Der elfjährige Luis wird in der Schule wegen seines lila Einhorn-Rucksacks gemobbt. Wie hilflos Schule und Eltern mit dieser Situation umgehen und was das alles mit den unbarmherzigen Mechanismen des Kapitalismus zu tun hat, handelt Lucia Chiarla in „Es geht um Luis“ auf kleinstem Raum aus.
Der geliebte Einhorn-Schulrucksack ruft Mobber auf den Plan
Der Stein des Anstoßes ist lila, paillettenbesetzt und mit einem Einhorn verziert. Luis geliebter Schulrucksack veranlasst einige Jungs aus seiner Klasse, ihn zu piesacken.
Der Schulleiter erweist sich als wenig hilfreich. Statt den Mobbern Einhalt zu gebieten, schiebt er den schwarzen Peter Luis‘ Eltern zu. Seine Lösung im Telefongespräch: „Kaufen Sie doch einfach einen anderen Rucksack!“

Die Eltern sind mit der Situation überfordert
Luis‘ Eltern Constanze und Jens fühlen sich von der Situation überfordert, zumal beide im Job stark unter Druck stehen. Um die ersehnte Festanstellung zu bekommen, macht Constanze im Architekturbüro eine unbezahlte Überstunde nach der anderen.
Jens fährt mit dem Taxi ständig Nachtschicht, damit er angesichts der Konkurrenz durch einen günstigeren Fahrdienst überhaupt noch was verdient. Für Luis bleibt da kaum Zeit.
Luis bleibt unsichtbar im Film
Der 11-Jährige ist die große Leerstelle dieses Films. Man sieht ihn kein einziges Mal. Lediglich als kleine traurige Stimme am Telefon ist er im Taxi seines Vaters zwischendurch präsent.
Die meiste Zeit aber reden Jens und Constanze nicht mit ihm, sondern über ihn. Ihre Hilflosigkeit im Versuch, Luis zu helfen, lässt sie immer heftiger aneinander geraten.

Max Riemelt und Natalia Rudziewicz als Paar am Limit
Zwar heißt der Film „Es geht um Luis“, aber eigentlich geht es um das individuelle Mobbingopfer am wenigsten in diesem Familiendrama. Wie schon in ihrem großartigen Debütfilm „Reise nach Jerusalem“ nimmt Regisseurin und Drehbuchautorin Lucia Chiarla die unbarmherzigen Mechanismen der kapitalistischen Gesellschaft in den Blick.
Mobbing deutet sie als Verhaltensweise einer neoliberalen Logik, nach der die Starken die Schwachen klein machen dürfen. Wie das System viele Menschen in einen dauerhaften Zustand von Existenzangst, Aggression und Verteidigung zwingt, malen Max Riemelt und Natalia Rudziewicz als Paar am Anschlag eindrücklich aus. Und auch, wie der Anpassungsdruck schon bei den Jüngsten jede Form von Diversität und Individualität unter sich begräbt.

Große Themen auf engstem Raum verhandelt
Die großen Gesellschaftsfragen werden in „Es geht um Luis“ auf kleinstem Raum ausgehandelt. Der Großteil des Films spielt in Jens Taxi, mit dem er durch ein graues Stuttgart fährt.
Es gibt einige berühmte Filme, die im Taxi spielen. Meist entsteht schon allein durch die Bewegung durch die Stadt und den Wechsel der Passagiere eine gewisse Dynamik. In „Es geht um Luis“ tritt dieser Effekt allerdings nicht ein.
Die Dialoglastigkeit des Films wirkt auf diesem engen Raum noch drückender. Manches erscheint in seiner Thesenhaftigkeit auch zu platt. Dennoch gibt der Film einige interessante Denkanstöße, Mobbing aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und die eigenen Prioritäten als Eltern zu hinterfragen.
Trailer „Es geht um Luis“, ab 23.1. im Kino
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