Missbrauch Priester Edmund Dillinger mit dem verstorbenen Papst Johannes Paul II.  (Foto: SWR)

Missbrauchsfall Dillinger

Staatsanwaltschaft entschuldigt sich wegen Vernichtung von Beweismitteln

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Frank Scheuer
Frank Scheuer am Mikrofon (Foto: SWR)

Im Missbrauchsfall Dillinger ist sichergestelltes Material vernichtet worden. Das hat die Staatsanwaltschaft Saarbrücken bestätigt und sich dafür entschuldigt.

Mitte der Woche wurden Vorwürfe gegen die Polizei im Saarland laut. Sie soll Beweismittel aus den Hinterlassenschaften des im vergangenen Jahr verstorbenen Priesters Edmund Dillinger aus dem Bistum Trier verbrannt haben. Das hat der Neffe des ehemaligen Priesters dem SWR gesagt.

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Die Rhein-Zeitung hatte zuerst darüber berichtet. Der Neffe hatte den Fall nach dem Tod seines Onkels im Frühjahr bekannt gemacht.

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Material des Priesters ist teilweise verbrannt worden

Der Neffe sagte im SWR-Gespräch, dass er im Zuge der Ermittlungen beschlagnahmtes Material beim Landespolizeipräsidium in Saarbrücken wieder abholen wollte – zwar nicht die furchtbaren Bilder, aber die Tagebücher und Korrespondenz seines Onkels. Er habe dies dem Polizeipräsidium telefonisch angekündigt.

"Was soll ich dazu sagen, ehrlich gesagt. Ich bin da sprachlos und verständnislos." 

Als er dort erschien, sei ihm gesagt worden, dass fast das gesamte Material in der Müllverbrennung vernichtet worden sei. "Was soll ich dazu sagen, ehrlich gesagt. Ich bin da sprachlos und verständnislos", sagte Dillinger wörtlich. Die Dinge, die nicht von polizeilichem Interesse sind, könnten aber für Sonderermittler Jürgen Brauer von Interesse sein, so der Neffe. Die Unabhängige Aufarbeitungskommission lässt den Fall Dillinger von dem früheren Generalstaatsanwalt und einem ehemaligen Oberstaatsanwalt untersuchen.

Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen wieder auf

Infolge der aktuellen Berichterstattung in dem Fall hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Anfangsverdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen eingeleitet. Anlass dafür sei ein Artikel der Rhein-Zeitung vom Donnerstag, der Opfer Dillingers erwähnte, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Auch ein Zeuge werde zitiert, der gesagt haben soll, Dillinger sei in einer Szene sexuellen Missbrauchs aktiv gewesen, er habe anderen Priestern gegen Geld Jugendliche zugeführt. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, in alle Richtungen zu ermitteln und alle Ermittlungsansätze auszuschöpfen.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hatte Ende Juni zunächst kein formales Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil sie keine Hinweise auf noch lebende Mittäter gefunden hatte. Nach Auswertung des sichergestellten Materials mit mutmaßlich kinderpornografischen Inhalten habe sich kein Anfangsverdacht auf noch lebende Beteiligte an konkreten verfolgbaren Straftaten ergeben, hieß es damals von der Staatsanwaltschaft in Saarbrücken.

"Das wird uns zurückwerfen, das wird gewisse Dinge der Aufklärung unmöglich machen, davon muss man ausgehen."

Der ehemalige Generalstaatsanwaltschaft und Sonderermittler im Fall Dillinger, Jürgen Brauer, sagte dem SWR, er habe Akteneinsicht beim Chef der Staatsanwaltschaft Saarbrücken beantragt. Der habe ihm erst vor wenigen Tagen versichert, das Akteneinsichtsgesuch sei eingegangen. Eine Entscheidung habe es aber noch nicht gegeben.

Schwerer Schlag für die Aufarbeitung

Wenn es tatsächlich so sei, dass das Material vernichtet worden ist und man nicht mehr darin Einsicht nehmen könne, dann ist das für die Aufarbeitung ein schwerer Schlag, sagte Brauer. "Das wird uns zurückwerfen, das wird gewisse Dinge der Aufklärung unmöglich machen, davon muss man ausgehen", so Brauer.

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Staatsanwaltschaft Saarbrücken entschuldigt sich

Laut des Neffen hätte das Material aber noch bedeutsam sein können für die weitere Aufklärung und Zusammenarbeit mit Opfern von Missbrauch. Am Freitag hat die Staatsanwaltschaft in Saarbrücken reagiert. Der saarländische Generalstaatsanwalt Manfred Kost entschuldigte sich für die Vernichtung von sichergestelltem Material im Fall Dillinger. Es sei im Hinblick auf die Aufarbeitung und Interessen von Opfern ein Fehler gewesen, teilte der Generalstaatsanwalt mit. Im April hätten die Ermittler im Haus des verstorbenen Priesters mehrere tausend Fotos von Reisen des Priesters und Unterlagen wie Terminkalender sichergestellt.

Neffe wurde gefragt

Der Neffe des verstorbenen Priesters sei dabei gewesen. Er sei auch gefragt worden, ob er das Material nach der Auswertung zurückbekommen wolle, sonst würde es vernichtet. Dillinger habe daraufhin einen Teil der Dokumente beschrieben, die er wiederhaben wollte, die habe man ihm auch gegeben. Das übrige Material sei auf Anordnung des zuständigen Staatsanwalts am 5. Juli in der Müllverbrennung vernichtet worden. Danach habe Steffen Dillinger die Rückgabe weiterer Unterlagen gewünscht, die zu diesem Zeitpunkt aber schon vernichtet waren.

Saarländischer Innenminister schaltet sich ein

Der saarländische Innenminister Reinhold Jost (SPD) hat sich inzwischen auch in den Fall eingeschaltet. Er lasse Vorwürfe der Beweisvernichtung gegen die saarländische Polizei im Missbrauchsfall Edmund Dillinger untersuchen. Der Innenminister habe eine Untersuchung dazu angeordnet, bestätigte der Sprecher des Innenministeriums am Freitag. Den Prozess leite der Chef der Polizeiabteilung im Innenministerium. Über das Ergebnis werde informiert.

 "Leichtfertig Material zu vernichten, das hat einen gewissen Geruch"

Vertrauensverlust in den Rechtsstaat

Der Verein von Opfern sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier, Missbit, sieht in der mutmaßlichen Vernichtung von Beweismaterial im Missbrauchsfall Dillinger einen möglichen Vertrauensverlust in den Rechtsstaat. Missbit-Sprecherin Jutta Lehnert sagte, für die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs durch den verstorbenen Priester Dillinger wäre es wichtig gewesen, einen Blick in die Tagebücher zu werfen. "Leichtfertig Material zu vernichten, das hat einen gewissen Geruch", so Lehnert. Bei Missbit hätten sich einige Menschen vernetzt, die Opfer Dillingers geworden waren. 

"Die Vernichtung (ist) ein Desaster."

MissBit übt scharfe Kritik an den saarländischen Behörden und stellt die Frage, ob sie mit der Aufarbeitung von Missbrauch überfordert seien. Durch die übereilig angeordnete Vernichtung von Terminkalendern, Briefen etc. seien für Opfer und MissBit e.V. wichtige Belege verschwunden. Die Vernichtung sei ein Desaster. MissBit beschäftigt sich seit Jahren mit Täternamen und Orten. MissBit argumentiert, man könne deshalb Bezüge herstellen und Strukturen aufdecken, die die ermittelnden Beamten aufgrund mangelnder Kenntnis kirchlicher Vertuschungsstrategien nicht erkennen könnten.

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