"Shōgun", Serie auf Disney+

Neu verfilmt auf Disney+

Die wahre Geschichte hinter „Shogun“: William Adams, der englische Samurai

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Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Ein Seefahrer strandet an der Küste Japans und wird der Vertraute des Shogun. Die Handlung des Bestseller-Romans „Shogun“ von James Clavell, der jetzt für Disney+ als Miniserie neu verfilmt wurde, klingt unglaublich und ist doch so ähnlich passiert. Der Engländer William Adams wurde für seine Verdienste sogar in den Stand eines Samurai erhoben.

Ein Satz im Schulbuch der Tochter

Auf die Idee zu seinem bekanntesten Roman habe ihn ein einziger Satz in einem Schulbuch seiner Tochter gebracht, erzählte der Schriftsteller James Clavell (1921 – 1994). Dort habe gestanden: „Im Jahr 1600 ging ein Engländer nach Japan und wurde dort ein Samurai.“

1975 erschien „Shogun“ und wurde zum Weltbestseller: 15 Millionen Bücher verkauften sich bis 1990. Zur anhaltenden Popularität trug nicht zuletzt auch ein Fernsehmehrteiler nach Clavells Roman bei, mit Richard Chamberlain und Kurosawa-Schauspieler Toshiro Mifune in den Hauptrollen.

Jetzt wurde der Roman neu verfilmt, wieder als Miniserie. Seit 27. Februar sind die ersten Folgen auf Disney+ zum Streaming verfügbar, weitere Folgen werden wöchentlich veröffentlicht. Die Hauptrollen übernehmen der britische Schauspieler Cosmo Jarvis als Seefahrer John Blackthorne und der Japaner Hiroyuki Sanada als Fürst Toranaga.

Clavells Roman „Shogun“, neu verfilmt auf Disney+

"Shōgun", Serie auf Disney+
Nach einem Sturm strandet das Schiff des britischen Navigators John Blackthorne (Cosmo Jarvis) an der Küste Japans. Die Überlebenden des Schiffsunglücks werden durch den Provinzfürsten Kasigi Yabu inhaftiert. Bild in Detailansicht öffnen
"Shōgun", Serie auf Disney+
Bald erhält auch Fürst Yoshii Toranaga (Hiroyuki Sanada) Kunde von dem gestrandeten Schiff und der Mannschaft, die sich in japanischem Gewahrsam befindet. Bild in Detailansicht öffnen
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Er schickt seinen Kommandanten Toda Hiromatsu (Tokuma Nishioka), um die Mannschaft zu seinem Fürstensitz in Osaka bringen zu lassen. Bild in Detailansicht öffnen
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Die Portugiesen sind die einzige westliche Macht in Japan. Fürst Toranaga beauftragt den Priester Martin Alvito (Tommy Bastow) mit der Übersetzung. Schnell erkennt der Jesuit im britischen Navigator eine Gefahr für seine eigene Vormachtstellung. Bild in Detailansicht öffnen
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In späteren Gesprächen mit Blackthorne, der von den Japanern nur Anjin (Navigator) genannt wird, übersetzt Toda Mariko (Anna Sawai). Durch sie erfährt der Fürst, dass der Papst Japan zum Hoheitsgebiet Portugals erklärt hat. Bild in Detailansicht öffnen
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Mariko hat heimlich den christlichen Glauben angenommen. Sie ist verheiratet mit dem brutalen Samurai Buntaro Toda (Shinnosuke Abe). Bild in Detailansicht öffnen
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Unter den Regionalfürsten Japans ist Ishido Kazunari (Takehiro Hira) der wichtigste Widersacher des Fürsten Toranaga. Blackthorne wird zum Spielball der Machtspiele zwischen den beiden Feudalherren. Bild in Detailansicht öffnen
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Blackthorne muss auf Wunsch von Toranaga in Japan bleiben. Er bekommt ein Haus zugewiesen und eine Kurtisane (Yuka Kouri), die sich um seine Bedürfnisse kümmern soll. Bild in Detailansicht öffnen

Ein Schiffsbauer aus Gillingham

Der Engländer, von dem Clavell im Schulbuch seiner Tochter gelesen hatte und der zum Vorbild für seinen Romanhelden John Blackthorne wurde, war der Schiffsbauer und Seefahrer William Adams.

