Kulturmedienschau I 16.06.23

Musiklabel Universal lässt Marketing für Rammstein ruhen: reicht das?

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AUTOR/IN
Eva Marburg

Nachdem am Mittwoch die Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen Sänger Till Lindemann eingeleitet hat, gab nun auch die Plattenfirma Universal bekannt, ihre Marketing-Zusammenarbeit mit der Band einstellen zu wollen. Ob das reicht und warum sich generell so wenig Männer in der Debatte um Gewalt gegen Frauen zu Wort melden, ist Thema in der Kulturmedienschau am 16. Juni 2023.

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Universal Music gibt sich schockiert

„Die Vorwürfe gegen Till Lindemann haben uns schockiert,“ wird die Pressesprecherin des Musiklabels Universal heute in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Weiter gibt Universal bekannt: „Wir haben den größten Respekt vor den Frauen, die sich in diesem Fall so mutig öffentlich geäußert haben. Wir sind davon überzeugt, dass eine vollumfängliche Aufklärung der Anschuldigungen, auch durch die Behörden, unbedingt erforderlich ist und ebenfalls im Interesse der gesamten Band liegen muss. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben wir die Marketing- und Promotion-Aktivitäten für die Recordings der Band bis auf Weiteres ausgesetzt.“ gibt das Label bekannt.

Geschäfte mit Rammstein zu gut für eine Kündigung?

Auf Twitter findet diese Entscheidung einerseits Zustimmung – YES! heisst es an einer Stelle – dem Journalisten Claas Gefroi ist aber das bloße Einstellen der Marketing-Aktivitäten nicht genug. Er twittert ironisch: „Ach du liebe Güte. Natürlich hat man bei Universal all die Jahre nichts mitbekommen und ist nun ganz erschrocken. Aber natürlich nicht so doll, dass man die Verträge mit Rammstein kündigt. Cashcow bleibt dann doch Cashcow.“  

Ach du liebe Güte. Natürlich hat man bei #Universal all die Jahre nichts mitbekommen und ist nun ganz erschrocken. Aber natürlich nicht so doll, dass man die Verträge mit #Rammstein kündigt. Cashcow bleibt dann doch Cashcow. #Lindemannhttps://t.co/ExqGZ0ZhZA

Warum melden sich so wenige Männer zu Wort?

In der Süddeutschen Zeitung fragt die Autorin Jagoda Marinic, warum sich überhaupt so wenige Männer zu Wort melden, wenn es um frauenfeindliche Strukturen geht. „Alles so still hier“, heisst die Kolumne, in der die Autorin schreibt:

„In den letzten Monaten wurden einige Debatten über Gewalt gegen Frauen angestoßen; auch der internationale Backlash, wenn es um die Rechte der Frauen geht, ist allgegenwärtig. In solchen Momenten meldeten sich fast immer überwiegend Feministinnen zu Wort, und allmählich frage ich mich: Wo bleiben die solidarischen Beiträge prominenter Männer?“

Die größte Lücke bei Diskussionen über männliche Gewalt bildeten nämlich meist die anderen Männer, die eigentlich den Diskurs anführen müssten. Stattdessen würden sie Frauen die Arbeit machen lassen. „Warum habt ihr nicht den Wunsch, euch zu verteidigen, euch abzugrenzen, eure Ideale zu schützen?“, fragt Marinic.  

Schön sei, dass sich Frauen in Deutschland endlich miteinander solidarisierten. „Doch was braucht es, damit die Mehrheit der Männer in Deutschland den Freiheitskampf der Frauen als ihren ansieht?“, fragt heute die Kolumne der Süddeutschen Zeitung.

Anschuldigungen gegen Till Lindemann

Gespräch Till Lindemann und die Groupies: Ein missbräuchliches System?

Unabhängig von den Anschuldigungen der sexuellen Gewalt, steht gegen Lindemann auch der Vorwurf des Machmissbrauchs im Raum. Aber welche Verantwortung hat ein "Star" gegenüber seinen "Groupies"? Anders als im Fall von Julian Reichelt, wo Karrieren auf dem Spiel standen, ist es in diesem Fall schwieriger auszumachen, ab wann man tatsächlich von Machtmissbrauch sprechen sollte. Warum man es tun sollte, erklärt die Soziologin und Journalistin Nadia Shehadeh im Interview mit SWR2.
Nach den vielen mutmaßlichen Zeugenberichten der letzten Tage dränge sich der Verdacht auf, dass Frauen für Sex mit Till Lindemann regelrecht "rekrutiert" würden, so Shehadeh. Allein das sehe sie schon als problematisch an, auch wenn es an sich nicht justiziabel sei. Das Argument, die Frauen wüssten doch, worauf sie sich einlassen, lässt sie nicht gelten. Man müsse deutlich unterschieden zwischen sogenannten Groupies "und einfachen Fans, die sich nichts dabei denken, wenn sie in exklusive Bereiche eingeladen werden - wie eben auch Kayla Shyx."
Shyx, eine junge Influencerin mit etwa 750.000 Followern auf Twitter und Instagram, hatte am Montag ein Video veröffentlicht, in dem sie von ihren eigenen Erfahrungen auf einer Afterafter-Party Till Lindemanns berichtet. Auch sie habe nicht geahnt, worauf das Treffen mit dem Rammstein-Sänger hinauslaufen solle, so Shyx, sie habe sich jedoch immer unwohler gefühlt und deswegen mit einer Freundin - gegen den Widerstand der Lindemann-Crew - die Flucht ergriffen.
"Es ist schon sehr bezeichnend, dass den jungen Frauen, die sich nicht bewusst waren, in welches Setting sie sich begeben, unterstellt wird, dass sie ja genau gewusst oder sogar gewollt hätten, was dort geschieht und so eben auch "Victim Blaming" betrieben wird", kommentiert Shehadeh auf SWR2. An diesem Beispiel zeige sich auch, warum es für mutmaßliche Ofer so schwierig sei an die Öffentlichkeit zu gehen. Oft würde eher dem Star geglaubt, der für viele auch ein Vorbild sei, so Shehadeh. Auch in dieser Hinsicht bestehe ein Machtgefälle zwischen den Fans und ihren Idolen.
Info: 2019 gründete Nadia Shehadeh die "Female Festival Task Force", die sich für die Sicherheit von Frauen auf großen Musikveranstaltungen, auf Festivals und Konzerten einsetzt.

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