Der Amerikaner Richard Russo ist Spezialist für krisenanfällige Männer. Im Grunde könnte jeder seiner Romane „Mittelalte Männer“ heißen. Jetzt gibt es tatsächlich ein Buch mit genau diesem Titel, im Original 1997 unter dem Titel „Straight Men“ erschienen. Russos Protagonisten sind Menschen, die sich in Umschlagsmomenten ihres Lebens befinden. Ihre Defizite liegen offen zutage.
Russos Kunst besteht darin, seine unperfekten Helden mit Sympathie und empathischem Blick zu schildern, ohne sie zu verharmlosen. In diesem Fall: William Henry, genannt „Hank“ Devereaux Jr., 50 Jahre alt, glücklich verheiratet. Hanks hervorstechende Eigenschaft ist seine undurchdringliche Ironie. Die macht ihn an dem Kleinstadt-College, an dem er Fachbereichsleiter für englische Literatur ist, bei den Kollegen verhasst. Dass Hanks Ironie in Wahrheit auch ein Panzer ist, hinter dem er sich in rhetorischer Vollendung verschanzt und mit deren Hilfe er seine Lebenstraurigkeit abfedert, begreift man bald.
„Lucky Hank“ ist sein Spitzname, doch vielleicht ist dann doch nicht alles in seinem Leben ganz so glücklich wie es scheint. Untergründig läuft auch das problematische Verhältnis zu seinen Eltern stets mit. Ein geradezu luxuriöses Vergnügen ist es, Hanks rhetorisch geschliffener Haltungslosigkeit zu folgen.