Adams wurde 1564 in Gillingham geboren, einer Kleinstadt etwa 50 Kilometer östlich von London in der Grafschaft Kent, wo der Fluss Medway und die Themse in die Nordsee münden. Mit 12 Jahren verliert Williams seinen Vater und tritt in der Folge als Lehrling in die Dienste eines Werftbesitzers bei London. Dort erhält er eine Ausbildung in Schiffsbau, Navigation und Astronomie.

Mit 24 Jahren tritt Williams der Royal Navy bei, wo er das Kommando über die „Richard Duffield“, ein Versorgungsschiff, erhält. In der Schlacht bei Gravelines 1588, in der die britische Marine unter Francis Drake die spanische Armada besiegt, sorgen Adams und seine Schiffscrew für den Nachschub an der Frontlinie.

Eine Handelsmission verschlägt Adams nach Japan

Zehn Jahre segelt Adams als Navigator auf Handelsschiffen zwischen England und Nordafrika. Er heiratet und wird Vater zweier Kinder. Dann erhält er im Jahr 1598 den Auftrag, als Hauptnavigator einer fünfschiffigen Rotterdamer Handelsflotte nach Ostindien, heute Indonesien, zu segeln.

William Adams trifft auf die japanischen Machthaber
Im April 1600 landet die geschwächte Mannschaft der „Liefde“ vor Kyushu. Die Männer unter der Führung von William Adams müssen die Regionalfürsten davon überzeugen, keinen Überfall im Sinn zu haben.

Die Flotte sticht am 24. Juni 1598 in See. Die Route soll über die Kapverden und Guinea nach Südamerika, durch die Magellanstraße Richtung Asien führen. Doch die Reise gestaltet sich schwierig. Immer wieder kommt es zu Kämpfen mit Einheimischen, die Besatzung leidet unter schlechten Wetterbedingungen, Versorgungsengpässen und Krankheit.

Nur eins der fünf Schiffe erreicht sein Ziel. Von den anderen Schiffen sinkt eines, zwei fallen in die Hände der Spanier und Portugiesen. Die „Liefde“, auf der William Adams zuletzt das Kommando hat, landet im April 1600 vor der japanischen Insel Kyushu.

Gestrandet im isolierten Kaiserreich

Japan ist zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein vom Rest der Welt weitestgehend isolierter Inselstaat. Als einzige westliche Macht befinden sich portugiesische Missionare im Land. Ihnen hat Papst Alexander VI. 1494 im Vertrag von Tordesillas die Vorherrschaft in der Region zugebilligt.

Als die von der Reise geschwächte Besatzung in Kyushu von Bord geht, wird sie vom dortigen Regionalfürsten festgesetzt. Portugiesische Priester, die als Übersetzer vermitteln sollen, bezichtigen die Neuankömmlinge der Piraterie. Das Schiff wird beschlagnahmt und die Besatzung an den Fürstenhof von Osaka geschickt.

Tokugawa Ieyasu (1543 - 1616)
Mit dem Sieg in der Schlacht von Sekigahara (21. Oktober 1600) begründet Tokugawa Ieyasu die Dynastie der Tokugawa-Shogune, die in Japan bis 1867 herrschen.

Dort sollen sie vor Tokugawa Ieyasu treten, den mächtigsten Mann eines Regentschaftsrates, der die Vormundschaft für den erst siebenjährigen Erben des kürzlich verstorbenen Shogun innehat.

