Der Satz wirkt lapidar und birgt doch musikdramaturgischen Sprengstoff:
So schreibt Giacomo Puccini in der Regie-Anweisung auf der ersten Partitur-Seite seiner Oper „Il tabarro“.
Puccini war sicher kein Revolutionär, kein Avantgardist im engeren Sinne; aber er war auf seine Weise ein sanfter Weiter-Entwickler und Erneuerer. Er legte akribischen Wert darauf, dass Bühnenraum und Musik eine absolute Einheit bilden. Kein Wunder also, dass bei der Premiere von „Il tabarro“ sechs Bühnenbildner an dem genannten Eingangsbild beteiligt waren, um ein letztlich optimales Ergebnis zu garantieren – ein Ergebnis, das nicht primär den Regisseur, sondern den Komponisten zufriedenstellen sollte. Puccini besaß die Fähigkeit zur „szenischen Imagination von dramatischem Geschehen“, wie Richard Erkens es in dem entsprechenden Kapitel des von ihm herausgegebenen Handbuches erläutert. Seine Ausführungen stehen stellvertretend für die unterschiedlichen Blickwinkel, aus denen sich die insgesamt 26 Autoren dem ‚Kosmos Puccini‘ nähern. Darunter sind zwei englischsprachige und mehrere italienische Wissenschaftler – um auf diese Weise die internationale Puccini-Forschung entsprechend abzubilden.
Neben Biografie, einzelnen Werkbetrachtungen und Beiträgen zur Rezeption (hier besonders zur Mythisierung Puccinis durch die Massenmedien) wirken gerade die Aufsätze unter dem Thema „Perspektiven auf Puccinis Opernschaffen“ wie eine Erfrischungs-Kur. Kann es sein, dass so viele dieser hier beleuchteten Aspekte, zumindest in Deutschland, nie hinreichend ins Visier genommen wurden? In dem Kapitel „Kantabilität als Herausforderung“ heißt es beispielsweise:
Diese symbiotische Beziehung zeigt sich vor allem darin, dass Gesangsstimme und Orchester nicht nur stellenweise synchron geführt werden, sondern dass Puccini dem Orchester eine voraus- und zurückblendende oder zumindest eine überbrückende Funktion zumisst, wie im vierten Akt von „Manon Lescaut“.
Ob Puccini und der Exotismus, ob seine Bedeutung für den sogenannten „Verismo“, ob detaillierte Ausführungen zu seiner Klang-Dramaturgie oder zu seinen Figuren-Konstellationen – dieses neue „Puccini Handbuch“ ist wie eine Lupe, durch die wir sein Werk und besonders seine Konzeption von Theater, seine Opern-Ästhetik genauer und (nicht zuletzt anhand vieler schlüssiger Detail-Beobachtungen) stellenweise neu betrachten können. Es ist sicher keine Übertreibung, wenn wir hier von einem neuen Standard-Werk sprechen.
Buchkritik vom 22.11.2017 aus der Sendung „SWR2 Cluster“