen haben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit. Frau mit Kleinkind wird am Kopf berührt. (Foto: IMAGO, IMAGO/Westend61)
Erwünschte Berührungen haben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit.

Sogar Berührungen durch soziale Roboter oder Umarmungskissen hilfreich

Kranke Menschen, alte Menschen in Pflegeheimem oder Menschen, die stark unter Eindsamkeit leiden, werden möglicherweise selten von anderen berührt. Und wir alle haben das in der Pandemie gemerkt, dass das für uns alle potenziell gelten kann, das auch der Zugang zu Berührungen extrem eingeschränkt ist.

Tatsächlich ergab die Auswertung der Metastudie: Berührungen durch Objekte wie soziale Roboter, Umarmungskissen und spezielle Gewichtsdecken zeigten ebenfalls einen messbaren positiven Effekt auf die körperliche Gesundheit:

Wir haben praktisch die gleichen Effekte gefunden, wenn es um die physische Gesundheit geht, also wenn es um Schmerzempfinden, Herzrate oder Blutdruck ging oder um das Stresshormon Cortisol. Allerdings haben wir geringere Effekte gefunden, wenn es um die Reduktion von Gefühlen wie Angst oder Depression ging.

Für die Psyche sind menschliche Berührungen aber besser

Im Bereich der psychischen Gesundheit war die Berührung von nicht menschlichen Objekten wie Robotern oder Gewichtsdecken zwar immer noch messbar positiv, aber eben längst nicht so effektiv und gut wie eine menschliche Berührung.

Was das Team um Julian Packheiser leider nicht klären konnte, war die Frage, ob es für die Person, die die Berührung gibt, ebenfalls von gesundheitlicher Bedeutung ist. Denn dazu gab es zuwenig Daten.

Das wäre eine schöne Sache, wenn man sagen könnte, die Massage oder die Umarmung hilft nicht nur der Person, die das annimmt, sondern auch der Person, die die Berührung ausführt.

Auch Berührungen durch nicht-menschliche Objekte können mitunter heilsam sein: Die Roboter-Puppe Elisa soll bei der häuuslichen Pflege von Menschen mit Demenz unterstützen. (Foto: IMAGO, IMAGO/Dietmar Waesche)
Auch Berührungen durch nicht-menschliche Objekte können mitunter heilsam sein: Die Roboter-Puppe Elisa soll bei der häuuslichen Pflege von Menschen mit Demenz unterstützen.

Unterschiedlicher Umgang mit Berührungen in verschiedenen Kulturen

Das Forschungsteam um Julian Packheiser würde gerne weiter untersuchen, ob sich die Ergebnisse zur gesundheitlichen Wirkung von Berührungen auch auf Kulturen übertragen lassen, in denen Berührungen anders gewertet werden wie zum Beispiel im ostasiatischen Raum.

Wir wollen natürlich Global Health (die globale Gesundheit) verbessern, das ist das Ziel am Ende unserer Forschung. Um jetzt wirklich so richtig weitreichende Aussagen zu treffen, können wir nicht einfach nur im westlichen Raum bleiben, sondern müssen uns das auch mal interkulturell anschauen. Das wäre eine extrem spannende Möglichkeit für weitere Forschung.

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