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Thriller „Hypnotic“ mit Ben Affleck– Spannungsreicher Kino-Mindfuck mit Hitchcock-Anspielungen

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Rüdiger Suchsland

Der neue Robert Rodriguez-Thriller mit Ben Affleck ist ein dynamischer Genrefilm, intelligent, unterhaltsam und etwas verschwurbelt, meint SWR2-Filmkritiker Rüdiger Suchsland. Er spielt mit der Wahrnehmung des Publikums, thematisiert politische Manipulation und erinnert nicht zuletzt an Hitchcocks „Vertigo“.

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Hypnotic von Robert Rodriguez
Seit die Tochter von Danny Rourke (Ben Affleck) entführt wurde, besteht sein Leben vor allem aus Schuld und Verzweiflung. Bild in Detailansicht öffnen
Hypnotic von Robert Rodriguez
Einzig seine Arbeit bei der Polizei mit Kollegin Diana Cruz (Alice Braga) gibt Danny Rourke Halt. Ein neuer Fall bringt das durcheinander. Bild in Detailansicht öffnen
Hypnotic von Robert Rodriguez
Bei den Ermittlungen rund um eine Serie von Bankrauben stößt Rourke auf einen Hinweis zum Verbleib seiner Tochter. Bild in Detailansicht öffnen
Hypnotic von Robert Rodriguez
Die Spur führt direkt zum mysteriösen Gangster Dellrayne (William Fichtner). Bild in Detailansicht öffnen
Hypnotic von Robert Rodriguez
Doch Dellrayne ist mehr als ein einfacher Bankräuber. Bild in Detailansicht öffnen
Hypnotic von Robert Rodriguez
Rourke kann niemandem mehr trauen oder einen klaren Kopf bewahren. Wird er seine Tochter aus den Fängen des Verbrechens retten können? Bild in Detailansicht öffnen

Robert Rodriguez steht seit 25 Jahren für Qualität

Es gibt Regienamen, die stehen einfach für Qualität. Zu ihnen gehört seit 25 Jahren Robert Rodriguez. Damals drehte er den ersten Kinofilm mit George Clooney, „From Dusk Till Dawn“, dann den guten Schulhorrorfilm „The Faculty“, und auch „Children of Spies“ und "Desperado" mit Antonio Banderas sind für Kenner des Actionfilms ikonisch. 

Hypnotic von Robert Rodriguez
Bei den Ermittlungen rund um eine Serie von Bankrauben stößt Rourke auf einen Hinweis zum Verbleib seiner Tochter.

Eine Psychotherapie, ein Mann, seine Tochter und ein Fremder

Der Mann, der Held des Films, namens Danny Rourke gespielt von Ben Affleck, ist Polizist. In einer Psychoanalyse verarbeitet der Detektiv das Trauma, das er nach dem Verschwinden seiner kleinen Tochter erlitten hat. Während er mit ihr im Park war, holte ihn seine Arbeit plötzlich in die Realität zurück: Ein merkwürdiger Banküberfall und ein mysteriöser Täter, offenbar ein genialer Hypnotiseur, ziehen ihn immer tiefer hinein ins Zwischenreich aus Fantasie und Manipulation, Sein und Schein.

Hypnotic von Robert Rodriguez
Einzig seine Arbeit bei der Polizei mit Kollegin Diana Cruz (Alice Braga) gibt Danny Rourke Halt.

Funken im Gehirn, Chaostheorie auf der Leinwand

Man kann allen, die in diesen Film gehen, in jedem Fall versprechen, dass sie bis zum Ende nicht wirklich wissen werden, was hier vorgeht, was hier Sache ist, wo sich oben und unten befinden, wer die Guten wer die Bösen sind, und welche Figuren überhaupt real sind und welche nicht. 

Hypnose auch des Zuschauers

Denn nicht nur geht es in dem Film um einen Hypnotiseur und um die Hypnose als Mittel des Polizeieinsatzes einerseits und der Therapie andererseits. Es geht auch um eine Hypnose des Zuschauers. Wie bringt man den Zuschauer dahin, ganz offensichtliche Dinge zu ignorieren und sich bestimmte Fragen nicht zu stellen. 

Hypnotic von Robert Rodriguez
Die Spur führt direkt zum mysteriösen Gangster Dellrayne (William Fichtner).

Tradition des Psycho-Horror-Thrillers

Auf der anderen Seite ist dies auch ein Film, der einfach bestimmte Motive aufnimmt, die genau genommen schon seit den 30er, spätestens seit den 40er Jahren im Gangster- und Polizeifilm und im Psycho-Horror-Thriller eine Rolle spielt.In Hitchcocks „Vertigo“ war es 1958 schließlich auch schon so, dass man dem, was man sah, nicht trauen konnte.

