Zum 50. Todestag

Josephine Baker: Der erste afro-amerikanische Weltstar

Stand

Von Autor/in Henry Altmann

Josephine Baker war nicht nur ein Star, sie machte die Welt durch ihr Tun hinter den Kulissen ein klein wenig besser. Ihr Leben stellte ihr Bühnendasein in den Schatten.

Es gibt mindestens fünf verschiedene Josephine Bakers: die hungernde Straßengöre von St. Louis, das schwarze Sex-Symbol im Bananenröckchen, die „Familien-Josephine“ mit ihrer vielen Adoptivkindern, die Freiheitskämpferin und natürlich: „La Baker“, die Diva.

Das Sex-Symbol

Sie ist schrecklich. Sie ist hinreißend. Ob sie schwarz ist oder weiß, ob sie Haare oder einen schwarzbemalten Schädel hat, niemand weiß es. 

So zitiert Maurice Sauvage in einer von insgesamt fünf Autobiografien einen Premieren-Besucher der „Revue nègre“ vom 2. Oktober 1925 in Paris. Ein 19-jähriges Broadway-Sternchen kann darin, so heißt es in einer Zeitung von Oktober 1925 „ihren Körper nahezu unbegrenzt verrenken und dazu Schielaugen machen.“

Es ist das Publikum, das Stielaugen macht – mit wenig auf ihrer dunklen Haut triggert eine Tänzerin, was unter der hellen ihres Publikums liegt: kolonialistische Sehnsüchte nach Sinnlichkeit und Sex, Urwald und Exotik – gefeiert als Göttin, begafft wie ein Tier.

Josephine Baker auf einem Foto von ca. 1925
Star der Roaring Twenties: Josephine Baker sorgt mit ihrer „Revue nègre“ in Paris für Aufsehen.

Aufgeregte Öffentlichkeit

Josephine Baker zieht gegen Voyeure blank, Presse und Publikum loben und toben; hier stellvertretend der französische Autor Pierre de Régnier: „Dieser Tanz von seltener Unanständigkeit ist ein Triumph der Geilheit.“

In Wien gibt es Gottesdienste gegen Josephine Bakers Auftritte, in Argentinien präsidiale Verfügungen dafür – auf einem Bananenröckchen baut die Tänzerin eine Weltkarriere auf, komplettiert sich durch Gesangs- und Schauspielunterricht zur bestbezahlten Entertainerin der Alten Welt.

In den Berliner Magazinen und Zeitungen stand, ich sei eine Gestalt des zeitgenössischen deutschen Expressionismus, des deutschen Primitivismus und so weiter ... Sie sind schon witzig.

Die Stil-Ikone

Josephine Baker wird zur Stil-Ikone: Paul Colin, Raoul Dufy und Kees van Dongen malen sie, Cocteau und Covarrubias entwerfen Bühnenbilder und Kostüme, Adolf Loos gleich ein ganzes Haus für sie.

Henri Matisse hängt einen lebensgroßen Scherenschnitt von ihr in seinem Schlafzimmer auf. Alexander Calder baut sie als Drahtfigur, Charlotte Perriand designt eine Möbelserie nach ihrem Haarschnitt.

Dazu Maurice Sauvage in Bakers Memoiren: „Josephine Baker verkörpert etwas Außergewöhnliches, und ihr Erfolg stellt etwas ebenso Außergewöhnliches dar – diese besondere intuitive Lebendigkeit und Intelligenz, mit der sie sich immer auf wunderbare Weise anzupassen wusste, ohne sich je zu unterwerfen.“

Josephine Baker tanzt den Charleston in den Folies-Berègre, Paris, 1926.
Ihr Publikum begeisterte Baker mit ihrer intuitiven Lebendigkeit.

Kampf gegen Rassismus

Im Krieg spioniert Josephine Baker für die Résistance, macht öffentlich Truppenbetreuung, versteckt Waffen und Flüchtlinge, erhält mehrere Orden, doch später sagt sie: „Als ich die Freiheitsstatue am Horizont verschwinden sah, wusste ich: Jetzt bin ich frei!“

1936 und 1951 wird sie auf US-Tourneen rassistisch angefeindet. 1963 spricht Josephine Baker vor 200.000 Menschen beim Marsch auf Washington, direkt vor Martin Luther Kings berühmter „I Have a Dream“-Rede: „Dies ist der glücklichste Moment meines ganzen Lebens“

Mit zwölf Adoptiv-Kindern aus aller Welt setzt Baker Rassismus ein starkes Statement entgegen.

Geldsorgen

Für diese Kinder braucht sie aber Geld. Immer wieder von der Pleite bedroht und 1964 endgültig aus ihrem Schloss in der Dordogne vertrieben, muss sie immer wieder auf die Bühne.

Ich habe dieses künstliche Leben satt, das grelle Scheinwerferlicht. Als Bühnenstar habe ich mich niemals wohlgefühlt.

Die Diva

Gleichzeitig aber ist sie „La Baker“, die Diva, die etwa 1950 den Hamburger Konzertveranstalter Kurt Collien strapaziert:

„Ich stand gestern mit meinen Blümlein am Flughafen – wer nicht ausstieg, war Josephine Baker! Dann rief ich sofort Paris an: Sie führe mit dem Nachtzug, das sei angenehmer. Wir stehen heute früh wieder am Bahnsteig 4 – Josephine Baker ist nicht da! Wir hatten vereinbart in der vorigen Woche telefonisch, dass heute früh um elf Uhr die Proben sein sollten. Punkt viertel vor elf fährt sie mit einem Wagen vor – da ist sie diese 1.000 km von Paris heute Nacht durchgefahren: Ich habe vier entzückende, zauberhafte neue Kleider mitgebracht.'

Josephine Baker bei ihrer Show "Paris, Mes Amours" 1957
Als Entertainerin stand Josephine Baker 50 Jahre auf der Bühne. Sie starb am 12. April 1925.

20.000 Menschen bei Beerdigung

Am 8. April 1975 begeht Josephine Baker in der Pariser Music Hall „Bobina“ ein letztes Comeback. Der französische Staatspräsident Giscard d‘Estaing schickt ein Glückwunschtelegramm, die Presse lobt: „Josephine Baker scheint die Schönheit und die Vitalität der Jugend gepachtet zu haben.“

Vier Tage später ist die 69-Jährige tot – ein Schlaganfall. 20.000 Menschen geben ihr das letzten Geleit. 46 Jahre später, am 30. November 2021, wird Josephine Baker in die französische Ruhmeshalle, den Panthéon, aufgenommen.

Porträt zum 50. Todestag Josephine Baker – Weltstar, Aktivistin, Widerstandskämpferin

Im Bananenrock wurde Josephine Baker weltberühmt – diese Klischees prägen ihr Bild bis heute. Dabei war ihre Karriere vielseitig: Neben der Bühne war sie Unternehmerin und kämpfte gegen Rassismus.

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