200 Jahre Johann Strauss

Die Walzerkönigsmacherinnen: Johann Strauss und die Frauen

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Autor/in
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Richard Wagner nannte ihn den „musikalischsten Schädel der Gegenwart“, seine Walzer und Operetten begeistern die Massen bis heute. Doch dass aus Johann Strauss II. der Walzer- und später der Operettenkönig wurde, verdankte er nicht zuletzt den Frauen in seinem Leben. Wir stellen sie vor.

Heimliche Nationalhymne Österreichs: Strauss' „An der schönen blauen Donau“ (1867)

Anna Strauss: Die Mutter, die Strauss‘ Karriere befeuert

Ginge es nach dem berühmten Vater, Johann Strauss dem Älteren, wäre aus seinem Sohn alles geworden, nur kein Musiker. Am Wiener Polytechnikum, der heutigen Technischen Universität, soll Johann II. auf eine Karriere als Beamter vorbereitet werden. Dass es anders kommt, daran ist seine Mutter nicht unbeteiligt.

Eine ungewollte Schwangerschaft ist im Juli 1825 der Grund für die Hochzeit zwischen der Wirtstochter Maria Anna Streim und dem Violinisten und angehenden Komponisten Johann Strauss. Drei Monate später wird Johann II. geboren, im Familienkreis „Schani“ genannt.

Sechs Kinder bringt Anna Strauss zur Welt, fünf von ihnen erreichen das Erwachsenenalter. Doch glücklich ist die Ehe nicht, der Mann ist selten zu Hause und viel auf Konzertreisen.1834 bezieht die Familie im „Hirschenhaus“ in der Wiener Leopoldstadt zwei separate Wohnungen: eine für Anna und die Kinder, eine für den Vater, der wenig später eine Beziehung mit der Modistin Emilie Trampusch eingeht.

Zeitgenössisches Porträt von Maria Anna Strauss, in einem schulterfreien Kleid mit Biedermeier-typischer Hochsteckfrisur.
Maria Anna Strauss widersetzt sich dem Willen ihres Mannes und fördert die musikalischem Ambitionen ihres Sohnes. Sie wird zur Matriarchin der Musikerfamilie.

Treibende Kraft hinter dem Strauss-Familienbetrieb

Gegen den Willen des Vaters fördert Anna Strauss die musikalischen Ambitionen ihres Sohnes. Johann bricht das Studium am Polytechnikum ab, um Komposition und Violine zu studieren. Am 31. Juli 1844 erklärt Johann Strauss Sohn vor dem Magistrat der Stadt Wien seine Absicht, Musiker zu werden. Am selben Tag reicht Anna die Scheidung von ihrem Mann ein.

„Jetzt will der Mistbub, der Johann, auch Walzer schreiben, wo er doch keinen Dunst davon hat“, soll der Vater ausgerufen haben, als er vom Ungehorsam des Sohnes erfährt. Das Debüt seines Sprosses versucht Strauss Vater im Oktober 1844 mit allen Mitteln zu verhindern – vergebens, das Konzert wird ein voller Erfolg.

In den folgenden Jahren wird der Sohn im Wiener Konzertbetrieb zur ernsthaften Konkurrenz für den Vater. Anna Strauss organisiert als Managerin die Auftritte des Sohnes und verpflichtet die jüngeren Brüder Josef und Eduard, mit ins Familiengeschäft einzusteigen. Als der Vater 1849 in der Wohnung seiner Lebensgefährtin an Scharlach stirbt, übernimmt Johann Strauss Sohn schließlich dessen Orchester und vereint es mit seinem eigenen.

Das WDR-Funkhausorchester spielt die Ballsträußchen-Polka (1873)

Jetty Strauss-Treffz: Sängerin und Komponisten-Managerin

Als Johann Strauss am 27. August 1862 im Stephansdom Henriette „Jetty“ Treffz heiratet, ist das für die Wiener Gesellschaft ein mittelschwerer Skandal. Jetty ist 44 Jahre alt und damit sieben Jahre älter als ihr Mann. Sie hat sieben Kinder von verschiedenen Männern und hinter ihr liegt eine erfolgreiche Karriere als Opernsängerin.

Titelblatt mit dem Porträt von Henrietta (Jetty) Treffz, Strauss' erster Frau.
Als Sängerin tritt Jetty Treffz mit einigen der größten Opernstars ihrer Zeit auf. Später unterstützt sie ihren Mann bei der Organisation seines Künstlerlebens und wird zu einer kreativen Partnerin.

In ihren Jahren als Sängerin steht Jetty Treffz mit einigen der berühmtesten Operndiven ihrer Zeit auf der Bühne, unter ihnen Wilhelmine Schröder-Devrient und Jenny Lind. Rund 20 Jahre lebt sie mit dem Unternehmer Moritz von Tedesco in wilder Ehe, bevor sie 1862 schließlich Strauss heiratet.

