Das Bistum Trier will den Missbrauchsfall Dillinger trotz Kritik selbst aufklären und lehnt unabhängigen Aufklärer ab.

Aufarbeitung Sexueller Missbrauch

Kirchenrechtler: "Das ist das typische Vorgehen im Bistum Trier"

Stand
Autor/in
Jeanette Schindler

Das Bistum Trier steht schon lange für seinen Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kritik. Die jüngste Äußerung des Vorsitzenden der Aufarbeitungskommission verstärkt das Misstrauen.

Erst im Dezember hatte die Missbrauchsstudie der Universität Trier es deutlich gemacht: Das Bistum Trier hat in der Vergangenheit wenig getan, um den Opfern sexueller Gewalt durch Priester oder Ordensleute zu helfen. Auch der Fall "Dillinger" gibt Missbrauchsopfer bisher wenig Hoffnung.

Der Neffe eines verstorbenen Priesters findet in dessen Wohnung massenhaft Fotos, auf denen der Priester und mutmaßliche Opfer von sexuellem Missbrauch zu sehen sind. Aber weder die Staatsanwaltschaft, die gegen Tote nicht ermitteln kann, noch die Unabhängige Aufarbeitungskommission zum sexuellen Missbrauch im Bistum Trier will das Beweismaterial übernehmen. Und tatsächlich: Rein rechtlich würde sie sich strafbar machen, wenn sie solche Fotos annähme und aufbewahrte.

Aufarbeitungskommission verweigerte Unterstützung

Aber ist es nicht gerade die ureigenste Aufgabe der Kommission, Missbrauchsopfern zu ihrem Recht zu verhelfen und sie zu unterstützen? Im Interview hat der SWR den Vorsitzenden der Kommission Gerhard Robbers damit konfrontiert.

Warum hat die Kommission dem Neffen Steffen Dillinger mit seinem belastenden Material nicht geholfen? Warum hat ihn niemand aus der Kommission zur Staatsanwaltschaft begleitet, um dort auf die mögliche Bedeutung der Fotos hinzuweisen? Robbers stockt, windet sich, sucht lange nach Worten und antwortet schließlich: "Es ist die Verantwortung von Herrn Dillinger, sich rechtmäßig zu verhalten. Wir als Kommission haben Aufarbeitungsarbeit im Bereich sexuellen Unrechts zu leisten. Wir sind keine Rechtsberatungsstelle."

Die Opfer-Vereinigung MissBiT forderte schon bald nach Bekanntwerden des Fotofundes den Rücktritt Robbers. Nach dieser Aussage wahrscheinlich um so mehr.

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Bistum Trier klärte Fall Dillinger nie richtig auf

Die pädophilen Neigungen des Priesters Edmund Dillinger waren dem Bistum Trier schon seit den 70er Jahren bekannt. Bis 2012 hatten die katholische Kirche und das Bistum sein Treiben vertuscht. Erst danach wurde ihm der Umgang mit Kindern und Jugendlichen verboten. Nun, elf Jahre später, steht sogar der Verdacht im Raum, dass Dillinger Teil eines Kinderschänderrings war. Ein Tagebuch des Priesters, in dem er Namen von Opfern und anderen mutmaßlichen Tätern notiert haben soll, nährt diesen Verdacht. Die Spuren führen bis nach Südafrika, wo der Priester Edmund Dillinger möglicherweise unter falschem Namen eine zweite Existenz geführt haben könnte.

"Der Fall ist auch deshalb so schrecklich", sagt der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller, "weil das Bistum Trier zwar ab 2012 erste richtige Schritte gegen den Priester eingeleitet hat, aber den Fall nicht richtig aufgeklärt hat und jetzt sehr kopflos anfängt, überhaupt Informationen zu sammeln." Das sei das "typische" Verhalten im Bistum Trier. "Man geht erstmal nicht sachgerecht mit dem Thema um und dann, wenn der mediale Druck zu groß ist, fängt man irgendwann an zu reagieren. Das ist kein professionelles Verhalten."

Kirchenrechtler wirft Robbers Versagen vor

Schüller ist der Meinung die Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier hätte den Neffen zur Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei begleiten müssen. Robbers sei zwar juristisch korrekt vorgegangen, aber ein kluger Vorsitzender hätte zusammen mit dem Neffen und den staatlichen Institutionen versucht, einen Weg zu finden, dieses Material zu sichern, meint er. "Man kann juristisch bewandert sein, aber zum Vorsitz einer unabhängigen Aufarbeitungskommission muss man auch eine menschliche Klugheit besitzen. Das scheint in diesem Fall nicht gegeben zu sein."

"Wir werden noch schreckliche Details erfahren"

Dieser Fall werde noch ein großes Ausmaß annehmen, vermutet der Kirchenrechtler aus Münster. "Wir werden noch viele schreckliche Details erfahren. Es gibt noch weitere Zeugen aus dem Süddeutschen Raum, der Schweiz und Südafrika. Das hat eine gewisse Plausibilität." Es sei deshalb absolut notwendig, nicht nur das Bildmaterial, sondern auch die Tagebücher eingehend zu untersuchen, um vielleicht auch noch lebende Täter zu identifizieren.

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Die Aufarbeitungskommission im Bistum Trier hat am Freitag mitgeteilt, dass der ehemaligen Generalstaatsanwalt in Koblenz, Jürgen Brauer, den Fall nun unabhängig aufklären werde. Das sei notwendig, weil "dieser Fall auch vor dem Hintergrund kursierender Hinweise möglicherweise auf einen überdiözesanen Pädosexuellenring und auf die sexuelle Ausbeutung von Stipendiaten aus Afrika deutet", erklärte die Kommission.

Die mutmaßlichen Opfer auf den Fotos könnten heute vielleicht 40 oder 60 Jahre alt sein. Für sie wäre die Aufarbeitung wahrscheinlich wichtig, außerdem könnten sie Anspruch auf Entschädigung haben. Bei der Opfer-Vereinigung MissBiT haben sich schon mutmaßlich Betroffene gemeldet. Eine Sprecherin sagt: "Die Leute waren völlig überrascht. Keiner von ihnen hatte damit gerechnet, dass die Sache an die Öffentlichkeit kommt."

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