Donaueschinger Musiktage 2010 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2010: "Memoria (i) mobile"

Stand
AUTOR/IN
Felipe Lara, aus dem Englischen: Bernd Künzig

Das Werk handelt von Erinnerung und wie wir gleichzeitige Ereignisse innerhalb der Zeit ungleichzeitig wahrnehmen. Zur Erzeugung spezifisch musikalischer Situationen, die in verschiedenen Zuständen innerhalb des Werks auftauchen, benutzte ich bildmetaphorische Annäherungen. Ein prinzipielles Zahlenverhältnis (14 – 2 – 9 – 3 – 14 – 2) kontrolliert die Parameter wie Rhythmus, Phrasierung, Form, Tempo und den harmonischen Rhythmus.

Um eine kaleidoskopartige formale Struktur zu erzeugen, ist jeder dieser allegorischen Abschnitte den anderen Abschnitten des Stücks proportional entsprechend selbstähnlich unterteilt. Dies erzeugt unmittelbare Kontrapunkte von individuellen metaphorischen Abschnitten mit ihren Unterabschnitten.

Um musikalische Kontraste bereits im Vorfeld der Komposition zu erzeugen, versuchte ich, Bildlichkeiten herauf zu beschwören wie die klassischen griechischen Elemente (Erde, Wasser, Luft, Feuer), moderne Populartänze (folkloristisch, Rock/Pop, Jazz, Elektronische Tanzmusik) und die Materialien, aus denen die orchestralen Instrumente gebildet werden (Holz, Metall, Saiten, Felle). Diese grundlegenden Eigenschaften werden allerdings nicht direkt in Klang umgesetzt, sondern dienen dazu, unvergleichbare Klangidentitäten oder orchestrale Meta-Instrumente zu erzeugen. Dies erzeugt Unterscheidbarkeit und etabliert den Kontrast zu den vorkompositorischen Ausgangspunkten.

Nachdem diese verschiedenen Bildlichkeiten festgelegt wurden, unterteilte ich sie in vier unterschiedliche strukturelle Abschnitte, jeder ein "Element", einen "Tanz" und ein "Material" enthaltend. Zusätzlich ordnete ich den vier Hauptabschnitten jeweils zwei Typen struktureller Störungen zu, um absichtlich die Vorhersehbarkeit der vorkompositorischen Struktur aufzubrechen. Diese strukturellen "Unfälle" nenne ich "Tangenten" und "Chaconnes". Die Form besteht aus kurzen Momenten, bei denen ich den Fluss des Werks mit plötzlichen musikalischen, formalen oder zeitlichen Schichten unterbrochen habe. Letztere sind kurze plötzliche Momente, bei denen alle primären Harmonien eines bestimmten Abschnitts zu einer Akkordfolge kondensiert werden, um sie für den Hörer erkennbar zu machen. Durch die Hinzufügung diese "Unfälle" gerinnt jeder Abschnitt zu folgender Abfolge: Element – Tangente – Tanz – Chaconne – Material – Tangente.

Der tägliche Kompositionsprozess bedeutete in gewisser Weise, sich die statische Struktur anzueignen, zu formen, ihr zu widersprechen, sie zu durchlöchern und schließlich sie zu töten, um dergestalt ein mehr elastisches und bewegliches musikalisches Ergebnis zu erzielen. Der Titel meditiert über die unvermeidliche Veränderung, der alle statischen Objekte unterliegen, sobald Zeit, Raum, Gedächtnis und die Wahrnehmung der Betrachter miteinbezogen werden.

Festivaljahrgänge
Donaueschinger Musiktage 2010
Themen in diesem Beitrag
Felipe Lara, Memoria(i)mobile für Orchester
Stand
AUTOR/IN
Felipe Lara, aus dem Englischen: Bernd Künzig