Können Menschen wirklich ferngesteuert werden?

Eine der wichtigsten Fragen, die man sich als Zuschauer stellt, ist natürlich: Kann das denn alles wahr sein? Gibt es wirklich Hypnosen und Hypnotiseure, die ist schaffen, den Verstand und die Sinneswahrnehmung des Normalmenschen auszuschalten und seine Realitätwahrnehmung so zu stören, dass er quasi wie ferngesteuert Dinge ausführt, die andere ihm vorgeben? 

Die Macht politischer Puppenspieler und ihrer Fake News

Dieses Thema der universalen Manipulation ist natürlich das wichtigste und vor allem das Zeitgemäße an diesem Stoff - wir alle kennen jene politischen Puppenspieler, die es schaffen, nichtexistierende Fakten und kontrafaktische Erzählung in den politischen Diskurs zu bringen. 

Genau genommen ist dieser Film damit eine Metapher für politische Zustände nicht nur in den USA, für das, was wir mit dem Ausdruck Populismus in höchsten Maß verniedlichen, und das aber auch weniger mit Extremismus zu tun hat, als mit Manipulation, mit Willenlosigkeit. 

In Deutschland wird das angebliche Charisma Hitlers als Ausrede benutzt

Gerade hier in Deutschland kennt man jene Geschichten von der angeblich charismatischen Wirkung Hitlers. Der einen nur mit seinem schönen blauen Augen einmal anzusehen brauchte und schon war es um den Verstand sehr verständiger Menschen geschehen. Angeblich. So heißt es. Allzu oft nämlich ist Hypnose und Manipulation auch einfach nur eine Ausrede dafür, etwas nicht genau wissen zu wollen, nicht nachzufragen, dem äußeren Schein zu gehorchen. Das zeigt dieser Film allerdings nicht. 

Zitatgewitter aus Lieblingsfilmen des Regisseurs

Stattdessen zieht er uns in Zitatgewitter, in denen Regisseur Robert Rodriguez auf seine Lieblingsfilme anspielt. Der regelmäßige Kinogänger erkennt Christopher Nolans „Tenet“ und „Inception“, „Terminator“ eins zwei drei, „Public Enemy“, „The Matrix“, „The Game“ und so manches mehr. 

Gespräch Zum Tod des Kultregisseurs William Friedkin: "Den kleinen, dreckigen Horrorfilm revolutioniert"

In den 1970er Jahren schrieb er mit den aufwühlenden Blockbustern "The French Connection" und "Der Exorzist" Filmgeschichte. Nun ist der Regisseur William Friedkin mit 87 Jahren verstorben. Sein psychologischer Horror habe sich in unser Bewusstsein eingefressen, meint SWR2-Filmkritiker Rüdiger Suchsland.
"Der Exorzist" - der erste wirkliche Blockbuster?
Im Jahr 1973 erschien Friedkins Gruselschocker "Der Exorzist", ein Sensationserfolg auch dank der herausragenden Besetzung mit Linda Blair als Besessene, Ellen Burstyn als Mutter und Max von Sydow und Jason Miller als Teufelsaustreiber. "Die Idee des modernen Blockbusters ist erst da entstanden", sagt Rüdiger Suchsland im Gespräch. "Weil Leute da in langen Schlangen angestanden haben, um diesen Film zu sehen."
Die Unterscheidung von A- und B-Movies aufgelöst
Das Neue an diesem "Meisterwerk" sei zudem gewesen, dass Friedkin zwei Ebenen zusammengeführt habe: die A- und die B-Movies. Letztere seien oft billig gemacht gewesen, Übungsfelder für den Nachwuchs, und oft Horrorgeschichten. "Friedkin hat den schmutzigen kleinen dreckigen Horrorfilm zusammengeführt mit dem großen Autorenfilm."
Offene Kritik und Hohn für die Kirche
Außerdem sei "Der Exorzist" ein extrem kirchenkritischer Film: "Friedkin macht keinen Hehl aus seinem Hohn. Daraus, dass er das nicht ein bisschen ernst nimmt. Er spielt damit, aber im nächsten Moment lacht er schallend in die Kamera." Es sei den Zuschauenden immer klar, was er darüber dachte: "Wie kann man nur an so etwas glauben!"
Das Kino verließ mit ihm das Studio
Spätestens mit diesem Werk habe sich Friedkin als Modernist und Revolutionär des Kinos erwiesen, als eine der zentralen Gründungsfiguren von New Hollywood: "Es kam ein Kino, das aus den Studios rausging", meint Suchsland. Man habe angefangen, mit den immer leichteren Kameras auf der Straße fast dokumentarische Filme zu drehen. "Der Erste, der das gemacht hat, war William Friedkin."

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Rüdiger Suchsland