Was der kleine Mario in der Hitlerjugend gelernt hat
„Good-Bye Johnny ...“, das Lieblingslied von Mario Adorf: In dem lakonischen Liedtext entdeckt Tim Pröse ein Stück der Gefühlsbeherrschung, die die Kriegs- und Nachkriegszeit Mario Adorf und seiner Generation verordnete: „Im Johnny-Lied will jemand tapfer sein…, selbst als es ihm seinen besten Freund hinfortfegt. So hatte das auch der kleine Mario gelernt bei der Hitlerjugend, als er selbst neun Jahre alt war und Hans Albers den Schlager aus dem Volksempfänger heraussang.“
Mehr Persönlichkeitsbeschreibung als Biografie
Es sind solche assoziativen Verknüpfungen zwischen Adorfs Wesenszügen und der Zeitgeschichte, die das neue Buch zu einem besonderen Porträt machen. Mehr reportageartige Persönlichkeitsbeschreibung als Biografie, sortiert es das umfangreiche Interviewmaterial nicht chronologisch, sondern nach thematischen Kapiteln: Über Adorfs Frauen etwa, seine Kollegen, seine Fehler.
Brief an Günter Grass
Eingeflochten sind einige unbekannte schriftliche Dokumente: Notizen über den Tod, der Lebenslauf für die Schauspielschulbewerbung von 1953 oder ein Brief an Günter Grass – kurz nach dessen Geständnis, in die Waffen-SS eingetreten zu sein. Adorf erzählt, wie er nach einem Führerlehrgang in Hermeskeil fast das Gleiche getan hätte und resümiert: „Auch ich war nicht eindeutig für etwas, aber gewiss nicht eindeutig dagegen, und ich glaube fest, dass beide Haltungen zumindest im unreifen Alter, durchaus nebeneinander bestehen können.“
Im Zentrum stehen Adorfs bekannteste Rollen, seine erste als Massenmörder Bruno Lüdke oder die des Klebstofffabrikanten Haffenloher.
Manchmal wird der Autor auch zum unkritischen Fan
Manchmal interpretiert Tim Pröse ein wenig schnellfertig Bedeutungen in Adorfs Namen, in sein Aussehen, seine Stimme, sein markantes Profil oder seine farbenfrohe Kleidung. Da wird Tim Pröse ganz zum unkritischen Fan.
Mario Adorf am Sterbebett seiner Mutter
Doch in anderen Kapiteln bewegt er den Schauspieler einfühlsam zu Antworten auf große Fragen, etwa was Mario Adorf am Sterbebett seiner Mutter gefühlt hat. „Ich habe an meine eigene Sterbeszene gedacht, die irgendwann kommen wird. Auch an die vielen Tode, die ich gespielt habe. Heute muss ich sagen, viele davon leichtfertig, etwa in irgendwelchen Actionfilmen und Western, in denen man sich einfach totschießt. Ich frage mich, wie bewusst wird dieser Moment sein? Man stirbt ja selten mit klarem Kopf. Aber wenn doch, dann werde ich es mir nicht verkneifen können und denken: 'Aha, so stirbt man also wirklich'.“