Tokugawa persönlich verhört Adams und zeigt sich beeindruckt von dessen Wissen über Seefahrt, Schiffsbau und Mathematik. Und nicht nur das: Adams informiert Tokugawa über weltpolitische Umstände, die ihm von den Missionaren vorenthalten wurden. Etwa, dass Europa kein unter der katholischen Kirche geeintes Reich ist oder dass der Papst der portugiesischen Krone die Hoheit über die halbe Welt inklusive Japan zugesprochen hat.

Tokugawa Ieyasu greift nach der Macht

Tokugawa nutzt die instabile politische Lage für seine eigenen Machtambitionen. Im Oktober 1600 reißt er nach dem Sieg in der Schlacht von Sekigahara die Herrschaft an sich und lässt sich vom Kaiser zum Shogun und damit zum de-facto-Regenten Japans ausrufen.

Zwischen dem Shogun und dem Schiffbrüchigen entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis. Adams‘ Einblicke in die Gemengelage auf dem europäischen Kontinent sind wertvolle Informationen für Tokugawas Außenpolitik. So wertvoll, dass der Shogun Adams die Rückkehr nach England verbietet.

William Adams vor Tokugawa Ieyasu
In regelmäßigen Audienzen informiert William Adams den Shogun Tokugawa Ieyasu über neue Entwicklungen und die politische Gemengelage in der westlichen Welt.

Adams wird zur wichtigen Figur bei Hofe. Er entwirft und baut für die japanische Flotte die ersten Schiffe nach westlichem Vorbild. Tokugawa setzt ihn auch als Handelsdiplomaten ein. Unter Adams‘ Einfluss knüpft Japan neue Handelsbeziehungen mit den Niederlanden und nach England. Im Auftrag des Shogun reist Adams durch Ostasien, um dort die Handelsbeziehungen zu stärken.

Der europäische Samurai

Tokugawa Ieyasu zeigt sich für William Adams Einsatz erkenntlich. Er schenkt ihm ein Lehen auf der Halbinsel Miura und gestattet ihm das Tragen zweier Schwerter – eine Ehre, die ausschließlich den Samurai vorbehalten ist. Der Engländer führt den ehrenvollen Titel eines Hatamoto, eines Beraters und direkten Vasallen des Shogun.

Schließlich lässt Tokugawa William Adams offiziell für tot erklären und unter dem japanischen Namen Miura Anjin wiederauferstehen. Mit der Todesmeldung wird Adams‘ Frau in England offiziell zur Witwe und Adams selbst zum Japaner. Miura Anjin heiratet Oyuki, die Tochter des Verwalters der Burg Edo, das von Tokugawa zur neuen Hauptstadt auserkoren wird und es bis heute unter dem Namen Tokio bleibt.

Reiseerlaubnis für niederländische Schiffe nach Japan (August 1609)
Die auf den 24. August 1609 datierte Einreiseerlaubnis nach Japan für niederländische Handelsschiffe trägt das Siegel des ersten Tokugawa-Shoguns.

Bleibendes Erbe in den Handelsbeziehungen nach Westen

Seine englische Heimat sieht William Adams nie wieder. Als Tokugawa Ieyasu 1616 stirbt, bleibt der Engländer trotzdem eine einflussreiche Person am Hof des Shogun und führt mehrere Expeditionen nach Südostasien durch. Am 16. Mai 1620 stirbt der 55-jährige Adams bei Nagasaki an einer Tropenkrankheit.

Unter Tokugawas Nachfolgern schottet sich Japan vor dem Einfluss ausländischer Mächte hermetisch ab. Die Handelsbeziehungen zur niederländischen Ostindien-Compagnie, die William Adams aufgebaut hatte, blieben jedoch auf einer kleinen Insel im Hafen von Nagasaki bestehen – als einziger Kontakt zum Westen bis ins 19. Jahrhundert.

„Shogun“, erste Folgen seit 27. Februar auf Disney+

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