Kurzkritik

Prinz Harry – Reserve

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AUTOR/IN
Katharina Borchardt

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„Reserve“ – so heißt sicherlich der Kracher der Woche. Der Buchhandel jubiliert. Schon jetzt flutschen die Exemplare nur so über die Theken. Interessant, wie da jemand einen medialen Frontalangriff auf die eigene Familie fährt – und dabei auch das gute alte Buch einsetzt. Beeindruckend schnell geschrieben – mit Hilfe eines Ghostwriters, des amerikanischen Journalisten John Joseph Moehringer.

Auf Englisch sind 416 Seiten herausgekommen, im buchstabenreicheren Deutsch sind es dann gleich mal hundert Seiten mehr. Das Buch erscheint auf einen Schlag in 16 Sprachen. Die Übersetzer waren also unfassbar schnell.

Den ganzen Gossip will ich hier nicht nochmal wiederholen. Den kennen wir, glaub ich, schon zur Genüge. Aber ich will gern ein paar Worte dazu sagen, wie man das Buch lesen kann. Die Ähnlichkeit zu Königsdramen von Shakespeare liegt ja sehr auf der Hand. Aber auch an die emotionale Verbürgerlichung des Adels etwa bei Schiller kann man denken. Stichwort: Bürgerliches Trauerspiel.

Gleichzeitig ist das Buch eines dieser aktuell sehr beliebten Ego-Dokumente. Also: Ich habe eine Geschichte – und die muss erzählt werden. Memoir ist das Wort dafür. Es kommt Hand in Hand mit dem Begriff Selbstermächtigung. In diesem Sinne ist es ein Stück Emanzipationsliteratur, Befreiungsliteratur – zumal es sich auch in die aktuelle Rassismusdebatte einreiht. Und davon sicherlich auch nicht zu knapp profitiert.

Britische Diskretion war einmal, ebenso britischer Humor, der – Stichwort Naziuniform – immer schon ein bisschen drüber war, in „Reserve“ nun aber in ein eher witzfreies Moralisieren übergeht. „Reserve“ ist eine Art Familienroman, wenn auch mit realen Figuren. Ein Entwicklungs- und Bildungsroman auch – in Bezug auf den Erzähler Harry selbst. Und er steckt auch ein dickes Stück traditioneller Romantik in ihm, ein bisschen wie Ludwig Tieck: eine Liebeskonstruktion – wahr, echt, authentisch – gegenüber einer so genannten „Institution“ – hier halt dem Königshaus.

Wahre Liebe braucht kein Geld, insinuiert Tieck sehr witzig. Was natürlich nicht wahr ist. Und deswegen verdient Autor Harry an „Reserve“ natürlich Unmengen. Es ist insofern auch ein sehr gutes Warenprodukt.

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