Für Strauss wird Jetty bald zur unverzichtbaren Partnerin: Sie unterstützt ihren Mann als Musik-Kopistin, als Privatsekretärin und schließlich als Managerin. Besonders beim Aufbau und der Pflege internationaler Kontakte ist sie dem gefeierten Walzerkönig eine große Hilfe. Die Jahre mit Jetty werden zu den kreativsten seines Lebens, den „Donauwalzer“ bringt er 1867 zur Uraufführung.

Das NDR Elbphilharmonie Orchester unter Manfred Honeck spielt „Die Fledermaus“ (1874)

Jetty führt Strauss zur Operette

Jetty ist bestens in der Wiener Kulturszene vernetzt, nicht zuletzt auch in Musiktheaterkreisen. Ab Ende der 1860er-Jahre verhandelt sie mit Theaterhäusern in der Stadt, um Strauss als Operettenkomponist zu positionieren. Das Geschäft verspricht Aufführungsgarantien, regelmäßige Honorareinkünfte und gute Aussichten auf Tantiemen.

1871 bringt Strauss seine erste Operette „Indigo und die vierzig Räuber“ am Theater an der Wien zur Uraufführung. Hier feiert auch am 5. April 1874 „Die Fledermaus“ Premiere, mit der Strauss weltweite Erfolge feiert – bis heute.

Fotografie von Henrietta (Jetty) Treffz mit ihrem Ehemann Johann Strauss.
Auf den Tod von Jetty folgt für Johann Strauss in eine kreative Krise. Seine nächste Operette gerät zum Flop.

Lili Strauss: Kurze Ehe mit Karriereknick

Am 8. April 1878 stirbt Jetty Strauss-Treffz überraschend, vermutlich an einem Schlaganfall. Der Tod seiner Frau reißt ein großes Loch in das Leben des Komponisten und er gedenkt es schnellstmöglich wieder zu stopfen: Nicht mal zwei Monate nach Jettys Tod heiratet Strauss am 25. Mai 1878 die 25 Jahre jüngere Breslauer Sängerin Angelika Dittrich, genannt Lili.

Porträtfotografie der Sängerin Angelika Dittrich (Lili Strauss), um 1878.
Kurz nach Jettys Tod heiratet Strauss die 25 Jahre jüngere Angelika Dittrich. Die Erwartungen des Komponisten kann seine zweite Frau nicht erfüllen.

Strauss hofft, dass Lili, genauso wie Jetty, seine Geschäfte weiterführen wird. Doch die 28-Jährige hat weder das Netzwerk noch die Erfahrung der ersten Strauss-Gattin. Die Operette „Blindekuh“, die im Dezember 1878 Premiere feiert, wird zum großen Misserfolg in der Operetten-Karriere von Johann Strauss.

1882 verlässt Lili ihren Mann für den Direktor des Theaters an der Wien, Franz Steiner. Strauss bricht mit dem Theater und bringt seine nächste Operette „Eine Nacht in Venedig“ in Berlin zur Uraufführung. Erst nach Steiners Weggang kehrt Strauss ans Theater an der Wien zurück.

Das Linos Saxophon Quartett spielt die Ouvertüre aus „Der Zigeunerbaron“ (1885)

Adele Strauss: Geschickte Managerin und Nachlassverwalterin

In Berührung mit der Familie Strauss kommt Adele Deutsch durch ihren ersten Ehemann. Der Familie ihres Mannes gehört das „Hirschenhaus“, in dem die Strauss-Familie seit den 1830er-Jahren lebt.

Nach drei gemeinsamen Ehejahren wird Adele 1877 Witwe. Die Beziehung zu Johann Strauss intensiviert sich spätestens 1882: Adele begleitet Johann nach Berlin, wo die 250. Aufführung seiner Operette „Der lustige Krieg“ gefeiert wird.

Wie seine erste Frau Jetty wird Adele zur Mitarbeiterin und später Managerin ihres Mannes. An eine Ehe ist zunächst nicht zu denken, da das katholisch geprägte Eherecht im Kaiserreich die Scheidung von Lili nicht erlaubt.

Fotografie: Adele Strauss und Johannes Brahms beim Kaffee in der Gartenlaube (ca. 1895).
Adele Strauss beim Kaffeetrinken mit Johannes Brahms. Nach Strauss' Tod 1899 setzt sich seine Witwe dafür ein, dass die Kompositionen ihres Mannes nicht in Vergessenheit geraten.

Neue Staatsbürgerschaft für das Eheglück

Johann und Adele geben 1885 ihre österreichische Staatsbürgerschaft auf, konvertieren zum evangelischen Glauben und werden Bürger des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha, um Johanns Scheidung von Lili zu erwirken und damit heiraten zu können.

Als Johann Strauss am 3. Juni 1899 mit 73 Jahren an einer Lungenentzündung stirbt, wird aus der Gattin und Managerin schließlich die Witwe und Verwalterin des Strauss'schen Nachlasses. Adele sorgt dafür, dass die Walzer und Operetten ihres Mannes auch nach dessen Tod nicht in Vergessenheit geraten und bis heute regelmäßig auf den Spielplänen stehen – nicht nur beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.

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Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik