Ein Aktivist, der sich mit einem besonderen Gemisch auf die Straße festgeklebt hatte, wird mit schwerem Gerät von der Polizei von der Straße gelöst. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Paul Zinken)

Vier Gründe

Warum man die "Letzte Generation" nicht kleben lassen kann

Stand
AUTOR/IN
Caro Keil

Eine häufige Forderung in Kommentarspalten über den Umgang mit der "Letzten Generation": "Lasst sie einfach kleben". Einige Menschen halten das möglicherweise für eine Erziehungsmaßnahme. Folgende Gesetze verpflichten die Polizei jedoch zum Loslösen.

Ihre Aktionen bringen Menschen zur Weißglut: Die Klima-Aktivisten und Aktivistinnen kleben sich mit Sekundenkleber oder schnell trocknendem Beton auf Straßen, verursachen dadurch Blockaden und Staus. Wie soll man mit diesem Protest umgehen? In sozialen Netzwerken kommentieren Menschen, man solle die "einfach kleben lassen".

Gesetze verpflichten Polizei zum Handeln

Das "Kleben lassen" mag für manche als möglicherweise wirksame Erziehungsmaßnahme erscheinen. Die Polizei bewertet jeden Einzelfall neu, ist jedoch auf Grundlage vieler Gesetze in den meisten Fällen zum Handeln verpflichtet. Hier eine Übersicht der Gesetze, die bei einer Blockade-Aktion auf einer öffentlichen Straße gelten können.

1. Versammlungsfreiheit und Versammlungsrecht der "Letzten Generation"

Die im Grundgesetz verankerte Versammlungsfreiheit gilt auch bei Aktionen der "Letzten Generation", die als Versammlung bewertet werden können. Das heißt, dass die Aktivisten zunächst protestieren dürfen und die Polizei sie während der Dauer der Versammlung schützen muss. In der Vergangenheit durfte die "Letzte Generation" in Rheinland-Pfalz oft um die 20 Minuten protestieren, so Matthias Bockius, Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums, "bevor versammlungsrechtliche Maßnahmen getroffen wurden."

Danach kann die zuständige Versammlungsbehörde (oft die Stadt- oder Kreisverwaltung) oder die Polizei die Versammlung auflösen. Und zwar, wenn bei der Durchführung der Versammlung die Öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist oder Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmenden besteht. Mit dem Ende der Versammlung müssen alle Teilnehmenden den Versammlungsort verlassen, was festgeklebte Aktivisten nicht so einfach können. Hier muss die Polizei die Bestimmungen aus dem Versammlungsrecht durchsetzen und die Menschen ablösen.

2. "Letzte Generation" verstößt gegen Straßenverkehrs-Ordnung

Aus Paragraph 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) ergibt sich, dass die Aktivisten andere nicht schädigen, gefährden, behindern oder belästigen dürfen. Eine dauerhafte Straßenblockade führt zu Behinderungen der anderen Verkehrsteilnehmer, also zu einer Ordnungswidrigkeit auf Grundlage der StVO. Die Polizei ist verpflichtet, die Blockierer von der Straße zu lösen.

3. Aus Blockade kann Nötigung werden

Je nach Einzelfall kann die Blockade der Straße auch als Nötigung bewertet werden. Das ist eine Straftat und diese muss die Polizei verfolgen, also die Aktivisten entfernen. Das ergibt sich aus zwei gesetzlich festgelegten Kernaufgaben der Polizei: Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.

Polizei ist zum Handeln verpflichtet

Durch die Strafprozessordnung ist die Polizei gesetzlich verpflichtet, alle Straftaten und auch Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen. Auch wenn Straftaten andauern, muss die Polizei diese unterbinden. Das rheinland-pfälzische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) verpflichtet die Polizei zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Öffentliche Sicherheit umfasst unter anderem, dass die Rechtsordnung eingehalten wird und die Rechte des Einzelnen gewahrt werden. Das sind sowohl die Rechte der Autofahrer, als auch die der Aktivisten.

4. Polizei muss Aktivisten schützen

Darüber hinaus ist es auch Aufgabe der Polizei, Gefahren für die Aktivisten selbst abzuwehren. Die bisherigen bundesweiten Erfahrungen zeigten, erläutert Matthias Bockius, Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums, dass den Aktivisten durch "aggressive Fahrzeugführer" Gefahr drohe, die mitunter zur "Selbsthilfe greifen und die Klimakleber angreifen, teilweise sogar an- oder überfahren." Gefahr für die Aktivisten können auch drohende Gesundheitsschäden durch extrem heiße oder kalte Temperaturen sein.

Erfundenes Szenario: Hier könnte "Letzte Generation" vielleicht kleben gelassen werden

Aber in welchem Fall könnten festgeklebte Aktivisten kleben gelassen werden? Im Grunde dürften alle bisher genannten Gesetzesverstöße und Gefahren dafür nicht auftreten: Jemand klebt sich an einer Laterne auf einem Bürgersteig fest, ohne dass der Verkehr behindert und der Klebende selbst in Gefahr gebracht wird. In diesem Phantasie-Szenario müsste die Polizei, im Sinne der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit einer Hilfeleistung, strenger prüfen, ob sie die Person ablösen muss.

Durch ihre Blockaden will die "Letzte Generation" Aufmerksamkeit auf die Klima-Kipppunkte richten. Die oft jungen Aktivisten seien die letzte Generation, bevor diese kippen. Konkret fordert die Gruppe ein Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den Bahnverkehr.

Trier

Nach Straßenblockade im Juni 2021 Klimaaktivistin klagt gegen Polizei Trier: Urteil in nächsten zwei Wochen

2021 hatten Klimaaktivisten das Moselufer in Trier blockiert. Eine junge Frau wehrt sich vor Gericht, weil Fingerabdrücke genommen werden sollten.

Am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz

Mainz

Stau im Berufsverkehr Polizei beendet Blockade von Klima-Aktivisten in Mainz

Zum zweiten Mal in dieser Woche haben sogenannte Klimakleber in Mainz eine Hauptverkehrsstraße versperrt. Inzwischen fließt der Verkehr wieder.

Am Vormittag SWR4 Rheinland-Pfalz

RLP

Klima-Aktivisten "Letzte Generation" RLP-Verfassungsrichter hält Proteste der Bewegung "Letzte Generation" für gerechtfertigt

Viele, vor allem junge Menschen, sind wegen der Klimapolitik frustriert. Sie greifen zu immer radikaleren Protestmitteln auch in Rheinland-Pfalz. Ist das angemessen?

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Stand
AUTOR/IN
Caro Keil