In der Mythologie ist die Sirene Parthenope Stadtgöttin von Neapel. Im Film des Neapolitaners Paolo Sorrentino ersteht sie wieder auf: Als junge Anthropologin und Frau von überweltlicher Schönheit. Auf ihrem Weg hat Parthenope romantische, groteske, aber immer inspirierende Begegnungen – und reflektiert alle Facetten Neapels.
Wir befinden uns in Neapel, dem Lieblings-Territorium von Paolo Sorrentino, in einem Haus am Meer. Zu sehen ist ein alter, dekadenter Aristokratenpalast, so anachronistisch wie die an Versailles erinnernde Kutsche, die in einer Ecke des Salons steht.
In dieser Welt findet gerade eine Geburt statt. Der Bürgermeister verkündet, dass es ein Mädchen ist und den Namen einer Sirene tragen soll: Parthenope.
Eine Schlafwandlerin zwischen prächtigen Kulissen
Eine wunderschöne Frau ist das Medium von Sorrentinos neuem Film. Sie ist benannt nach der mythischen Sirene, die der Stadt Neapel ihren Namen gab: Parthenope. Geboren aus dem Wasser, flaniert sie in diesem Film fast wie eine Schlafwandlerin durch prachtvolle Kulissen und luxuriöse Villen, ohne sich jemals ganz den Wünschen der jungen Männer hinzugeben, die sie permanent umwerben.

Die moderne Parthenope trägt Haute Couture
Sie ist Anthropologin, neugierig und gebildet, von rätselhaften Gedanken beherrscht, aber unzugänglich und kühl anmutend in ihren Emotionen. Sorrentino porträtiert sie in einer Abfolge von werbespotartigen Szenen wie ein Model von Yves Saint Laurent, dem Produzenten des Films.
Die schöne Dame trägt Kleider von Saint Laurent und bewegt sich durch eine Welt, in der alles akribisch inszeniert ist und kein Anzug eine einzige Falte hat.
Ein Film zwischen Schönheit und Groteske
Dieser Film verliert sich wieder und wieder in zahlreichen Windungen und mäandert, wie seine Protagonistin, zwischen Schönheit und Groteske. Einer Groteske, die den Geist Federico Fellinis atmet, dem großen Vorbild Sorrentinos.
Zu sehen bekommen wir ein Neapel, das von seinen Ritualen geprägt ist. Der Regisseur hat auch nie Angst, in leersten Manierismus abzudriften. Im Gegenteil, da ist sein Stil.





Mitunter schwer verdaulicher Themen-Cocktail
Dazu kommen düstere Reflexionen über Inzest, Freitod, die Bewertung weiblicher Schönheit oder über den Verzicht auf Mutterschaft. Dieser Themen-Cocktail ist mitunter schwer verdaulich, da er die Protagonistin in schwachen Momenten selbstgefällig in einen Fetisch seiner explizit voyeuristischen Blickweise verwandelt.
In seinen besten Momenten erinnert Sorrentinos Film aber auch wieder an Meisterwerke des Kino-Formalismus wie „Letztes Jahr in Marienbad“. Falls die Inszenierung die Weltanschauung des Regisseurs widerspiegeln soll, dann könnte diese, die sich aus den Bildern von „Parthenope“ ableiten lässt, kaum feierlicher, selbstbezogener und selbstverliebter sein.
Eine Ego-Überdosis. Und ein Film wie ein Italienurlaub.
Trailer „Parthenope“, ab 10.4. im KIno
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